Knallbunte Bilder im ehemaligen Todesstreifen
Die Idee kam beim Joggen: Als der Comiczeichner Flix an den Wänden der Gedenkstätte Berliner Mauer vorbei lief, wusste er: Hier muss er sie präsentieren, die Erinnerungen von Menschen aus Ost und West an die Zeit vor dem Mauerfall, aufbereitet in bunten Bildern.
"Ich find’ das immer so lustig, dass Leute das wirklich drucken. Ich meine, das ist ja einfach der Kram, den ich mache, weißt du, ich mal da einfach ein paar Linien aufs Papier und überleg mir das so, und dann druckt das jemand und liest das jemand – das finde ich der Hammer!"
Er ist bescheiden geblieben. Immerhin werden "die paar Linien", die Felix Görmann da täglich aufs Papier bringt, regelmäßig in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und im Berliner "Tagesspiegel" veröffentlicht. "Flix" steht dann in der Autorenzeile – und so nennen ihn mittlerweile eigentlich alle, Eltern und beste Freunde einmal ausgenommen. Inzwischen gibt es elf Bücher mit dem typisch Flix’schen Strich: Aufs Äußerste reduzierte Hintergründe, simple und doch ausdrucksstarke Figuren. Die größte Auffälligkeit: ihre dicken Quadernasen.
Die größte Auffälligkeit an Flix selbst sind seine 1,90 Meter. Ansonsten könnte man ihn auf der Straße einfach übersehen: blond, Brille, blaue Augen. Dazu lässige Kleidung, Pulli und Jeans. Zum Malen kam der 33-Jährige wie viele andere auch: Er hat als Kind einen Buntstift in die Hand gedrückt bekommen und irgendwann festgestellt, dass er ein bisschen besser damit umgehen kann als andere – das motiviert. Besonders dann, wenn man in Sport vielleicht nicht ganz so gut ist. Auch als Junge im Kunstunterricht kann man sich eine Position in der Klasse erkämpfen, die ganz angesehen ist!
"Nicht unbedingt als Junge im Kunstunterricht, das auch, aber vielmehr als Junge, der Lehrer karikiert und malt und dran schreibt: 'Haha, da sitzt unser Mathelehrer auf dem Klo'- das ist schon sehr lustig, wenn man in der fünften Klasse ist!"
Also Zeichnen, um eine angesehene Stellung in der Klasse zu kriegen?
"Eigentlich Zeichnen, um Aufmerksamkeit zu kriegen."
Mit der Zeit wurde daraus das Zeichnen um des Zeichnens Willen: Irgendwann ging es einfach nicht mehr ohne. Heute setzt sich Flix immer gleich nach dem Aufstehen an seinen Zeichentisch – mit einem kleinen Umweg über die Küche, um einen starken Espresso zu brauen.
"Ich kann gar nicht anders, […] wenn ich irgendwie ein, zwei Tage nicht gezeichnet habe, dann werde ich unleidlich, dann muss ich mir Zettel und Stift nehmen und mich irgendwo hinsetzen und dann ist wieder gut."
Laute Musik darf sein, muss sogar manchmal sein. Ansonsten braucht Flix zum Arbeiten Licht, Raum und einen sehr, sehr aufgeräumten Arbeitsplatz. Sein Atelier liegt zwischen dem Wohn- und dem Schlafzimmer einer hellen Altbauwohnung in Berlin Prenzlauer Berg. Der Schreibtisch steht mitten im Raum, dominiert von einem mächtigen Computermonitor.
Akribisch bearbeitet Flix die handgemalten Strips am PC nach. Vergrößert seinen zu einer Comic-Figur generierten Mephisto, bis nur noch die imposante Nase den Bildschirm füllt – und zieht kleinste Unebenheiten im Strich nach. Fast schon pedantisch, denn gesehen hätte diese Beulchen niemand.
"Ja, ich find’s geil. Also, ich mag das, wenn’s dann irgendwie insgesamt stimmt, dann hab ich auch das Gefühl, ich geb was Gutes ab. Ich glaube auch, das spürt man, das ist so, wie wenn man ans Menü so in die Soße, wenn’s ne salzige Soße ist, noch ein bisschen Zucker macht und andersrum wenn’s ne Süßspeise ist, bisschen Salz, drei Körner – das kann niemand sagen, dass es drin ist, aber man spürt’s."
Diese unaufdringliche Akribie gepaart mit einer sehr persönlichen Ansprache, das macht die Comics von Flix aus.
Sehr persönlich sind auch die Geschichten, die auf acht großen Plakatwänden an der Gedenkstätte Bernauer Straße in Berlin prangen. Jede Plakatwand ein knallbunt illustrierter Strip, jeder Strip eine Erinnerung an die Zeit vor der deutschen Wiedervereinigung. Von Menschen, die damals noch Kinder waren. Es sind Geschichten aus West und Ost, zum Teil grausam und zum Teil einfach nur schön.
"Na ja, wenn Du als Kind in der DDR gelebt hast, kann man schon ein sehr positives Bild von der ganzen Sache haben. Und das will ich den Leuten auch gar nicht absprechen, dass es für sie positiv gewesen ist, aber dass eben auch anderes passiert ist. Und das nebeneinander zu zeigen, das finde ich wichtig. Es ist falsch zu sagen, es wäre nur Unrecht passiert, und es ist ebenso falsch zu sagen, es wäre kein Unrecht passiert. Die Wahrheit ist wie immer, irgendwo in der Mitte."
Ganz persönlicher Geschichtsunterricht, ohne erhobenen Zeigefinger, im Vorbeigehen zu konsumieren. Sogar als Lehrmaterial für Schulen wurde die Ost-West-Serie mit dem Titel "Da war mal was" aufbereitet.
Dass Flix erfolgreich vom Comiczeichnen lebt, beruhigt vor allem seine Eltern im fernen Darmstadt. Als Krankenschwester und Postbeamter haben die ihr Geld noch ganz gediegen verdient – und wollten ihrem Jüngsten den Traumjob eigentlich ausreden.
"Ja, das fanden die schon ein wenig suspekt, also, dass Kunst ein Beruf sein kann, war ihnen nicht so wirklich fremd, aber Comics. Also, die haben natürlich Asterix gelesen, das ist hier so die 68er-Generation, die Robert Crump gelesen hat und auch gut fand, aber der eigene Sohn? Na ja."
Der Kompromiss war ein Designstudium in Saarbrücken. Als Diplomarbeit reichte Flix allerdings einen Comic ein. Sein Leben in Bildern in drei Bänden: Die Vergangenheit, die Gegenwart und sogar die Zukunft, so, wie er sie sich selber vorstellt. Heute befindet sich der gebürtige Westfale auf dem besten Weg, den von ihm vorgezeichneten Pfad abzuschreiten.
"Hab mir schon oft überlegt, dass ich gerne Zeichner bleiben wollen würde und damit eigentlich auch ganz gut über die Runden komme. Das ist eigentlich schon alles an Zukunftsvision: Einfach mit der richtigen Frau alt werden, Familie haben und irgendwo dazu zu gehören. Das war der Wunsch."
Die Frau gibt es bereits, Kinder fehlen noch, aber das wird schon – denn wenn Flix etwas anpackt, das Gefühl hat man wirklich, dann klappt es am Ende auch.
Service:
Die Ausstellung "Da war mal was" auf dem Gelände der Gedenkstätte Berliner Mauer in der Bernauer Straße ist frei zugänglich und noch mindestens bis zum Ende des Jahres zu sehen.
Er ist bescheiden geblieben. Immerhin werden "die paar Linien", die Felix Görmann da täglich aufs Papier bringt, regelmäßig in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und im Berliner "Tagesspiegel" veröffentlicht. "Flix" steht dann in der Autorenzeile – und so nennen ihn mittlerweile eigentlich alle, Eltern und beste Freunde einmal ausgenommen. Inzwischen gibt es elf Bücher mit dem typisch Flix’schen Strich: Aufs Äußerste reduzierte Hintergründe, simple und doch ausdrucksstarke Figuren. Die größte Auffälligkeit: ihre dicken Quadernasen.
Die größte Auffälligkeit an Flix selbst sind seine 1,90 Meter. Ansonsten könnte man ihn auf der Straße einfach übersehen: blond, Brille, blaue Augen. Dazu lässige Kleidung, Pulli und Jeans. Zum Malen kam der 33-Jährige wie viele andere auch: Er hat als Kind einen Buntstift in die Hand gedrückt bekommen und irgendwann festgestellt, dass er ein bisschen besser damit umgehen kann als andere – das motiviert. Besonders dann, wenn man in Sport vielleicht nicht ganz so gut ist. Auch als Junge im Kunstunterricht kann man sich eine Position in der Klasse erkämpfen, die ganz angesehen ist!
"Nicht unbedingt als Junge im Kunstunterricht, das auch, aber vielmehr als Junge, der Lehrer karikiert und malt und dran schreibt: 'Haha, da sitzt unser Mathelehrer auf dem Klo'- das ist schon sehr lustig, wenn man in der fünften Klasse ist!"
Also Zeichnen, um eine angesehene Stellung in der Klasse zu kriegen?
"Eigentlich Zeichnen, um Aufmerksamkeit zu kriegen."
Mit der Zeit wurde daraus das Zeichnen um des Zeichnens Willen: Irgendwann ging es einfach nicht mehr ohne. Heute setzt sich Flix immer gleich nach dem Aufstehen an seinen Zeichentisch – mit einem kleinen Umweg über die Küche, um einen starken Espresso zu brauen.
"Ich kann gar nicht anders, […] wenn ich irgendwie ein, zwei Tage nicht gezeichnet habe, dann werde ich unleidlich, dann muss ich mir Zettel und Stift nehmen und mich irgendwo hinsetzen und dann ist wieder gut."
Laute Musik darf sein, muss sogar manchmal sein. Ansonsten braucht Flix zum Arbeiten Licht, Raum und einen sehr, sehr aufgeräumten Arbeitsplatz. Sein Atelier liegt zwischen dem Wohn- und dem Schlafzimmer einer hellen Altbauwohnung in Berlin Prenzlauer Berg. Der Schreibtisch steht mitten im Raum, dominiert von einem mächtigen Computermonitor.
Akribisch bearbeitet Flix die handgemalten Strips am PC nach. Vergrößert seinen zu einer Comic-Figur generierten Mephisto, bis nur noch die imposante Nase den Bildschirm füllt – und zieht kleinste Unebenheiten im Strich nach. Fast schon pedantisch, denn gesehen hätte diese Beulchen niemand.
"Ja, ich find’s geil. Also, ich mag das, wenn’s dann irgendwie insgesamt stimmt, dann hab ich auch das Gefühl, ich geb was Gutes ab. Ich glaube auch, das spürt man, das ist so, wie wenn man ans Menü so in die Soße, wenn’s ne salzige Soße ist, noch ein bisschen Zucker macht und andersrum wenn’s ne Süßspeise ist, bisschen Salz, drei Körner – das kann niemand sagen, dass es drin ist, aber man spürt’s."
Diese unaufdringliche Akribie gepaart mit einer sehr persönlichen Ansprache, das macht die Comics von Flix aus.
Sehr persönlich sind auch die Geschichten, die auf acht großen Plakatwänden an der Gedenkstätte Bernauer Straße in Berlin prangen. Jede Plakatwand ein knallbunt illustrierter Strip, jeder Strip eine Erinnerung an die Zeit vor der deutschen Wiedervereinigung. Von Menschen, die damals noch Kinder waren. Es sind Geschichten aus West und Ost, zum Teil grausam und zum Teil einfach nur schön.
"Na ja, wenn Du als Kind in der DDR gelebt hast, kann man schon ein sehr positives Bild von der ganzen Sache haben. Und das will ich den Leuten auch gar nicht absprechen, dass es für sie positiv gewesen ist, aber dass eben auch anderes passiert ist. Und das nebeneinander zu zeigen, das finde ich wichtig. Es ist falsch zu sagen, es wäre nur Unrecht passiert, und es ist ebenso falsch zu sagen, es wäre kein Unrecht passiert. Die Wahrheit ist wie immer, irgendwo in der Mitte."
Ganz persönlicher Geschichtsunterricht, ohne erhobenen Zeigefinger, im Vorbeigehen zu konsumieren. Sogar als Lehrmaterial für Schulen wurde die Ost-West-Serie mit dem Titel "Da war mal was" aufbereitet.
Dass Flix erfolgreich vom Comiczeichnen lebt, beruhigt vor allem seine Eltern im fernen Darmstadt. Als Krankenschwester und Postbeamter haben die ihr Geld noch ganz gediegen verdient – und wollten ihrem Jüngsten den Traumjob eigentlich ausreden.
"Ja, das fanden die schon ein wenig suspekt, also, dass Kunst ein Beruf sein kann, war ihnen nicht so wirklich fremd, aber Comics. Also, die haben natürlich Asterix gelesen, das ist hier so die 68er-Generation, die Robert Crump gelesen hat und auch gut fand, aber der eigene Sohn? Na ja."
Der Kompromiss war ein Designstudium in Saarbrücken. Als Diplomarbeit reichte Flix allerdings einen Comic ein. Sein Leben in Bildern in drei Bänden: Die Vergangenheit, die Gegenwart und sogar die Zukunft, so, wie er sie sich selber vorstellt. Heute befindet sich der gebürtige Westfale auf dem besten Weg, den von ihm vorgezeichneten Pfad abzuschreiten.
"Hab mir schon oft überlegt, dass ich gerne Zeichner bleiben wollen würde und damit eigentlich auch ganz gut über die Runden komme. Das ist eigentlich schon alles an Zukunftsvision: Einfach mit der richtigen Frau alt werden, Familie haben und irgendwo dazu zu gehören. Das war der Wunsch."
Die Frau gibt es bereits, Kinder fehlen noch, aber das wird schon – denn wenn Flix etwas anpackt, das Gefühl hat man wirklich, dann klappt es am Ende auch.
Service:
Die Ausstellung "Da war mal was" auf dem Gelände der Gedenkstätte Berliner Mauer in der Bernauer Straße ist frei zugänglich und noch mindestens bis zum Ende des Jahres zu sehen.