Safran und Ingwer aus bayerischen Landen
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Exotische Pflanzen erobern die Landwirtschaft. Was lange nur importiert wurde, kann unter bestimmten Bedingungen auch in Deutschland ökonomisch angebaut werden. Zum Beispiel Safran in Mittelfranken oder Ingwer in Oberbayern - lokal und bio.
Endlose Safranfelder auf den Hochebenen des Iran, lilabläuliche Krokusse in langen Reihen nebeneinander. Verhüllte Frauen, die stundenlang im Morgengrauen gebückt die Blüten zupfen. Safran, exportiert aus dem Iran, Afghanistan, Kaschmir und Nordafrika, kostet bis zu 30.000 Euro pro Kilogramm. Ein lukratives Geschäft, in dem viel manipuliert wird.
Morgens stehen die Safrankrokusse in Reihe auf einem Feld - in Unterdallersbach in Mittelfranken. Die Blüten halbgeöffnet. Der Unterschied zu Marokko, Afghanistan oder Iran: Die Temperaturen schwanken an diesem Morgen im Oktober um frische zehn Grad. Aber gen Mittag kommt die Sonne raus, T-Shirt-Wetter. Früher herrschten um diese Zeit in Bayern schon Nullgrade, doch das ist lange her.
Die lilablauen Blüten stehen gut sichtbar im Abstand von 40 zu 20 Zentimeter auf einer grünen Wiese: "Das erste Feld, das wir haben, ist weiter oben, Richtung Glashofen, also hinter dem Wald, gerade dort oben. Und das hier haben wir letztes Jahr dazu gepflanzt." Morgens um sieben Uhr beginnt die Ernte für Christina Waldmeyer und ihren Mann Jean-Frederic Waldmeyer, gebürtiger Franzose.
Dieselben Knollen wie im Iran oder in Indien
Im August hatten sie rund 10.000 Knollen gesteckt, palettenweise geliefert von einem holländischen Lieferanten. Ab Oktober beginnt die Blüte, manchmal am ersten, manchmal am 15. Oktober. Ohne Folientunnel oder Erdheizung. Dank Klimawandel. Safran blüht rund vier Wochen, bis der Bodenfrost einsetzt. Und der kommt immer später.
Im Gegensatz zu den europäischen Pflanzen wächst Safran von September bis März über die Wintermonate, dann, wenn in Mittelfranken die Regenhäufigkeit steigt. Im Frühjahr und Sommer, wenn die bayerischen Landwirte unter den zunehmenden Dürremonaten leiden, hält Safran Sommerruhe - von April bis August. Nahezu ideale Bedingungen.
Und das, obwohl Landwirt Waldmeyer genau dieselben Knollen anbaut wie im Iran oder in Indien, biologisch gesehen. Also keine besondere europäische oder nordafrikanische Sorte.
Eine der trockensten Regionen Deutschlands
"Das ist ganz normaler Ackerboden, nichts Besonderes", erklärt er. "Wir haben etwas Sand aufgebracht, weil zu lehmig mag er es nicht, Staunässe muss man vermeiden, puren Sand mag er auch nicht. Dazwischen passt er sich an. Also der braucht eine Stelle im Winter, die sonnig ist, weil er will seine Blätter rausstrecken, und er will die Sonne sehen."
Mittelfranken gehört zu den trockensten Regionen Deutschlands. Wenig Niederschlag im Sommer, warmer Herbst und milde Winter mit Schnee bei null Grad. Die Höchstwerte rund um das nahe gelegene Feuchtwangen liegen im September bei 30 Grad, im Oktober bei 24 und im November immerhin noch bei 18 Grad.
Dennoch - Safran ist in Deutschland nicht schnell verdientes Gewürzgold: Bis zu 3000 Blüten pflücken die Waldmeyers in einer Stunde, das bedeutet 20.000 der blumig riechenden Kelche am Tag, mit den kostbaren drei roten Fäden im Inneren.
Zeitraubendes Zupfen in Handarbeit
Ein Gramm bedeutet 250-mal bücken. Danach per Hand auszupfen und auf rechteckigen, mit Gaze bespannten Holzrahmen zwei bis drei Tage trocknen. Für rund 30 Euro das Gramm deutscher Safran im Verkauf.
"Also lukrativ? Wenn man alles rechnet: die Zeit, die unangenehme Haltung, das stundenlange Auszupfen in Feinarbeit. Jeder kann es machen, nur jeder will es nicht. Solange man in der Landwirtschaft mit Riesenmaschinen fahren kann, ist jeder bereit, sich in einen Ledersitz zu setzen und Vollgas zu geben."
Rund 700 Gramm Safran ergibt die Ernte auf den Feldern in Mittelfranken - pro Jahr, im besten Falle. Das sind 1400 der kleinen Gläser, die die Waldmeyers auf ihrem Hof, per Internet und auf Märkten verkaufen. Für Großhändler zu wenig.
Für eine Steigerung der Produktion müsste der Betrieb auf Erntehelfer setzen, Management und Lieferketten ausbauen. Darunter würde die Qualität leiden, sind die Landwirte überzeugt. Im Iran zum Beispiel nutzt man zum Trocknen Wärmeöfen, in denen das teure Gewürz bereits einige Stunden später lieferbereit, aber auch weniger geschmackvoll ist. Und das lehnt Waldmeyers Kundschaft unter den fränkischen Sternerestaurants ab.
Sterneköche greifen gerne zu
Ob aus Klimaschutzgründen oder aus Verpflichtung zur Regionalität: Sterneköche wie Alexander Herrmann greifen immer häufiger lieber auf Exoten aus Deutschland zurück wie auf den Safran aus Unterdallersbach, frische Kaffernlimettenblätter aus dem Tropenhaus in Oberfranken, Papaya aus dem Tropenhaus im oberbayerischen Weihenlinden bei Bruckmühl oder Ingwer von mehreren Landwirten wie der Gärtnerei Böck in Neufarn bei München.
"Also wir produzieren auf 5000 Quadratmeter Ingwer und erwarten heuer schon eine sehr hohe Ertragsleistung von 30 Tonnen", sagt Florian Böck. "Die Nachfrage ist schon sehr groß. Die Leute kennen das ja gar nicht. Wenn man den sofort nutzt, da kann man gleich reinbeißen. Der hat keine Schale, den kann man zum Kochen nehmen, der ist nicht faserig innen. Das ist ganz was anderes als das, was man aus dem Supermarkt kennt."
Florian Böck leitet eine der größten Gärtnereien rund um München. Er liefert Biokräuter, Gemüse und jetzt auch Ingwer an Supermarktketten. Die Abnahmepreise stimmen, das Interesse auch. Vier Landwirte teilen sich derzeit den Ingwer-Markt in Südbayern.
"Asiatische Produkte sind sehr im Kommen"
"Es gibt ja viele spannende Projekte, weil man mit der Natur Sachen produzieren kann, die unglaublich sind", sagt er. "Durch das, dass alles so global geworden ist, gibt es ja echt verschiedenste Sachen. Wir produzieren auch den Kurkuma mit, wir haben auch asiatische Produkte, die sind sehr im Kommen, wir haben Pirilla, Shizu-Minze, die man jetzt bei jedem Thailänder kriegt, und Wasserspinat."
Bei Böck stehen die schilfähnlichen Ingwerpflanzen - unter Glas und bei 70 Prozent Luftfeuchtigkeit - fast zwei Meter hoch. Die steigende Zahl an Sonnentagen in Oberbayern kommt dem Anbau sehr entgegen, sagt der Gärtnermeister. Neun Monate dauert die Bildung neuer Rhizome, also Wurzelknollen, die er an Großmarktkunden verkauft.
"Also wir sind auch mit den Großen alle in der Testphase drin und probieren schon einige Sachen aus", erklärt er. "Auch mit der Preisanpassung et cetera, dass man sich miteinander findet. Man braucht ja nur auf die heutige Situation schauen. Wir müssen natürlich schon auf das Regionale schauen und wie wir das hier produzieren können. Das ist für den Kunden auch toll. Wir produzieren das ganze Jahr lang Gemüse, wo die Leute uns das Vertrauen schenken, und genauso können sie das Vertrauen auf den Ingwer beziehen. Und bei dem anderen Ingwer, wo der überall herkommt, da wissen wir nicht, wer dahintersteckt, wo der herkommt. Das wissen wir nicht. Und bei uns können wir uns sicher sein."