Klose: Es gab keine Alternative
Ein Jahr nach der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo bleibt Hans-Ulrich Klose (SPD) skeptisch im Hinblick auf die Entwicklung des Landes. Die Regierung arbeite "nicht gar so effektiv", sagte der stellvertretende Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages. Es gebe aber keine Alternative zu dem eingeschlagenen Weg. Deshalb müsse man die Lage nun nachhaltig und entschlossen verbessern.
Gabi Wuttke: Sie erinnern sich sicher noch an die Bilder: jubelnde, tanzende Albaner im Kosovo. Feiernd zogen sie durch die Straßen, vor genau einem Jahr, nachdem ihre Regierung sich von Serbien losgesagt und den unabhängigen Staat Kosovo offiziell ausgerufen hatte. Der Deutsche Bundestag hat in den letzten zwölf Monaten nicht nur die Beteiligung der Bundeswehr am KFOR-Einsatz verlängert, sondern auch die Zahl der Soldaten aufgestockt. Die Situation im Kosovo ist also weiter nicht stabil. – Darüber möchte ich jetzt mit Hans-Ulrich Klose sprechen. Er ist Sozialdemokrat und stellvertretender Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages. Guten Morgen, Herr Klose.
Hans-Ulrich Klose: Guten Morgen!
Wuttke: Sie waren vor einem Jahr sehr skeptisch, sahen aber keine Alternative. Was sagen Sie heute?
Klose: Ich bin immer noch nicht fröhlich über die Situation, aber es gibt ja keine Alternative zu dem eingeschlagenen Weg und deshalb muss man mit Nachhaltigkeit und Entschlossenheit weiter versuchen, die Dinge voranzubringen. Sie sind noch nicht so weit vorangebracht, wie wir es erhofft hatten.
Wuttke: Was ist denn vorangebracht worden?
Klose: Na ja, es gibt Ansätze von staatlicher Ordnung. Es gibt Sicherheitskräfte, die anfangen zu arbeiten. Ich höre, dass bei der Polizeiarbeit es ganz gute Kooperationsformen gibt. Man fängt auch an, liegen gebliebene Fälle abzuarbeiten. Aber die Situation bleibt schwierig, weil Serbien unverändert nicht kooperiert, weil der nördliche Teil des Kosovo faktisch ein kleiner abgetrennter Ministaat ist und weil die Regierung, um es milde zu formulieren, nicht gar so effektiv arbeitet, wie man es sich wünschen müsste.
Wuttke: Konkretisieren wir doch das, was Sie jetzt gerade als "nicht milde" bezeichnet haben. Der Präsident des Kosovo hat vor einer ethnischen Spaltung des Kosovo heute am Jahrestag gewarnt. Der Westen wird also weiter gebraucht. Andererseits haben ja die Verwicklungen um den Bundesnachrichtendienst und Regierungschef Hashim Thaci deutlich gemacht, dass man die Kontrolle des Westens alles andere als liebt.
Klose: Ja, das ist wohl so. Was der genaue Hintergrund dieser sogenannten BND-Affäre im Kosovo gewesen ist, darüber kann man nur rätseln. Ich weiß es auch nicht genau. Ich weiß, dass vor längerer Zeit mal ein BND-Bericht in einer Schweizer Zeitung, wenn ich es recht erinnere, veröffentlicht worden ist. Da wurden kriminelle Strukturen im Kosovo beklagt und es wurden Namen genannt.
Wuttke: Unter anderem der des Ministerpräsidenten!
Klose: Unter anderem und das alles hat wohl nicht unbedingt Freude ausgelöst. Das kann ich verstehen, aber es ist halt eben so, dass der Kosovo unverändert als ein Punkt gilt, wo unsaubere Geschäfte gemacht werden und wo es auch kriminelle Machenschaften gibt. Das war wahrscheinlich auch nicht anders zu erwarten bei einer solchen Staatsneugründung vom Nullpunkt heraus, aber es ist etwas, was uns Sorgen bereitet.
Wuttke: Es kann doch aber nicht darum gehen, was bei der kosovarischen Regierung Freude auslöst, sondern bei der NATO?
Klose: Das ist schon richtig, aber wir haben uns nun mal entschieden, diesen Weg zu gehen. Ob das sich in Zukunft als eine richtige Entscheidung erweist, ich kann es nicht sagen. Sie haben es in der Anmoderation gesagt: Ich gehörte zu denen, die damals eher skeptisch gewesen sind, gebe aber zu, nach neun Jahren des Versuchs, eine einvernehmliche Lösung herbeizuverhandeln, gab es einfach keine Alternative mehr. Es war keine gute Alternative. Ich habe damals gesagt, wir machen da vielleicht die Büchse der Pandora auf und wissen nicht genau, ob wir sie wieder zukriegen.
Wuttke: Hat man sie wieder zugekriegt, oder hat sie sich gar in einer ganz anderen Dimension geöffnet, denn wir sollten uns vielleicht vor Augen führen, dass Russland inzwischen Südossetien und Abchasien anerkannt hat. Hat das was mit dieser von Ihnen gemeinten Büchse der Pandora zu tun, dass andere Volksgruppen Selbstbestimmungsrecht fordern könnten, oder sind das zwei Paar Schuhe?
Klose: Das letztere kann immer wieder passieren, dass andere Volksgruppen sich darauf berufen, aber die Fälle Südossetien und Abchasien sind nun wirklich völlig anders gelagert. Dort hat es Gewalt gegeben, dort ist Russland engagiert gewesen und anders als im Falle des Kosovo hat es keinen Versuch gegeben, eine einvernehmliche Lösung herbeizuverhandeln, sondern es ist sofort unilateral agiert worden. Das war im Kosovo eben anders – erinnern Sie sich an diese Lange Mission von Artissari, dem ehemaligen finnischen Präsidenten, an die Dreiergespräche von EU, Russland und Amerika, ein deutscher Diplomat (Ischinger) war daran beteiligt. Man hat sich Mühe gegeben, eine Lösung zu finden - nichts dergleichen in den von Ihnen genannten Fällen – und außerdem war die russische Argumentation dann doch sehr, sehr zwiespältig im Falle des Kosovo, die reinen Prinzipien betonend und dann im Falle von Ossetien und Abchasien ganz gegensätzlich agierend.
Wuttke: Sie waren skeptisch, Sie sind skeptisch geblieben. Was bedeutet es für Sie, wenn das serbische Parlament heute, an diesem ersten Jahrestag, auf dem Gebiet des Kosovo eine Sondersitzung abhalten will?
Klose: Sie macht es im Norden, in diesem von mir sogenannten Ministaat, der sich da faktisch etabliert hat. Ach wissen Sie, das beobachte ich eher mit einer gewissen Gelassenheit und einer gewissen Milde. Man muss sich halt in die Psyche Serbiens versetzen, die sich als ein großes Volk, als ein starkes Volk sehen und die in den letzten Jahrzehnten einen Niedergang erlebt haben und in dem Gefühl von nationaler Demütigung leben, was man auch durch bestimmte Aktionen unterstrichen hat. Das hat sich inzwischen leicht gebessert und ich finde, da sollte man weiter am Ball bleiben. Es gibt ja keine Alternative für diese ganze Gegend, außer die europäische, und wenn wir das aufgeben, was soll dann kommen.
Wuttke: Klingt ein bisschen, als betrachten Sie die serbische Regierung als ein kleines Kind, dem man die Schüppe weggenommen hat.
Klose: Nein, das ist übertrieben. Wir Deutschen haben aber selber ja Phasen erlebt, wo wir aus hohen Sphären abgestiegen sind, und dann ereignen sich eben Dinge, die man berücksichtigen muss, und das scheint mir im Falle von Serbien ähnlich zu sein, übrigens manchmal auch im Falle von Russland.
Wuttke: Ein Jahr nach der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo. Hans-Ulrich Klose von der SPD, der stellvertretende Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages. Herr Klose, besten Dank für das Gespräch. Schönen Tag!
Klose: Nichts zu danken. Auf Wiederhören!
Hans-Ulrich Klose: Guten Morgen!
Wuttke: Sie waren vor einem Jahr sehr skeptisch, sahen aber keine Alternative. Was sagen Sie heute?
Klose: Ich bin immer noch nicht fröhlich über die Situation, aber es gibt ja keine Alternative zu dem eingeschlagenen Weg und deshalb muss man mit Nachhaltigkeit und Entschlossenheit weiter versuchen, die Dinge voranzubringen. Sie sind noch nicht so weit vorangebracht, wie wir es erhofft hatten.
Wuttke: Was ist denn vorangebracht worden?
Klose: Na ja, es gibt Ansätze von staatlicher Ordnung. Es gibt Sicherheitskräfte, die anfangen zu arbeiten. Ich höre, dass bei der Polizeiarbeit es ganz gute Kooperationsformen gibt. Man fängt auch an, liegen gebliebene Fälle abzuarbeiten. Aber die Situation bleibt schwierig, weil Serbien unverändert nicht kooperiert, weil der nördliche Teil des Kosovo faktisch ein kleiner abgetrennter Ministaat ist und weil die Regierung, um es milde zu formulieren, nicht gar so effektiv arbeitet, wie man es sich wünschen müsste.
Wuttke: Konkretisieren wir doch das, was Sie jetzt gerade als "nicht milde" bezeichnet haben. Der Präsident des Kosovo hat vor einer ethnischen Spaltung des Kosovo heute am Jahrestag gewarnt. Der Westen wird also weiter gebraucht. Andererseits haben ja die Verwicklungen um den Bundesnachrichtendienst und Regierungschef Hashim Thaci deutlich gemacht, dass man die Kontrolle des Westens alles andere als liebt.
Klose: Ja, das ist wohl so. Was der genaue Hintergrund dieser sogenannten BND-Affäre im Kosovo gewesen ist, darüber kann man nur rätseln. Ich weiß es auch nicht genau. Ich weiß, dass vor längerer Zeit mal ein BND-Bericht in einer Schweizer Zeitung, wenn ich es recht erinnere, veröffentlicht worden ist. Da wurden kriminelle Strukturen im Kosovo beklagt und es wurden Namen genannt.
Wuttke: Unter anderem der des Ministerpräsidenten!
Klose: Unter anderem und das alles hat wohl nicht unbedingt Freude ausgelöst. Das kann ich verstehen, aber es ist halt eben so, dass der Kosovo unverändert als ein Punkt gilt, wo unsaubere Geschäfte gemacht werden und wo es auch kriminelle Machenschaften gibt. Das war wahrscheinlich auch nicht anders zu erwarten bei einer solchen Staatsneugründung vom Nullpunkt heraus, aber es ist etwas, was uns Sorgen bereitet.
Wuttke: Es kann doch aber nicht darum gehen, was bei der kosovarischen Regierung Freude auslöst, sondern bei der NATO?
Klose: Das ist schon richtig, aber wir haben uns nun mal entschieden, diesen Weg zu gehen. Ob das sich in Zukunft als eine richtige Entscheidung erweist, ich kann es nicht sagen. Sie haben es in der Anmoderation gesagt: Ich gehörte zu denen, die damals eher skeptisch gewesen sind, gebe aber zu, nach neun Jahren des Versuchs, eine einvernehmliche Lösung herbeizuverhandeln, gab es einfach keine Alternative mehr. Es war keine gute Alternative. Ich habe damals gesagt, wir machen da vielleicht die Büchse der Pandora auf und wissen nicht genau, ob wir sie wieder zukriegen.
Wuttke: Hat man sie wieder zugekriegt, oder hat sie sich gar in einer ganz anderen Dimension geöffnet, denn wir sollten uns vielleicht vor Augen führen, dass Russland inzwischen Südossetien und Abchasien anerkannt hat. Hat das was mit dieser von Ihnen gemeinten Büchse der Pandora zu tun, dass andere Volksgruppen Selbstbestimmungsrecht fordern könnten, oder sind das zwei Paar Schuhe?
Klose: Das letztere kann immer wieder passieren, dass andere Volksgruppen sich darauf berufen, aber die Fälle Südossetien und Abchasien sind nun wirklich völlig anders gelagert. Dort hat es Gewalt gegeben, dort ist Russland engagiert gewesen und anders als im Falle des Kosovo hat es keinen Versuch gegeben, eine einvernehmliche Lösung herbeizuverhandeln, sondern es ist sofort unilateral agiert worden. Das war im Kosovo eben anders – erinnern Sie sich an diese Lange Mission von Artissari, dem ehemaligen finnischen Präsidenten, an die Dreiergespräche von EU, Russland und Amerika, ein deutscher Diplomat (Ischinger) war daran beteiligt. Man hat sich Mühe gegeben, eine Lösung zu finden - nichts dergleichen in den von Ihnen genannten Fällen – und außerdem war die russische Argumentation dann doch sehr, sehr zwiespältig im Falle des Kosovo, die reinen Prinzipien betonend und dann im Falle von Ossetien und Abchasien ganz gegensätzlich agierend.
Wuttke: Sie waren skeptisch, Sie sind skeptisch geblieben. Was bedeutet es für Sie, wenn das serbische Parlament heute, an diesem ersten Jahrestag, auf dem Gebiet des Kosovo eine Sondersitzung abhalten will?
Klose: Sie macht es im Norden, in diesem von mir sogenannten Ministaat, der sich da faktisch etabliert hat. Ach wissen Sie, das beobachte ich eher mit einer gewissen Gelassenheit und einer gewissen Milde. Man muss sich halt in die Psyche Serbiens versetzen, die sich als ein großes Volk, als ein starkes Volk sehen und die in den letzten Jahrzehnten einen Niedergang erlebt haben und in dem Gefühl von nationaler Demütigung leben, was man auch durch bestimmte Aktionen unterstrichen hat. Das hat sich inzwischen leicht gebessert und ich finde, da sollte man weiter am Ball bleiben. Es gibt ja keine Alternative für diese ganze Gegend, außer die europäische, und wenn wir das aufgeben, was soll dann kommen.
Wuttke: Klingt ein bisschen, als betrachten Sie die serbische Regierung als ein kleines Kind, dem man die Schüppe weggenommen hat.
Klose: Nein, das ist übertrieben. Wir Deutschen haben aber selber ja Phasen erlebt, wo wir aus hohen Sphären abgestiegen sind, und dann ereignen sich eben Dinge, die man berücksichtigen muss, und das scheint mir im Falle von Serbien ähnlich zu sein, übrigens manchmal auch im Falle von Russland.
Wuttke: Ein Jahr nach der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo. Hans-Ulrich Klose von der SPD, der stellvertretende Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages. Herr Klose, besten Dank für das Gespräch. Schönen Tag!
Klose: Nichts zu danken. Auf Wiederhören!