Klimawandel-Hotspot Unterfranken

Künftig Kiwis statt Frankenwein?

10:51 Minuten
Kiwi-Plantage (Actinidia deliciosa) mit reifen Früchten in Neuseeland
Kiwi-Plantage: Bislang noch in Neuseeland - in Zukunft auch in Unterfranken? © imago images / imagebroker
Von Heiner Kiesel |
Audio herunterladen
Im Nordwesten Bayerns ist der Klimawandel weiter als anderswo: Hier ist es zwei Grad wärmer als in den vergangenen 140 Jahren, bundesweit ist es der dritttrockenste Ort. Lösen in der Zukunft Südfrüchte den Weinbau mit Weltrenommee ab?
Vielleicht in zehn bis 15 Jahren verschwinden die letzten Fichten aus unseren Wäldern. Danach auch Kiefern und Lärchen. Es hat schon angefangen. In dem Waldstück, das ich als Junge mit meinem Vater vor 30 Jahren angepflanzt habe, sind die Fichten hinüber. Trockenheit, Borkenkäfer. Ob das mit dem Waldumbau klappt, alle setzen jetzt auf Eichen, wissen wir erst in 30 oder 40 Jahren. Nach einem weiteren heißen Sommer darf man sich schon Gedanken machen, wie das wohl weitergehen wird. Den Winter mit Eislaufen und Schlittenfahren gibt es vielleicht bald nur noch in Kinderbüchern, die meine Enkel dann komisch finden. Wir sprechen über Unterfranken. Es könnte hier ziemlich unangenehm werden.
"Ich bin so ein bisschen in der Stimmung groß geworden, dass der Klimawandel etwas ist, das die Sahelvölker, die Hochgebirgsnomaden, die kleinen Inselstaaten trifft und gebe zu, dass ich auch ein wenig überrascht war, als wir angefangen haben, regional den Klimawandel zu erforschen, wie stark das Ausmaß der Temperaturveränderungen in der Vergangenheit schon gewesen ist und in Zukunft wohl auch sein wird, wenn unsere Klimamodelle Recht haben."
Das ist Heiko Paeth. "Ich bin Professor für physische Geografie an der Universität Würzburg und ich bin von Hause aus Klimaforscher." Der Geograf hat Daten über Unterfranken gesammelt und sie mit den globalen Entwicklungen verglichen.
"Wir beobachten, dass sich Unterfranken in den letzten 70 bis 80 Jahren deutlich stärker erwärmt hat als der Globus im Durchschnitt. Darüber hinaus sagen unsere Klimamodelle für die Zukunft, dass der Süden Deutschlands sich auch überdurchschnittlich erwärmen wird - jetzt im Vergleich zum Globus und beides hat uns zu der Aussage verleitet, dass wir hier durchaus in einem sogenannten Hotspot des Klimawandels leben."

In 50 Jahren wie in Burgund

Zwei Grad Erderwärmung. In Unterfranken längst Realität. Zumindest zeigen das die flächendeckenden Messungen der vergangenen 140 Jahre. Zum Vergleich: Weltweit waren es "nur" 0,9 Grad. Als ob das nicht bedenklich genug wäre: Die Gegend im Nordwesten Bayerns leidet aufgrund ihres Untergrunds extrem unter Wassermangel. Der Regen versickert zu schnell im Kalk - wenn er überhaupt kommt: Spessart, Steigerwald und die Rhön halten viele Niederschläge ab. Nur die Magdeburger Börde und das Leipziger Becken sind noch trockener. Heiko Paeth arbeitet an einer Klimaprojektion bis 2099. Ein langer Zeitraum. Aber wenn der Klimawandel nicht gebremst wird, müssen wir uns hier an zunehmend südliche Verhältnisse gewöhnen. Der Geograf nennt Vergleichsregionen, deren heutiges Klima eines Tages in Franken anzutreffen sein könnte.
"Um jetzt diesen Zeitstrahl nachzuvollziehen, muss man zunächst mal in den Oberrheingraben, der ja schon wärmer ist, eher bis zur Mitte des Jahrhunderts, also in den nächsten zehn bis 20 Jahren. Bis in 40, 50 Jahren dann nach Burgund. Und bis zum Ende des Jahrhunderts, bei business as usual, dann zur Nordabdachung der Pyrenäen."
Das sind ja eigentlich ganz hübsche Gegenden, die Heiko Paeth da zum Vergleich nennt. Südwestfrankreich, seine Zukunftsprojektion vermischt sich mit eigenen Urlaubserinnerungen. Da könnte der Main im Sommer zu einem seichten Badegewässer wie die Dordogne schrumpfen. Das Leben der Frühaufsteher-Franken verlagert sich in gesellige und milde Nachtstunden. Über den Wein, den sie dann trinken, wird noch zu reden sein. Es wird ein ganz anderes Leben werden.
"Wenn ich jetzt von mir auf andere schließe, würde ich sagen, dass wir vielleicht Gefahr laufen, die eine oder andere Identität mit unserer Region ein bisschen zu verlieren. Auf der anderen Seite muss man natürlich auch anerkennen, dass das Entwicklungen sind, die sehr langsam passieren und an die wir uns gewöhnen können. Und ich denke, gerade diese Veränderungen in der Vegetationsbedeckung und im Landschaftsaspekt, die passieren so langsam, dass sie uns genau wie in der Vergangenheit nicht überfordern werden."
"Kiwis!"
"Ja, Minikiwis."
"Gibt es noch irgendwo schöne zum Naschen?"
"Ja, hier die roten sind jetzt …"
"Soll ich mir jetzt da eine pflücken?"
"Ja klar, vielleicht auch zwei."
"Lecker!"
Weiki, auch Bayern-Kiwi oder Zwergkiwi genannt, wachsen als Spalierobst in Deutschland.
Weiki, auch Bayern-Kiwi oder Zwergkiwi genannt, wachsen schon in Unterfranken.© dpa / picture alliance / blickwinkel / McPHOTO/H.-R. Mueller
Ein Besuch in einer möglichen Zukunft Unterfrankens. Fachleute der Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau führen mich über ihr Gelände bei Veitshöchheim. Das Städtchen liegt einige Kilometer flussabwärts von Würzburg. Es wird heißer, aber irgendwie muss es ja weitergehen. Angesichts der wahren Hotspots des Klimawandels, sind die Herausforderungen bei uns natürlich wesentlich weniger drastisch. Hier gibt es durchaus Möglichkeiten, die Küstenbewohner in Bangladesch oder Leute am Rande des Sahel nicht haben. Hier sind Mittel vorhanden, die Anpassung an die neuen Verhältnisse zu gestalten. Gerd Sander, Leiter des Instituts für Erwerbs- und Freizeitgartenbau, beschreibt die Versuchsanordnung.
"Das Gelände befindet sich im Maintal. Es ist ein sehr trockener Standort, deswegen ideal für Versuche zum Thema Klimawandel, weil wir hier auch das Thema Wasser ganz groß haben. Wir haben ein großes Angebot an Gehölzen, wo wir die erproben, ob sie diesen Kulturbedingungen standhalten oder nicht."

Raps- und Maisfelder verschwinden wohl

Im unteren Teil wird nach dem Stadtbaum der Zukunft gesucht. 400 Baumarten und -sorten sind im Rennen. Unter Linden werden wir uns in Würzburg und Schweinfurt bald nicht mehr so häufig finden - das lässt sich aus den schon im Sommer gelblich verfärbten Blättern schließen. Die Säulenulme macht einen besseren Eindruck. Die fränkischen Gärtner dürfen sich mit der Kultivierung von Kiwis anfreunden und vielleicht wird auf den Streuobstwiesen manch Apfelbaum, einem Mandelbaum weichen - oder einem Feigenbaum. Sander hält vor einem mannshohen Exemplar und deutet auf die grünen Früchte zwischen den gefingerten Blättern.
"Das ist eine Kultur, die haben wir noch nicht so lange bei uns, die stehen hier jetzt im dritten Jahr, wenn ich mich richtig entsinne. Durchaus auch als Ergänzung für Betriebe, die direkt an Kunden absetzen im Obstbau, zur Sortimentsergänzung - weil eine fränkische Feige in der Vermarktung sicher interessant ist. Das ist vielleicht auch ein Aspekt, wo der Klimawandel für uns auch ein bisschen positiv ist."
Eine Hand hält eine lilafarbene Feige an einem Feigenbaum.
Eine in Unterfranken angebaute Feige - ganz unproblematisch ist der Anbau von Südfrüchten aber nicht.© Deutschlandradio/Heiner Kiesel
Ganz so einfach wird das mit den südlichen Früchten aus Franken allerdings nicht. Es wird früher im Jahr warm, alles fängt schon an zu blühen, dann kommt der Spätfrost. Diese Problematik setzt den Obstbauern heute schon zu. Man sucht nach Arten, die damit fertig werden. Auch die Bewirtschaftung der Felder ringsum steht vor großen Veränderungen. Es werden viele Versuche angestellt, wenig ist wirklich planbar. Neue Schädlinge tauchen auf. Die Raps- und Maisfelder verschwinden wahrscheinlich. Weizenpollen werden bei Temperaturen über 30 Grad steril. Die Anzahl von Hitzetagen soll sich, das sagen die Klimaforscher in Würzburg voraus, in Unterfranken verfünffachen.
"Ich glaube, wir werden einfach akzeptieren müssen, dass sich die Zusammensetzung ändern wird, dass andere Arten, auch fremdländische Arten kommen werden. Ich glaube nicht, dass wir mit der bisherigen Vegetation weiter leben werden."

Trüffel auf Weinbergen

Vom Obstbaugelände sind es nur ein paar Minuten mit dem Auto bis zur Versuchsanlage für Weinbau. Man muss unbedingt über den Wein sprechen, wenn es um die Veränderungen im Klimawandel-Hotspot Unterfranken geht. 1000 Jahre Weinbau haben die Gegend geformt. 6000 Hektar Rebfläche, weltweites Renommee. Daniel Heßdörfer, gelernter Winzer aus der Gegend, Agrarwissenschaftler und Weinbauexperte der Landesanstalt für Weinbau will mir zeigen, mit welchen Strategien der typische Frankenwein den Wandel überstehen soll.
"Das waren die besten Flächen: steile Hänge, direkte Südlage, hohe Einstrahlungswerte, das waren die Premiumlagen von früher gewesen und das sind die Lagen, in denen wir die meisten Probleme mit dem Klimawandel haben. Denn diese Lagen sind jetzt schon zu heiß für die etablierten Sorten und wir haben hier am meisten Trockenstress, weil die Lagen schnell austrocknen."
Einen Teil der Weinberge wird man wohl aufgeben, sagt Heßdörfer. Da wachsen dann Büsche. Oder ganz andere Produkte: Auf einem Areal des Versuchsgeländes hat man die Rebstöcke abgeräumt und eine Trüffelzucht begonnen. Auf den verbleibenden Flächen fühlen sich mediterrane Sorten wie der Tempranillo oder Cabernet Sauvignon immer wohler. Aber die Zukunft kann das nicht sein, meint der Weinbauforscher. Da haben andere Regionen die Nase vorn. Doch für typischen Frankenwein ist es jetzt schon zu warm. Er reift zu schnell.
Blick ins Tal auf Weinberge und mittendrin eine Trüffelbaumplantage.
Auf einem Versuchsgelände sind in Unterfranken die Rebstöcke bereits einer Trüffelbaumplantage gewichen.© Deutschlandradio/Heiner Kiesel
"Als ich damals meine Lehre gemacht habe, da war das ganz normal, dass wir Ende September anfangen mit der Lese und dann im Oktober durchlesen. Im Moment fangen wir Ende August an und sind im September fertig - im Oktober lesen wir nicht mehr."
Hessdörfer führt zu einer Reihe von Reben, deren Blätterwand auf halber Höhe gekappt ist. Das reduziert den Wasserverbrauch und die Zuckerbildung in den Früchten. Er rupft ein paar Blätter über der Traubenzone aus. Bei den Neuseeländern hat man sich abgeguckt, wie man die Triebe behandeln muss, damit die Früchte langsamer reifen. Es scheint zu klappen, die Trauben sind noch mattgrün.
"Einfach hier wieder einmal spätere Ausreife zu haben, dann Nutzung der kühlen Nachttemperaturen, der kühleren Tagestemperaturen, dass verstärkt aromatische Stoffe eingelagert werden. Erhaltung der Säure, also diese typischen fränkischen Weine, aromatisch und spritzig in der Säure, das wollen wir dadurch erhalten. Das ist auch hier eine Klimaadaption."
Vielleicht wird uns der Frankenwein der Zukunft dann noch so säuerlich-herb schmecken wie heute.
Mehr zum Thema