Klimt in Schwarz-Weiß
Hingehaucht, zerbrechlich und schwerelos: Gustav Klimt konnte nicht nur Gold und Opulenz - er war auch ein genialer Zeichner. Diese bislang weniger bekannte Seite des Künstlers veranschaulicht jetzt eine Ausstellung in Wien.
Cherchez la femme: 20.000 Zeichnungen hat Gustav Klimt im Lauf seines Lebens geschaffen, 90 Prozent dieser Arbeiten stellen Frauen dar. Frauen in allen Posen und Positionen, keusch oder lasziv, sirenenhaft lüstern, sinnlich-kokett oder bürgerlich-züchtig. Marian Bisanz-Prakken, Kuratorin der Wiener Schau, steht vor einer Zeichnung des jungen Klimt: Sie zeigt die schöne Julia aus Shakespeares Liebesdrama in scheintoter Anmut.
"Diese Hals-, Kinn- und Profillinie, die ist mit sehr viel Empathie gezeichnet. Gleichzeitig ist für ihn auch ganz wichtig, dass er die Substanzen voneinander absetzt, die porzellanartige, blasse Haut und das wirre, dunkle Haar. Solche Kontraste liebte er. Und die Genauigkeit des Gesichts auf der einen Seite, und das großzügige Gewand auf der anderen Seite. Wunderbar. Die Kontraste, die Klimt in seine Zeichnungen hineinarbeitet, machen sie zu einem autonomen Werk."
Einen Klimt "abseits des Goldenen Mainstreams" hat Marian Bisanz-Prakken dem Albertina-Publikum versprochen. Ein Versprechen, das glänzend gehalten wird. Wer in farbsatter Jugendstil-Opulenz schwelgen möchte, wird in der Albertina nicht auf seine Kosten kommen, hier ist ein reinerer, puristischer Klimt zu entdecken, ein genialer Zeichner, der mit wenigen Strichen Anmut und Abgründigkeit, Tragik, Grazie und souveräne Leichtigkeit aufs Papier zu bringen versteht.
Albertina-Direktor Klaus-Albrecht Schröder über den Zeichner:
"Da kann man Klimt kennenlernen, wie der intime, der private, der geheime Klimt überhaupt war. Weil so, wie er da zeichnet, hat er gedacht. Und Klimts Denken ist nicht in Worten gefasst, Klimt war kein Theoretiker. Sein Denken ist in Zeichnungen gefasst."
Einige dieser Zeichnungen sind Vorstudien zu größeren Werken, zu den skandalumtosten "Fakultätsbildern" etwa, die Gustav Klimt 1900 für den Festsaal der Wiener Universität schuf. Es handelte sich um drei schwelgerische, meisterhaft komponierte Bilder, die allegorisch "Philosophie", "Medizin" und "Jurisprudenz" darstellten. Klimts Fakultätsgemälde riefen einen Sturm der Entrüstung hervor im Wien der Jahrhundertwende: Man stieß sich vor allem an der Nacktheit des allegorischen Personals. Marian Bisanz-Prakken betont, dass es Klimt nicht um erotische Provokation gegangen war, Nacktheit war für ihn vor allem ein Symbol für die Schutzlosigkeit des Menschen.
"Weil er eben in den Fakultätsbildern von der Zeugung bis zum Tod alle Lebensstadien allegorisiert hat. Nacktheit war für ihn Ausdruck der verschiedenen Lebenssituationen. Klimt hat nicht nur schöne, sinnliche, junge Menschen gemalt, sondern auch alte, nackte, hässliche, gebrechliche Menschen, auch Kinder und alte Männer. Er hat alle möglichen Lebenssituationen dargestellt und studiert. Dabei ist es ihm nicht um Schönheit gegangen, sondern um den Ausdruck."
Schlussendlich wurden die Klimt'schen Meisterwerke in der Wiener Universität nicht aufgehängt. Der Künstler verkaufte die Arbeiten an seinen jüdischen Mäzen August Lederer, dessen Sammlung Jahrzehnte später von den Nazis arisiert wurde. Die Fakultätsbilder verbrannten schließlich 1945 im niederösterreichischen Schloss Immendorf, das die SS in den allerletzten Kriegstagen in Brand gesteckt hatte, auf dass die in ihm gelagerten Kunstschätze nicht in die Hände der Roten Armee fielen.
Die Skizzen zu den Klimt'schen Fakultätsbildern aber sind in der Albertina zu sehen. Und was für großartige Arbeiten das sind, perfekte, schwungvolle Studien, die als eigenständige Kunstwerke bestehen können.
Betörend auch die Frauenporträts, die der Künstler bis zu seinem Tod 1918 in großer Zahl geschaffen hat: Manche dieser Frauen wirken wie hingehaucht, zerbrechlich und schwerelos. In Klimts Zeichnungen, meint die Kuratorin, kommt die Persönlichkeit der Porträtierten noch um einiges eindrucksvoller zur Geltung als in den großen Gemälden des Meisters.
"Gustav Klimt hat durch die Zeichnung seine Themen eigentlich verinnerlicht, durch das Studium der Einzelfigur. Er ist immer wieder auf die Einzelfigur eingegangen, die in seinen großen Lebensallegorien eine Rolle spielen. Blatt für Blatt hat er die Figur studiert, hat er versucht, anhand der Stellungen und Gesten der Essenz einer bestimmten Lebenssituation auf den Grund zu gehen."
Es muss nicht immer "Der Kuss" sein. Auch Klimt in Schwarz-Weiß hat seinen Reiz.
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Einen Klimt "abseits des Goldenen Mainstreams" hat Marian Bisanz-Prakken dem Albertina-Publikum versprochen. Ein Versprechen, das glänzend gehalten wird. Wer in farbsatter Jugendstil-Opulenz schwelgen möchte, wird in der Albertina nicht auf seine Kosten kommen, hier ist ein reinerer, puristischer Klimt zu entdecken, ein genialer Zeichner, der mit wenigen Strichen Anmut und Abgründigkeit, Tragik, Grazie und souveräne Leichtigkeit aufs Papier zu bringen versteht.
Albertina-Direktor Klaus-Albrecht Schröder über den Zeichner:
"Da kann man Klimt kennenlernen, wie der intime, der private, der geheime Klimt überhaupt war. Weil so, wie er da zeichnet, hat er gedacht. Und Klimts Denken ist nicht in Worten gefasst, Klimt war kein Theoretiker. Sein Denken ist in Zeichnungen gefasst."
Einige dieser Zeichnungen sind Vorstudien zu größeren Werken, zu den skandalumtosten "Fakultätsbildern" etwa, die Gustav Klimt 1900 für den Festsaal der Wiener Universität schuf. Es handelte sich um drei schwelgerische, meisterhaft komponierte Bilder, die allegorisch "Philosophie", "Medizin" und "Jurisprudenz" darstellten. Klimts Fakultätsgemälde riefen einen Sturm der Entrüstung hervor im Wien der Jahrhundertwende: Man stieß sich vor allem an der Nacktheit des allegorischen Personals. Marian Bisanz-Prakken betont, dass es Klimt nicht um erotische Provokation gegangen war, Nacktheit war für ihn vor allem ein Symbol für die Schutzlosigkeit des Menschen.
"Weil er eben in den Fakultätsbildern von der Zeugung bis zum Tod alle Lebensstadien allegorisiert hat. Nacktheit war für ihn Ausdruck der verschiedenen Lebenssituationen. Klimt hat nicht nur schöne, sinnliche, junge Menschen gemalt, sondern auch alte, nackte, hässliche, gebrechliche Menschen, auch Kinder und alte Männer. Er hat alle möglichen Lebenssituationen dargestellt und studiert. Dabei ist es ihm nicht um Schönheit gegangen, sondern um den Ausdruck."
Schlussendlich wurden die Klimt'schen Meisterwerke in der Wiener Universität nicht aufgehängt. Der Künstler verkaufte die Arbeiten an seinen jüdischen Mäzen August Lederer, dessen Sammlung Jahrzehnte später von den Nazis arisiert wurde. Die Fakultätsbilder verbrannten schließlich 1945 im niederösterreichischen Schloss Immendorf, das die SS in den allerletzten Kriegstagen in Brand gesteckt hatte, auf dass die in ihm gelagerten Kunstschätze nicht in die Hände der Roten Armee fielen.
Die Skizzen zu den Klimt'schen Fakultätsbildern aber sind in der Albertina zu sehen. Und was für großartige Arbeiten das sind, perfekte, schwungvolle Studien, die als eigenständige Kunstwerke bestehen können.
Betörend auch die Frauenporträts, die der Künstler bis zu seinem Tod 1918 in großer Zahl geschaffen hat: Manche dieser Frauen wirken wie hingehaucht, zerbrechlich und schwerelos. In Klimts Zeichnungen, meint die Kuratorin, kommt die Persönlichkeit der Porträtierten noch um einiges eindrucksvoller zur Geltung als in den großen Gemälden des Meisters.
"Gustav Klimt hat durch die Zeichnung seine Themen eigentlich verinnerlicht, durch das Studium der Einzelfigur. Er ist immer wieder auf die Einzelfigur eingegangen, die in seinen großen Lebensallegorien eine Rolle spielen. Blatt für Blatt hat er die Figur studiert, hat er versucht, anhand der Stellungen und Gesten der Essenz einer bestimmten Lebenssituation auf den Grund zu gehen."
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