Wie weiblich ist der Wahlkampf in Rheinland-Pfalz?
Die Staatskanzlei in Mainz ist seit 25 Jahren eine SPD-Festung. Damit das so bleibt, setzt Ministerpräsidentin Malu Dreyer im rheinland-pfälzischen Wahlkampf auf Unaufgeregtheit. Umso angriffslustiger gibt sich die CDU-Landeschefin Julia Klöckner, die diese Bastion am 13. März erobern will.
"Ja, wenn jemand fragt, gucke ich den immer gleich an. Gucke ich Sie jetzt an?"
In diesen Tagen bringt sich Julia Klöckner, CDU-Oppositionsführerin und Spitzenkandidatin in Rheinland-Pfalz, oft vor Fernseh-Kameras in Position, häufiger als Ministerpräsidentin Malu Dreyer von der SPD.
"Vielleicht hier in die Mitte."
"In die Mitte – hilft das?"
"In die Mitte – hilft das?"
Die politische Mitte beansprucht die Herausforderin für sich. Doch SPD, Grüne und Linke sehen in CDU-Landeschefin Klöckner eher eine Rechtsauslegerin aus dem Seehofer-Orden. Klöckners Angriffsziel: nicht das Kanzleramt, wie ihr manche schon unterstellen. Sondern – und sei es auch nur als nötiger Zwischenschritt auf dem Weg ganz nach oben - die Staatskanzlei in Mainz – eine sozialdemokratische Festung, gehalten seit 25 Jahren. Um die Bastion zu nehmen, braucht es Angriffslust, und die legt Klöckner ohne Zweifel an den Tag. Ihre Sympathisanten elektrisiert das:
"Ja, also, da erwarten wir eigentlich schon viel."
"Natürlich dass sie die Wahl gewinnt, dass sie neue Ministerpräsidentin wird und neuen Schwung in den ganzen Laden reinbringt."
Vor fünf Jahren verlor Julia Klöckner knapp gegen Kurt Beck. Anders als ihr Vorgänger weicht Malu Dreyer den üblichen Wahlkampf-Scharmützeln aus. Ist das nun typisch weiblich oder einfach strategisch klug? Anders als von Julia Klöckner gewünscht wird, gibt es jedenfalls nur ein TV-Duell der beiden.
Dreyer will zusammenhalten, nicht polarisieren
Je heftiger die CDU-Spitzenkandidatin um die bundesweite Aufmerksamkeit der Medien ringt, desto mehr scheint die sozialdemokratische Amtsinhaberin sie mit Nichtachtung zu strafen, so wirkt es. Dreyer selbst kommentiert die stilistischen Unterschiede so:
"Ich hab' einen klaren Regierungsstil, der da heißt, wirklich auch mit Menschen zusammenzuarbeiten, im Team zu arbeiten, klare Entscheidungen zu treffen, aber auch für den Zusammenhalt in unserem Land zu sorgen. Egal ob für jung oder alt, egal ob für die Menschen, die hier leben oder Flüchtlinge, die zu uns kommen, das ist meine Art zu regieren, die unterscheidet sich von der Art, wie Frau Klöckner sich artikuliert, und deshalb werde ich darauf setzen."
Soll heißen: Klöckner spaltet, Dreyer führt zusammen. Die Ministerpräsidentin weiß, dass diese Botschaft bei ihren Anhängern und insbesondere Anhängerinnen auch unausgesprochen ankommt.
"Frau Dreyer finde ich sehr, sehr, sehr freundlich und zurückhaltend und wohltuend dadurch. Ich finde das schön, wenn man sich nicht wirklich – jetzt will ich nicht sagen, schlägt, aber wenn man sich nicht zu sehr exponiert, nur um die Wahl zu gewinnen. Das gefällt mir gut."
"Ich finde sie anständig einfach und nicht so – weil ich Angst habe, weil ich gewinnen muss, schaue ich, dass ich die AfD-Wähler auch noch krieg'."
Sagt ein Ehepaar bei einer Zufallsumfrage auf dem Mainzer Wochenmarkt. Unaufgeregtheit ist Dreyers Programm. Die Abteilung Attacke übernehmen in diesem Wahlkampf eher die männlichen Genossen, auch Bundesvorständler, die dazu eigens anreisen. Rheinland-Pfalz, nicht das wichtigste aller Bundesländer, aber derzeit die wichtigste sozialdemokratische Bastion, die Parteichef Sigmar Gabriel zu verteidigen hat:
"Malu Dreyer ist ja so'n bisschen so halbe Landesmutter für mich, weil ein Großteil meiner Familie in Rheinland-Pfalz an der Mosel wohnt und ich deshalb häufig hier bin."
Das Bild der Landesmutter wirkt zwar fehl am Platz, weil die Mainzer Regierungschefin stets Wert auf Augenhöhe legt. Aber es taugt für den Versuch, Dreyer aus dem Parteienstreit herauszuheben und auf ein Podest der Überparteilichkeit zu stellen. Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz bestimmt die Bundespolitik vor allem in sozialen Fragen entscheidend mit, will Gabriel suggerieren.
Immer neue bundespolitische Ideen von Klöckner
Ihre Herausforderin von der CDU präsentiert mindestens wochenaktuell neue Vorschläge, und zwar bundespolitische. Nach Integrationspflicht und Plan "A 2" jetzt die "tagesaktuellen Flüchtlingsquoten" für die deutsche Außengrenze. Mit dieser Forderung setzt sich Julia Klöckner allerdings dem Verdacht aus, sie positioniere sich indirekt gegen ihre Parteifreundin, Bundeskanzlerin Angela Merkel. Wieder mal muss die CDU-Spitzenkandidatin klarstellen:
"Dass wir zweigleisig vorgehen müssen. Es ist auch klar, das wir uns nicht abhängig machen können nur von entsolidarisierten Bremsern in der EU. Und deshalb schaue ich aus der Sichtweise der Kommunen, die brauchen eine Atempause."
Und Klöckner will sie ihnen gönnen. "Zweigleisig" soll heißen: in abgesprochener Arbeitsteilung: Merkel für die langfristige europäische Lösung, Klöckner für die kurzfristige Entlastung vor Ort. "Zweigleisig" löst neuerdings "geländegängig" als Klöckners Lieblingswort ab. Jetzt muss die CDU-Spitzenkandidatin beweisen, dass sie auch "zweigleisig geländegängig" agieren kann. Sich vor Angela Merkel stellen, ohne sich wirklich hinter sie zu stellen. Sich gegen Malu Dreyer positionieren, ohne diese offen anzugreifen. Das ist nämlich unpopulär. Unter anderem, weil es wie weiblicher Zickenkrieg wirken könnte. Und das würde im Damen-Duell beide Kontrahentinnen schlecht aussehen lassen.