Klinisch grausame Fleischporträts
Lucian Freud ist einer der höchstgehandelten noch lebenden Maler und wurde vor allem durch seine fleischigen, keine Unreinheiten aussparenden Porträts und Aktbilder bekannt. Im Pariser Centre Pompidou ist ihm nun eine Retrospektive unter dem Titel "Lucian Freud - Atelier" gewidmet.
Wer dieses surrealistische Bild sieht, kommt nie auf Freud: Ein rot-gelb gestreiftes Zebra schaut zum Fenster herein. Im Raum liegt ein schwarzer Zylinderhut vor einem zerschlissenen Sofa. Dahinter welkt eine Palme mit hängenden Blättern vor sich hin. Ein kurios, spritzig und fast witzig wirkendes Gemälde aus seiner ersten Ausstellung im Jahr 1944. "Painter's room" dient als Prolog der Schau. Auf den ersten Blick hat es nichts mit Freuds späterer Karriere als Meister der Akte und körperlichen Landschaften zu tun – und doch ist vieles bereits enthalten, bemerkt Kuratorin Cécile Debray:
"Die Grundlagen seiner Malerei sind bereits in den 40er-Jahren gelegt. Seine Verwurzelung im Atelier – hinter der Leinwand, dem Modell gegenüber. Wenn Sie das Gemälde ansehen, dann entdecken Sie viele Elemente, die auch später wichtig sind: die Grünpflanze, das Tier, die abgenutzten Möbel und die persönlichen Gegenstände des Malers, Zylinderhut und Schal, die in seinen Ateliergemälden allgegenwärtig sind."
"L'Atelier", so der Titel der Ausstellung, bietet keinen zeitlichen Rückblick, sondern einen räumlichen Einblick. Das Atelier ist dabei Gegenstand und Metapher. Alles, was er gemalt hat, holte Lucian Freud sich in seine Londoner Ateliers. Die Luke zum Dachboden beim Porträt von Nicola Bateman, das zerknautschte Bett mit Hund Pluto, die gespreizten Frauenbeine und natürlich sich selbst für seine Selbstporträts. Doch zuallererst war dieses Atelier ein geistiger Ort, eine innere Denk- und Gefühlsstruktur für jene Welt, wie Lucian Freud sie geschaffen hat:
"Man hat oft Retrospektiven gezeigt oder – vor allem in England – Ausstellungen, wo man seine Werke in Kategorien unterteilte: Porträts, Aktgemälde. Kategorien, die uns eher als überholt oder als traditionell erscheinen. In dieser Ausstellung versuche ich, die wichtigsten Züge seiner Kunst zu zeigen. Die Konfrontation mit dem Modell, aber auch den Prozess, wie er seine Werke schafft."
Freud malt figurativ und abstrakt zugleich. Seine prallen Pinselstriche züchten übernatürlich erscheinendes Menschenfleisch. Sein Porträt von Queen Elizabeth II., das die britische Regenbogenpresse als "Travestitenwerk" niederknüppelte, ist weltbekannt, aber die Ausnahme. Normalerweise sind seine Modelle Bekannte, befreundete Künstler oder Berufsmodelle. Freud zeigt Frauen und Männer, die unter die Haut gehen. Wie beispielsweise sein dickes Lieblingsmodell, die "Big Sue", die mit ihren fetten Brüsten im ächzenden Ledersessel schnarcht oder nackt vor uns liegt:
"Wir sehen, dass bei ihm eine gewisse Faszination besteht für die Hautunreinheiten und Unregelmäßigkeiten dieser Frau. Big Sue hat viele wund gelegene Stellen, viele Abschabungen. Das ist eine ramponierte Haut, die er mit einer klinischen Grausamkeit malt."
"Meine Porträts SIND die Menschen", betont der 87-Jährige unablässig. Bei seinem "Abbild mit zwei Kindern" ragt das Gesicht hochnäsig aus der Wand. Der Betrachter droht abzustürzen. Doch im Vordergrund halten zwergenhafte Kinder das Bild seelisch im Gleichgewicht.
Grandios ist auch sein "Painter working, Reflection". Freud steht nackt und schutzlos im Atelier, in der rechten Hand einen Spatel, in der linken eine Malpalette. Schmutzige Farben markieren den Raum, Krater und Flecken sorgen für Haut und Gesichtszüge. Jedes Pigment ist aus dem lebendigen Leib gerissen. Fotos als Vorlagen sind verpönt. Am Ende ist das Porträt der lebende Mensch – und den gibt es bekanntlich nur einmal ...
"Fast alle Gemälde sind viel ausdrucksstärker im Original. Lucian Freuds Werke sind vor allem durch Reproduktionen und Fotografien bekannt. Das ist sein großer Nachteil. Denn dadurch wirken seine Werke erheblich verarmt. Nur wer die Originale sieht, erkennt die Kraft seiner Gemälde. Und diese Kraft ist das Herz von Lucian Freuds Werk."
"Die Grundlagen seiner Malerei sind bereits in den 40er-Jahren gelegt. Seine Verwurzelung im Atelier – hinter der Leinwand, dem Modell gegenüber. Wenn Sie das Gemälde ansehen, dann entdecken Sie viele Elemente, die auch später wichtig sind: die Grünpflanze, das Tier, die abgenutzten Möbel und die persönlichen Gegenstände des Malers, Zylinderhut und Schal, die in seinen Ateliergemälden allgegenwärtig sind."
"L'Atelier", so der Titel der Ausstellung, bietet keinen zeitlichen Rückblick, sondern einen räumlichen Einblick. Das Atelier ist dabei Gegenstand und Metapher. Alles, was er gemalt hat, holte Lucian Freud sich in seine Londoner Ateliers. Die Luke zum Dachboden beim Porträt von Nicola Bateman, das zerknautschte Bett mit Hund Pluto, die gespreizten Frauenbeine und natürlich sich selbst für seine Selbstporträts. Doch zuallererst war dieses Atelier ein geistiger Ort, eine innere Denk- und Gefühlsstruktur für jene Welt, wie Lucian Freud sie geschaffen hat:
"Man hat oft Retrospektiven gezeigt oder – vor allem in England – Ausstellungen, wo man seine Werke in Kategorien unterteilte: Porträts, Aktgemälde. Kategorien, die uns eher als überholt oder als traditionell erscheinen. In dieser Ausstellung versuche ich, die wichtigsten Züge seiner Kunst zu zeigen. Die Konfrontation mit dem Modell, aber auch den Prozess, wie er seine Werke schafft."
Freud malt figurativ und abstrakt zugleich. Seine prallen Pinselstriche züchten übernatürlich erscheinendes Menschenfleisch. Sein Porträt von Queen Elizabeth II., das die britische Regenbogenpresse als "Travestitenwerk" niederknüppelte, ist weltbekannt, aber die Ausnahme. Normalerweise sind seine Modelle Bekannte, befreundete Künstler oder Berufsmodelle. Freud zeigt Frauen und Männer, die unter die Haut gehen. Wie beispielsweise sein dickes Lieblingsmodell, die "Big Sue", die mit ihren fetten Brüsten im ächzenden Ledersessel schnarcht oder nackt vor uns liegt:
"Wir sehen, dass bei ihm eine gewisse Faszination besteht für die Hautunreinheiten und Unregelmäßigkeiten dieser Frau. Big Sue hat viele wund gelegene Stellen, viele Abschabungen. Das ist eine ramponierte Haut, die er mit einer klinischen Grausamkeit malt."
"Meine Porträts SIND die Menschen", betont der 87-Jährige unablässig. Bei seinem "Abbild mit zwei Kindern" ragt das Gesicht hochnäsig aus der Wand. Der Betrachter droht abzustürzen. Doch im Vordergrund halten zwergenhafte Kinder das Bild seelisch im Gleichgewicht.
Grandios ist auch sein "Painter working, Reflection". Freud steht nackt und schutzlos im Atelier, in der rechten Hand einen Spatel, in der linken eine Malpalette. Schmutzige Farben markieren den Raum, Krater und Flecken sorgen für Haut und Gesichtszüge. Jedes Pigment ist aus dem lebendigen Leib gerissen. Fotos als Vorlagen sind verpönt. Am Ende ist das Porträt der lebende Mensch – und den gibt es bekanntlich nur einmal ...
"Fast alle Gemälde sind viel ausdrucksstärker im Original. Lucian Freuds Werke sind vor allem durch Reproduktionen und Fotografien bekannt. Das ist sein großer Nachteil. Denn dadurch wirken seine Werke erheblich verarmt. Nur wer die Originale sieht, erkennt die Kraft seiner Gemälde. Und diese Kraft ist das Herz von Lucian Freuds Werk."