Miami Beach legt sich höher
Miami Beach liegt nur etwa einen Meter über dem Meeresspiegel und schon heute sind die Straßen bei Unwetter überflutet. Doch die Stadt wappnet sich gegen den stetigen Anstieg des Meeresspiegels durch die globale Erwärmung: Straßen, Bäume, Parks und Gebäude werden höher gelegt.
"Wir stehen hier an einem der tiefst gelegenen Punkte von Miami Beach. Bei Flut standen Sie hier bislang auch an sonnigen Tagen bis zu 30 Zentimeter tief im Wasser. Unser Bürgermeister ist im Wahlkampf mit einem Kajak diese Straße hier entlang gepaddelt, um auf diese Misere aufmerksam zu machen."
Bruce Mowry ist der Stadtingenieur von Miami Beach. Er kann es sich leisten, mit Anzug und Krawatte auf der Purdy Avenue zu stehen. Denn seit einigen Wochen ist dieser Teil der Stadt wieder trocken. Seit dem Frühjahr rollen hier Bagger, Lkw und Planierraupen. Nichts bleibt, wie es war.
"Wir haben diese Straße höhergelegt. Dort drüben sehen Sie noch den alten Bürgersteig. Er liegt jetzt einen Dreiviertelmeter tiefer als die Straße."
Um von der Straße zu den Geschäften auf dem Gehweg zu gelangen, müssen Fußgänger jetzt kleine Treppen hinuntersteigen. Am Ende der Bürgersteige sind jeweils Rampen für Rollstuhlfahrer und Fahrradfahrer angebracht. Auf die Tische und Stühle vor den Restaurants und Cafés können vorbeifahrende Autofahrer jetzt herabschauen. Auch die angrenzende West Avenue und die Alton Road wurden bereits höhergelegt.
Wenn Sie eine Stadt umbauen, dann müssen Sie sie komplett umbauen. Ein Großteil der Infrastruktur wie Strom, Gas, Licht oder Abwasser befindet sich unter der Erde. All das musste erneuert werden.
Auch die Landschaft wird angepasst
Erst nachdem diese Vorarbeiten erledigt waren, haben die Bauarbeiter auf der alten Straßenoberfläche Füllmaterial verteilt – und zwar solches, das sich nicht mit Wasser vollsaugt, wie es beispielsweise Sand tun würde. Und darauf schließlich konnten sie den Teer für die neue Straße auftragen.
"Wir mussten auch die Landschaft an die veränderte Straßenhöhe anpassen. Die angrenzenden Grünstreifen konnten nicht da bleiben, wo sie waren. Aber natürlich verbot es sich, einfach Dreck auf die Wurzeln der Bäume zu schütten, um so eine Anhöhe vorzutäuschen. Eine solche Maßnahme hätte die ganze Vegetation vernichtet. Stattdessen haben wir die Bäume zunächst beschnitten, um sie vor dem Schock zu schützen, und sie dann samt ihrer Wurzeln auf die neue, höher gelegene Grünfläche gesetzt."
Doch die Ingenieure der Stadt haben nicht das uneingeschränkte Sagen in Miami Beach. Sie können nicht für das private Eigentum sprechen. Was in Privathand ist, bleibt zunächst einmal vom Umzug nach oben unberührt. So müssen die Einfahrten privat betriebener Parkhäuser, die jetzt tiefer liegen, angepasst werden. Eric Carpenter ist ebenfalls Ingenieur in Diensten der Stadt, lebt seit zehn Jahren in Miami Beach und kennt das Problem.
"Natürlich kann die Stadt nur den Teil ihrer Infrastruktur höher legen, der ihr auch gehört. Wir haben vor, den Großteil des städtischen Besitzes anzuheben. Und wir hoffen, dass die Gemeinschaft privater Stadtentwickler und -bebauer bald folgen wird."
Schon heute spricht die Stadt Empfehlungen aus, beim Bau neuer Häuser darauf zu achten, dass die Decken im Erdgeschoss höher sind. So könne später der Boden des Hauses leichter angehoben werden, wenn der Meeresspiegel weiter steigt.
Erdgeschoss nur noch als Garage nutzbar
"Ich weiß nicht, ob wir irgendwann auch zu dem Punkt kommen, an dem Key West heute schon ist, dass das Erdgeschoss aufgrund von Überschwemmungen gar kein regulärer Wohnraum mehr sein darf. Für einige Gebäude wäre es aber vielleicht wirklich sinnvoll, das Erdgeschoss ausschließlich als Garage oder als Stauraum zu nutzen und den Wohnraum erst anderthalb bis zwei Meter höher zu beginnen."
Und selbst das sei erst ein erster Schritt, glaubt Ingenieurskollege Bruce Mowry. In den vergangenen Wochen seien gerade erst einmal fünf Prozent der Stadtfläche angehoben worden.
"Wir stehen gerade erst am Anfang. Dieses Programm wird Jahre in Anspruch nehmen. Es wird nie aufhören. Vielleicht werden wir nicht umhin kommen, die Straßen eine ganze Menschenhöhe anzuheben."
Miami Beach ist nicht die einzige Stadt am Wasser, die direkt vom Klimawandel betroffen ist. Auch andere Orte an der amerikanischen Ostküste, in South Carolina, New York und Fort Lauderdale, blicken auf das städteplanerische Experiment im Süden Floridas.
"Wir sind uns unserer Stellung in der Welt bewusst. Von überall her kommen Besucher und schauen sich an, was wir hier machen. Sie nehmen unsere Ideen mit in ihre Krisenregionen am Wasser. Aber natürlich haben auch wir nicht auf alles eine Antwort. Es ist ja nicht so, dass so etwas schon zigmal gemacht worden wäre. Wir nehmen hier bewusst eine Vorreiterrolle ein."