Knallbunte Unterwelten
Schwule, Lesben und Transsexuelle hatten im katholisch-konservativen Mexiko lange Jahre einen schweren Stand. In den letzten zehn Jahren aber ist das schwul-lesbische Leben in der Hauptstadt förmlich explodiert.
Showtime in der Zona Rosa, dem Epizentrum schwulen Lebens in Mexiko-Stadt. Die Bühne gehört, wie so oft hier, den Damen und Diven. Männerkörper sind da neben soviel Glamour allenfalls schmückendes Beiwerk. Die Kostüme sind prall, die Choreografie professionell, wenn die Transvestiten in Klubs wie dem Caberetito unter aktiver Teilnahme des Publikums aztekische Sagen auseinandernehmen oder katholische Traditionen persiflieren. Belohnt werden die anarchischen Damen mit lautem Johlen ihrer meist männlichen Anhänger.
Tito Vasconcelos ist ein schwules Urgestein im "D.F.”, wie der "Föderale Distrikt”, die Hauptstadt in Mexiko fast ausschließlich genannt wird. Tito ist mittlerweile 62 Jahre alt, Schauspieler, politischer Aktivist und eben Travestiekünstler. Er sitzt in einem der Cafés in der Zona Rosa und plaudert. Sein lichtes Haar ist vorne etwas hochfrisiert, sein rotes langärmliges Hemd hat einen breiten Kragen, Arme und Hände erzählen weit ausholend mit.
"Meine Frauen sind allesamt fantastisch. Die Leute akzeptieren mich auch als Mann auf der Bühne, aber wenn ich eine Frau spiele, dann gehen sie richtig ab. Frauen, Hetero-Männer und natürlich die Schwulen, sie alle verlieben sich in meine Frauen und das macht mir unheimlich Spaß. Ich darf auf der Bühne beleidigen, derbe Sprache benutzen und die Leute finden das total toll."
Einer der bevorzugten Orte für seine Shows gehört ihm selbst: Tito und sein Mann gründeten vor 15 Jahren die Cabaretito-Klubs, die sich mit DJs, Shows und bezahlbaren Getränken vor allem an junges Publikum richten. Mexikanische Kultur, findet Tito, sei doch ohnehin ziemlich opulent. Von der tausendfach angedeuteten Homosexualität eines Juan Gabriel, des erfolgreichsten Songwriters des Landes, dessen Balladen Teil der mexikanischen Volkskultur geworden sind, weiß jeder mexikanische Macho und singt voller Inbrunst mit. In den Theatern stehen Stücke wie "Der schwule Vampir" oben in der Beliebtheitsliste, Telenovelas bieten heute schwule Pärchen auf, Politiker stehen zu schwulem Nachwuchs. Das war nicht immer so.
Tito Vasconcelos ist ein schwules Urgestein im "D.F.”, wie der "Föderale Distrikt”, die Hauptstadt in Mexiko fast ausschließlich genannt wird. Tito ist mittlerweile 62 Jahre alt, Schauspieler, politischer Aktivist und eben Travestiekünstler. Er sitzt in einem der Cafés in der Zona Rosa und plaudert. Sein lichtes Haar ist vorne etwas hochfrisiert, sein rotes langärmliges Hemd hat einen breiten Kragen, Arme und Hände erzählen weit ausholend mit.
"Meine Frauen sind allesamt fantastisch. Die Leute akzeptieren mich auch als Mann auf der Bühne, aber wenn ich eine Frau spiele, dann gehen sie richtig ab. Frauen, Hetero-Männer und natürlich die Schwulen, sie alle verlieben sich in meine Frauen und das macht mir unheimlich Spaß. Ich darf auf der Bühne beleidigen, derbe Sprache benutzen und die Leute finden das total toll."
Einer der bevorzugten Orte für seine Shows gehört ihm selbst: Tito und sein Mann gründeten vor 15 Jahren die Cabaretito-Klubs, die sich mit DJs, Shows und bezahlbaren Getränken vor allem an junges Publikum richten. Mexikanische Kultur, findet Tito, sei doch ohnehin ziemlich opulent. Von der tausendfach angedeuteten Homosexualität eines Juan Gabriel, des erfolgreichsten Songwriters des Landes, dessen Balladen Teil der mexikanischen Volkskultur geworden sind, weiß jeder mexikanische Macho und singt voller Inbrunst mit. In den Theatern stehen Stücke wie "Der schwule Vampir" oben in der Beliebtheitsliste, Telenovelas bieten heute schwule Pärchen auf, Politiker stehen zu schwulem Nachwuchs. Das war nicht immer so.
Marcha - Christopher Street Day auf Mexikanisch
""Also, 1900 .... Ach schau mal, die beiden Hübschen dort, wie süß sie Händchen halten, es ist doch fantastisch, das das heute möglich ist ... also ... 1978 fand die erste Marcha hier statt. Das war das erste Mal, dass ein Kontingent von Schwulen und Lesben auf die Straße ging, um Rechte einzufordern. Seither findet die Marcha am selben Wochenende statt wie in den USA, am letzten Juniwochenende. Das ist ein bisschen absurd, im November hätten wir viel mehr eigene Anlässe, um zu marschieren, außerdem ist das Wetter besser. Hier werden wir jedes Jahr vom Regen weggeschwemmt, das ist Wasser auf die Mühlen der Kirche: Klar, Gott schickt ihnen eine nasse Strafe, den Ferkelchen!"
Tito ist treuer Teilnehmer der alljährlichen Marcha, dem mexikanischen Christopher Street Day. Bis tief in die 70er war das Pflaster rauer für die Schwulen in Mexiko-Stadt. Tito erinnert sich an Razzien von "Sondereinsatzkräften” gegen schwule Einrichtungen, die Regenbogenpresse im Schlepptau, die am nächsten Tag großformatig die so geschundenen Schwulen und Transen auf den Titelseiten vorführte. Tito konnte immer entkommen. Mittlerweile finden er und seine Freunde in der Zona Rosa und anderen innenstadtnahen Bezirken Kneipen und Klubs, Boutiquen, Cafés, Friseure und Sexshops. Schwule Pärchen schlendern Arm in Arm durch die Straßen und küssen sich auf den Plätzen. Dass der Distrito Federal heute so liberal ist, hat laut Tito auch mit einer Katastrophe zu tun, die die Stadt vor bald 30 Jahren heimsuchte:
"1985 war ganz außergewöhnlich. Wir waren mittendrin im Kampf gegen die Ansicht, dass wir Schwule Schuld an Aids wären. Dann kommt das Erdbeben und für die Gesellschaft war das trotz aller Tragödie auch ein Segen. Es hat uns gezwungen, zusammenzustehen. Da kam der schwule Nachbar angerannt, der, vor dem Du Dich geekelt hattest, um deine Sachen zu retten oder gemeinsam mit Dir Betonplatten zu heben, um Verschüttete zu befreien. Die Leute haben gemerkt, dass uns allenfalls unterscheidet, mit wem wir ins Bett gehen, dass wir aber ansonsten genauso solidarisch und wertvoll sind wie alle anderen."
Der Hauptstadtdistrikt, vormals von der Bundesregierung Mexikos und somit von der Regierungspartei PRI verwaltet, bekam als Konsequenz aus dem Erbeben und der schlecht koordinierten Rettungsarbeit eine eigene Regierung. Die ist seither links-progressiv und homofreundlich. Die Marcha, den Gay Pride oder Christopher Street Day, gibt es immer noch, auch wenn sie heute, wie in so vielen Städten der Welt, weniger politische Demonstration, sondern eher eine riesige Outdoor-Party ist.
Tito ist treuer Teilnehmer der alljährlichen Marcha, dem mexikanischen Christopher Street Day. Bis tief in die 70er war das Pflaster rauer für die Schwulen in Mexiko-Stadt. Tito erinnert sich an Razzien von "Sondereinsatzkräften” gegen schwule Einrichtungen, die Regenbogenpresse im Schlepptau, die am nächsten Tag großformatig die so geschundenen Schwulen und Transen auf den Titelseiten vorführte. Tito konnte immer entkommen. Mittlerweile finden er und seine Freunde in der Zona Rosa und anderen innenstadtnahen Bezirken Kneipen und Klubs, Boutiquen, Cafés, Friseure und Sexshops. Schwule Pärchen schlendern Arm in Arm durch die Straßen und küssen sich auf den Plätzen. Dass der Distrito Federal heute so liberal ist, hat laut Tito auch mit einer Katastrophe zu tun, die die Stadt vor bald 30 Jahren heimsuchte:
"1985 war ganz außergewöhnlich. Wir waren mittendrin im Kampf gegen die Ansicht, dass wir Schwule Schuld an Aids wären. Dann kommt das Erdbeben und für die Gesellschaft war das trotz aller Tragödie auch ein Segen. Es hat uns gezwungen, zusammenzustehen. Da kam der schwule Nachbar angerannt, der, vor dem Du Dich geekelt hattest, um deine Sachen zu retten oder gemeinsam mit Dir Betonplatten zu heben, um Verschüttete zu befreien. Die Leute haben gemerkt, dass uns allenfalls unterscheidet, mit wem wir ins Bett gehen, dass wir aber ansonsten genauso solidarisch und wertvoll sind wie alle anderen."
Der Hauptstadtdistrikt, vormals von der Bundesregierung Mexikos und somit von der Regierungspartei PRI verwaltet, bekam als Konsequenz aus dem Erbeben und der schlecht koordinierten Rettungsarbeit eine eigene Regierung. Die ist seither links-progressiv und homofreundlich. Die Marcha, den Gay Pride oder Christopher Street Day, gibt es immer noch, auch wenn sie heute, wie in so vielen Städten der Welt, weniger politische Demonstration, sondern eher eine riesige Outdoor-Party ist.
"Die Stadt ist unglaublich schwul"
Zehntausende Schwule und weitaus weniger Lesben tanzen Ende Juni die Prachtstraße Reforma entlang vom Ausgehviertel Zona Rosa in Richtung des historischen Zentrums, zum Zocalo. Der riesige Platz im Herzen Mexikos ist das Zentrum geistlicher und weltlicher Macht, mit Kathedrale, Präsidentenpalast und Stadtparlament. Antonio, Anfang 30, marschiert wie jedes Jahr mit. Der Anwalt und Publizist ist auf Inlinern unterwegs, hat wenig an, und das, was er anhat, ist aus schwarzem Leder.
"Die Stadt ist unglaublich schwul, vielleicht sogar schwuler als Städte wie San Francisco. Es gibt eine Unzahl von Orten, wo sich schwules Leben in allen Facetten entfaltet. Von öffentlichen Toiletten am Busbahnhof bis zu den Klubs in Lomas de Chapultepec, wo die Oberschicht Koks konsumiert. Im historischen Zentrum ist die Straße República de Cuba mit ihren Bars in den letzten Jahren sehr populär geworden. Dann hast Du aber, nicht weit entfernt, nahe Garibaldi, wo die Mariachis spielen, immer noch ziemlich verschrobene Orte, wo die zwischen Hochzeitsausstattern eine halb versteckte Regenbogenfahne hängt und wo Dir sogar Live-Sexshows geboten werden. Im Süden der Stadt und im Condesa-Viertel sind die Fresas mit ihren Markenklamotten unterwegs. Und dann natürlich die Zona Rosa, die genau so schwul ist wie andere schwule Hauptstädte der Welt!"
Auch für den 29-jährigen Grafikdesigner Ricardo Velmor, der nebenbei ein schwules Szenemagazin herausgibt, ist die Marcha Pflichtveranstaltung. Ricardo schießt heute eine Menge Fotos, von Bären, Lederkerlen, von Tunten und Transen, Engeln und Teufelchen, von kaum bekleideten Tänzern oder aufgestylten Imitatoren der mexikanischen Schauspielerlegenden Maria Felix oder Cantinflas. Auch Antonio auf seinen Inlinern darf in der Sammlung nicht fehlen.
"Mich interessieren die typisch mexikanischen Orte der Stadt. Nicht die in der Zona Rosa, die genau so sind wie in Amsterdam, London oder Los Angeles. Ins Viena und ins Oasis, im historischen Zentrum, da geht auch der Lastwagen- oder Taxifahrer hin. Auch das Internet ist ein sehr authentischer Laden. Von außen ist das ein Kiosk, da gehst Du rein und durch, hinten eine enge Treppe hoch und auf einmal findest Du Dich in einer Kneipe wieder. Da triffst du Polizisten, Soldaten, Müllarbeiter und kleine Beamte. Da gibt es wie in allen populären Cantinas der Stadt eine Jukebox und da tanzt Mann die ganze Nacht Cumbia oder den Pop der Divas der 90er-Jahre. Mich interessiert die mexikanische Durchschnittsbevölkerung, nicht die Minderheit der Mittel- oder Oberschicht, die das schwule Leben in der Öffentlichkeit dominiert."
"Die Stadt ist unglaublich schwul, vielleicht sogar schwuler als Städte wie San Francisco. Es gibt eine Unzahl von Orten, wo sich schwules Leben in allen Facetten entfaltet. Von öffentlichen Toiletten am Busbahnhof bis zu den Klubs in Lomas de Chapultepec, wo die Oberschicht Koks konsumiert. Im historischen Zentrum ist die Straße República de Cuba mit ihren Bars in den letzten Jahren sehr populär geworden. Dann hast Du aber, nicht weit entfernt, nahe Garibaldi, wo die Mariachis spielen, immer noch ziemlich verschrobene Orte, wo die zwischen Hochzeitsausstattern eine halb versteckte Regenbogenfahne hängt und wo Dir sogar Live-Sexshows geboten werden. Im Süden der Stadt und im Condesa-Viertel sind die Fresas mit ihren Markenklamotten unterwegs. Und dann natürlich die Zona Rosa, die genau so schwul ist wie andere schwule Hauptstädte der Welt!"
Auch für den 29-jährigen Grafikdesigner Ricardo Velmor, der nebenbei ein schwules Szenemagazin herausgibt, ist die Marcha Pflichtveranstaltung. Ricardo schießt heute eine Menge Fotos, von Bären, Lederkerlen, von Tunten und Transen, Engeln und Teufelchen, von kaum bekleideten Tänzern oder aufgestylten Imitatoren der mexikanischen Schauspielerlegenden Maria Felix oder Cantinflas. Auch Antonio auf seinen Inlinern darf in der Sammlung nicht fehlen.
"Mich interessieren die typisch mexikanischen Orte der Stadt. Nicht die in der Zona Rosa, die genau so sind wie in Amsterdam, London oder Los Angeles. Ins Viena und ins Oasis, im historischen Zentrum, da geht auch der Lastwagen- oder Taxifahrer hin. Auch das Internet ist ein sehr authentischer Laden. Von außen ist das ein Kiosk, da gehst Du rein und durch, hinten eine enge Treppe hoch und auf einmal findest Du Dich in einer Kneipe wieder. Da triffst du Polizisten, Soldaten, Müllarbeiter und kleine Beamte. Da gibt es wie in allen populären Cantinas der Stadt eine Jukebox und da tanzt Mann die ganze Nacht Cumbia oder den Pop der Divas der 90er-Jahre. Mich interessiert die mexikanische Durchschnittsbevölkerung, nicht die Minderheit der Mittel- oder Oberschicht, die das schwule Leben in der Öffentlichkeit dominiert."
Der Bürgermeister als Trauzeuge
Mittlerweile dürfen Lesben und Schwule in Mexiko-Stadt auch heiraten. Die Stadtregierung hatte dafür vor drei Jahren einfach den Eheparagrafen geändert und "zwischen Mann und Frau” elegant durch "zwischen zwei Menschen” ersetzt. Knapp 2000 Ehen zwischen Schwulen sind bis heute geschlossen worden, dazu 700 zwischen Lesben. Erst im Juli war Mexikos Bürgermeister Miguel Ángel Mancera bei 26 Eheschließungen Trauzeuge. Gerardo Delgado, Ende 30, ist so ein Ehemann. Kein typischer allerdings: Gerardo ist Produzent erotischer Filme, vorher hat er Drehbücher für Telenovelas geschrieben. Als solcher kann er getrost als Experte für mexikanische Kultur im Allgemeinen und schwule Kultur im Besonderen gelten. Der Erfolg der Schwulenbewegung in Mexiko sei nicht zuletzt der Erfolg eines alten Bekannten:
"Dieses Phänomen nahm seinen Anfang vor über zehn Jahren in den Cabaretitos, den Klubs von Tito Vasconcelos, wo die Teenies, als Punks oder Emos gekleidet, angefangen haben, Hand in Hand durch die Straßen zu gehen und sich öffentlich zu küssen. Wenn irgendwer was gesagt hat, wurden sie noch skandalöser oder haben sich mit dem angelegt. Das war der Riesenschritt! Wir verdanken den Cabaretito-Kids, die damals 17, 18, 19 Jahre alt waren, dass wir heute offener sind und dass Du heute küssende Männer überall in der Stadt siehst! Das war der Auslöser, dass die Bewegung die Ehe durchsetzen konnte und dass mittlerweile zwei Männer in Mexiko-Stadt heiraten können."
Allenfalls kleinere Gruppen stören sich heute an der Homo-Ehe, eine Abstrafung der regierenden, linken PRD bei den Wahlen im letzten Jahr ist jedenfalls ausgeblieben. Im Gegenteil, mit zwei Drittel der Stimmen konnte die PRD bei den Bürgermeisterwahlen ein Traumergebnis einfahren. Und das, obwohl Mexiko-Stadt auch der Sitz einer Institution ist, die - zumindest offiziell - wenig für Schwule übrig hat. Josaphat, gebürtig aus Veracruz und in einer Industriestadt im sehr katholisch-konservativen Bundesstaat Oaxaca aufgewachsen, lebt seit zwölf Jahren im Föderalen Distrikt:
"Ich habe mich für den Föderalen Distrikt entschieden, obwohl vieles hier sehr schwierig ist: eine Wohnung, Arbeit, einen Studienplatz, Freunde zu finden. Das war hart, obwohl meine beiden Brüder bereits hier studierten. Aber mit der Zeit habe ich sehr viele spannende Leute kennengelernt. Ich habe die Entscheidung, hierher zu ziehen, nie bereut, so hart das auch am Anfang war. Nur aufgrund der Angst vor dem Moloch D.F. auf alles zu verzichten, was mir hier an Freiheit und Selbstverwirklichung möglich ist. Niemals! Wenn ich noch in Oaxaca leben würde, dann wäre ich wohl schon tot. Nicht nur wegen Aids und den fehlenden Medikamenten in der Provinz. Sondern weil sie dich in einer Cantina, also einer Kneipe zusammenschlagen oder auf der Straße ermorden! Als Schwuler kriegst Du in der Provinz keinen Job, Du wirst auf der Straße beleidigt, selbst von Deiner Familie. Deswegen fliehen alle Schwulen, wenn sie irgendwie können, aus der Provinz."
Die so Geflohenen, sie alle bringen ihre Kultur mit in die Hauptstadt. Die Cowboys aus dem Norden, die Jarochos aus Veracruz, Mayas aus Chiapas, Zapotecos aus Oaxaca. Als Fluchtpunkt für drangsalierte schwule Jungs aus der Provinz, als homofreundlichste Kapitale Lateinamerikas ist der Großraum Mexiko-Stadt mit seinen über zwanzig Millionen Einwohnern eine der größten schwulen Metropolen der Welt, die keinen Vergleich mit Berlin oder New York scheuen muss. Mehrere Hunderttausend schwule Männer sollen in Mexikos Hauptstadt leben. Und das hat Folgen: Die Gesundheitsbehörde der Stadt geht davon aus, dass 40.000 Menschen in der Stadt HIV-positiv sind. Eine breite Sensibilisierung für das Thema Aids fehle noch, sagen Experten, auch wenn die kostenlose Abgabe von Medikamenten und die Anti-Diskriminierungspolitik in Mexiko-Stadt eine große Errungenschaft sei.
"Dieses Phänomen nahm seinen Anfang vor über zehn Jahren in den Cabaretitos, den Klubs von Tito Vasconcelos, wo die Teenies, als Punks oder Emos gekleidet, angefangen haben, Hand in Hand durch die Straßen zu gehen und sich öffentlich zu küssen. Wenn irgendwer was gesagt hat, wurden sie noch skandalöser oder haben sich mit dem angelegt. Das war der Riesenschritt! Wir verdanken den Cabaretito-Kids, die damals 17, 18, 19 Jahre alt waren, dass wir heute offener sind und dass Du heute küssende Männer überall in der Stadt siehst! Das war der Auslöser, dass die Bewegung die Ehe durchsetzen konnte und dass mittlerweile zwei Männer in Mexiko-Stadt heiraten können."
Allenfalls kleinere Gruppen stören sich heute an der Homo-Ehe, eine Abstrafung der regierenden, linken PRD bei den Wahlen im letzten Jahr ist jedenfalls ausgeblieben. Im Gegenteil, mit zwei Drittel der Stimmen konnte die PRD bei den Bürgermeisterwahlen ein Traumergebnis einfahren. Und das, obwohl Mexiko-Stadt auch der Sitz einer Institution ist, die - zumindest offiziell - wenig für Schwule übrig hat. Josaphat, gebürtig aus Veracruz und in einer Industriestadt im sehr katholisch-konservativen Bundesstaat Oaxaca aufgewachsen, lebt seit zwölf Jahren im Föderalen Distrikt:
"Ich habe mich für den Föderalen Distrikt entschieden, obwohl vieles hier sehr schwierig ist: eine Wohnung, Arbeit, einen Studienplatz, Freunde zu finden. Das war hart, obwohl meine beiden Brüder bereits hier studierten. Aber mit der Zeit habe ich sehr viele spannende Leute kennengelernt. Ich habe die Entscheidung, hierher zu ziehen, nie bereut, so hart das auch am Anfang war. Nur aufgrund der Angst vor dem Moloch D.F. auf alles zu verzichten, was mir hier an Freiheit und Selbstverwirklichung möglich ist. Niemals! Wenn ich noch in Oaxaca leben würde, dann wäre ich wohl schon tot. Nicht nur wegen Aids und den fehlenden Medikamenten in der Provinz. Sondern weil sie dich in einer Cantina, also einer Kneipe zusammenschlagen oder auf der Straße ermorden! Als Schwuler kriegst Du in der Provinz keinen Job, Du wirst auf der Straße beleidigt, selbst von Deiner Familie. Deswegen fliehen alle Schwulen, wenn sie irgendwie können, aus der Provinz."
Die so Geflohenen, sie alle bringen ihre Kultur mit in die Hauptstadt. Die Cowboys aus dem Norden, die Jarochos aus Veracruz, Mayas aus Chiapas, Zapotecos aus Oaxaca. Als Fluchtpunkt für drangsalierte schwule Jungs aus der Provinz, als homofreundlichste Kapitale Lateinamerikas ist der Großraum Mexiko-Stadt mit seinen über zwanzig Millionen Einwohnern eine der größten schwulen Metropolen der Welt, die keinen Vergleich mit Berlin oder New York scheuen muss. Mehrere Hunderttausend schwule Männer sollen in Mexikos Hauptstadt leben. Und das hat Folgen: Die Gesundheitsbehörde der Stadt geht davon aus, dass 40.000 Menschen in der Stadt HIV-positiv sind. Eine breite Sensibilisierung für das Thema Aids fehle noch, sagen Experten, auch wenn die kostenlose Abgabe von Medikamenten und die Anti-Diskriminierungspolitik in Mexiko-Stadt eine große Errungenschaft sei.