Knackpunkt Bahnhofstraße

Von Matthias Günther |
Mit dem Feinstaub hat Schleswig-Holsteins Hauptstadt keine Probleme, allerdings macht den Kielern die Stickstoffbelastung Sorgen. Abhilfe schaffen soll ein Luftreinhalteplan, der unter anderem Verkehrsumslenkungen in der Innenstadt vorsieht.
Bis zu 20.000 Fahrzeuge pro Tag rauschen durch die Bahnhofstraße im Kieler Stadtteil Gaarden - davon 500 Lkw, die meisten sind auf dem Weg zum Hafen, berichtet Bruno Levtzow, der Ortsbeiratsvorsitzende von Gaarden:

"Die Anwohner beschweren sich im Grunde seit Jahrzehnten. Aber wir haben keine anderen Möglichkeiten als durch die Bahnhofstraße. Da der Hafenbetrieb sich auch erweitert hat, brauchen wir den Durchgang. Wir können die Straße kaum dicht machen."

Die Anwohner haben sich über den Verkehrslärm beklagt - das schleswig-holsteinische Umweltministerium aber misst hier die Schadstoff-Belastungen. Die Messstation für Feinstaub und Stickstoffdioxid musste aufgrund der Luftqualitätsrichtlinien der EU eingerichtet werden, weil in der engen und viel befahrenen Straße besonders hohe Werte zu erwarten waren. Entwarnung gibt es beim Feinstaub, sagt Dirk Jürgens vom Umweltministerium:

"Ganz Schleswig-Holstein hat keine Probleme mit dem Feinstaub. Seit die Grenzwerte gelten, sind an keinem Standort in Schleswig-Holstein diese Grenzwerte überschritten worden. Da sind wir eigentlich das einzige Bundesland neben dem Saarland, die also da eine sehr komfortable Situation haben.

Gut, wir haben nicht die großen Ballungsräume, und wir haben natürlich auch ein bisschen mehr Wind als andere Bundesländer. 50 Mikrogramm pro Kubikmeter dürfen nicht mehr als 35 Mal im Jahr überschritten werden. Und dieses Jahr sind wir im Moment bei zehn Tagen. Wir sind da so weit weg, dass wir damit keine Sorgen haben"

Anders sieht es in der Kieler Bahnhofstraße bei der Belastung mit Stickstoffdioxid aus:

Dirk Jürgens: "Da gibt es einen Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm, der ab dem Jahre 2010 nicht überschritten werden soll, und da sind wir in der Bahnhofstraße drüber."

Und das deutlich. Der Jahresmittelwert liegt hier sogar über 60 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Das Ministerium muss deshalb nun gemäß den Vorgaben der EU einen Luftreinhalteplan für die Bahnhofsraße aufstellen. Dazu wurden zunächst die Messergebnisse an die Kieler Stadtverwaltung übermittelt und mögliche Ursachen genannt, an denen die Stadt zur Verbesserung der Luftqualität ansetzen kann.

Dirk Jürgens: "Das ist beim Stickstoffdioxid nicht so schwer, das ist der Verkehr in der Straße. Das gibt zwei Möglichkeiten. Entweder kriegt man bessere Fahrzeuge oder man kriegt weniger Fahrzeuge. Und das bessere Fahrzeug, da muss man noch Geduld haben. Euro fünf, Euro sechs kommen zwar, aber das wird noch dauern. Also muss man versuchen, weniger Fahrzeuge hinzubekommen."

Die Stadt Kiel muss handeln - das ist auch Bruno Levtzow vom Ortsbeirat des Stadteils Gaarden klar - allerdings:

""Ganz und gar die Straße sperren, ist sinnlos, weil dann die anderen Straßen zu stark belastet werden."

So sieht man das auch im Tiefbauamt der Stadt Kiel. Behördenleiter Uwe Schmeckthal will deshalb nur einen Teil des Verkehrs auf andere Straßen lenken - zum Beispiel auf die parallel verlaufende Sörensenstraße:

""Es gibt in diesem Bereich der Bahnhofstraße noch eine zweite Zufahrt zum östlichen Hafenbereich, das ist die Sörensenstraße, die auch nicht ganz unproblematisch zu sehen ist, weil dort Kinderspielplätze da sind, weil auch noch Bewohner in größerem Umfang an dieser Straße vorhanden sind, und wir werden also ganz behutsam versuchen, die Verkehrsströme zu lenken, um aus der Bahnhofstraße dann die letzten Schadstoffüberschreitungen im Jahr 2010 beseitigt zu haben."

Dazu sollen Wegweiser geändert, aber zumindest für eine Fahrtrichtung auch Durchfahrverbote für schwere Lkw verhängt werden:

Uwe Schmeckthal: "Da werden wir letztlich nicht umhin können, dass wir auch durch Tonnenbeschränkung eine Veränderung herbeiführen. Aber wir werden nicht der Sörensenstraße zumuten, dass auch alle arbeitende Bevölkerung in Kiel über die Sörensenstraße dann fahren muss."

Die Berufspendler dürfen mit ihren Pkw weiter durch die Bahnhofstraße zur Arbeit in der Kieler Innenstadt fahren. Ein Großteil der Lkw aber soll die Sörensenstraße nutzen - die Anwohner dort sind wenig begeistert, berichtet Bruno Levtzow vom Ortsbeirat:

"Aus der Sörensenstraße sind schon Leute an uns herangetreten, an den Ortsbeirat. Aber von vornherein, beim Bau der Sörensenstraße vor paar Jahren, ist das mit dem Tiefbauamt schon besprochen worden, dass die Sörensenstraße schon mehr Verkehr aufnehmen muss.

Und wenn man dann sein Haus oder seine Wohnung da kauft, dann weiß man das. Und das wussten die Leute, die sich da das gekauft haben. Und ich meine, bisschen Verteilen der gesamten negativen Sachen ist ja auch ein halbes Leid."

Die Stadt Kiel will die Schadstoffbelastungen durch den Fahrzeugverkehr aber nicht nur gleichmäßiger verteilen, sondern zumindest teilweise auch reduzieren. Uwe Schmeckthal vom Tiefbauamt:

"Es sind relativ kleine Maßnahmen, möglicherweise auch einige zur Verbesserung der Verkehrsabläufe in der Bahnhofstraße, zum Beispiel die Stau-Situation zu verändern, indem man einen besseren Abfluss in Richtung auf die B 76 erzeugt. Wir werden also an einigen Punkten drehen und gehen davon aus, dass wir im Jahr 2010 die Grenzwerte dann auch in der Bahnhofstraße einhalten und anderen Bevölkerungsteilen dann nicht zu viel zugemutet zu haben."
Mit kleinen Änderungen also kann die Stadt Kiel voraussichtlich dafür sorgen, dass an ihrem einzigen neuralgischem Punkt die EU-Grenzwerte eingehalten werden können - sehr zur Freude von Dirk Jürgens vom schleswig-holsteinischen Umweltministerium, denn so lässt sich der Luftreinhalteplan, den er der Europäischen Union präsentieren muss, leicht aufstellen:

Dirk Jürgens: "Ich glaube, die EU geht davon aus, dass immer große, große Bereiche einer Stadt von der schlechten Luftqualität betroffen sind, und in Kiel oder in Schleswig-Holstein sind es immer Straßenabschnitte. Das sind hier 300 Meter. Mehr ist es ja nicht. Wenn keine Randbebauung da ist, ist auch die Luftqualität gleich wieder um Klassen besser und deutlich unter den Grenzwerten. Insofern hoffe ich, dass wir bei diesem Straßenabschnitt es auch hinbekommen werden."

Bruno Levtzow vom Ortsbeirat des Kieler Stadtteils Gaarden könnte sich allerdings weiter gehende Lösungen vorstellen:

"Grundsätzlich könnte man ja eine Lösung schaffen, dass man vom Schiff direkt auf die Schiene geht. Wir haben ja einen großen Verschiebe-Bahnhof. Das wäre eine Lösung."

Aber das ist nicht so leicht, meint Uwe Schmeckthal vom Tiefbauamt der Stadt Kiel:

"Wir können heute den Schwerverkehr nicht zwingen, auf die Schiene zu gehen. Wir können alles ermöglichen: Es gibt ja in den Hafenbereichen jeweils auch Gleise und Umschlagstationen, wo dann auch Güterverkehre über die Schiene weggehen, aber das kann man nicht von heute auf morgen zwangsweise regeln, das muss durch gute Angebote und auch dann sagen wir mal abgenommen werden von denjenigen, die den Verkehr über Land betreiben."

Und dazu, bedauert Uwe Schmeckthal, kann die Stadt Kiel die internationalen Logistikunternehmen wohl kaum bis zum Jahr 2010 bewegen.