Knobloch: Bundesregierung bezieht nicht eindeutig Stellung zu Ahmadinedschad

Moderation: Marie Sagenschneider |
Der Zentralrat der Juden in Deutschland kritisiert einen halbherzigen Umgang mit dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad. Die Politik habe immer wieder Gründe vorgebracht, eine mögliche Einreise zur Fußball-WM nicht verhindern zu können, beklagte die Präsidentin des Zentralrats, Charlotte Knobloch. Zurzeit tagt der Jüdische Weltkongress, der 100 Länder vertritt, in Berlin.
Sagenschneider: Kommt Mahmud Ahmadinedschad nach Deutschland oder nicht. Diese Frage hatte für einige Aufregung gesorgt, denn niemand mochte sich vorstellen, einen Holocaust-Leugner fröhlich auf der Tribüne eines Stadions sitzen sehen zu müssen, ohne dass die Bundesregierung viel dagegen hätte tun können. Wirklich nicht? Nun eine Antwort darauf ist nicht mehr nötig, weil die iranische Nationalmannschaft beizeiten aus der Fußballweltmeisterschaft ausgeschieden ist. Und doch wird das Thema Iran, mit samt seinem antisemitischen Präsidenten, den politischen Rat des Jüdischen Weltkongresses durchaus beschäftigen, wenn er heute in Berlin tagt. Der jüdische Weltkongress repräsentiert jüdische Gemeinschaften und Organisationen aus rund 100 Ländern weltweit. Charlotte Knobloch ist die Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland. Guten Morgen, Frau Knobloch!

Knobloch: Guten Morgen, Frau Sagenschneider!

Sagenschneider: Sie haben ja schon beizeiten gesagt, Ahmadinedschad dürfe einfach in diesem Land kein willkommener Gast sein. Nun wird er ja glücklicherweise auch nicht kommen. Aber hatten Sie denn den Eindruck, dass die Bundesregierung da kritisch genug war? Denn verhindert hätte sie diesen Besuch ja wohl nicht.

Knobloch: Nein. Also da muss ich Ihnen Recht geben. Es wurden immer wieder Gründe hervorgebracht, dass er nicht verhindert werden kann, obwohl ich verwiesen habe auf das Einreiseverbot, das Europa ausgesprochen hat gegenüber dem weißrussischen Staatspräsidenten. Auch ein Fall der diplomatischen Immunität, aber es geht anscheinend doch. Mir geht es auch in erster Linie jetzt darum, dass der Bundesinnenminister den Innenminister, seinen Kollegen aus dem Iran, nicht empfangen hat. Der Außenminister war hier. Und ich hätte gerne in dem Abschlusskommunikee auch einige Worte darüber gehört, wie man sich zum Thema geäußert hat bezüglich der Feststellungen, die der iranische Staatspräsident getroffen hat. Aber da habe ich leider nichts gehört.

Sagenschneider: Glauben Sie, dass diese Zurückhaltung eher der allgemeinen politischen Situation geschuldet ist, weil man ja doch versucht, auf friedlichem Wege den Konflikt ums iranische Atomprogramm beizulegen oder stehen hier eher wirtschaftliche Interessen im Vordergrund?

Knobloch: Also die wirtschaftlichen Interessen sind natürlich vorhanden, obwohl man hier abwägen muss, auch der Iran braucht den Westen, sogar dringend notwendig, so ist es nicht. Aber die Isolierung, die jetzt begonnen wurde, jedenfalls geplant wurde, die ist schon ein Schritt dahingehend, dass diese Appeasementpolitik, die ich vermutet habe und die auch in erster Hinsicht den Anschein hatte, jetzt etwas aufgelockert wurde. Und ich hoffe, dass die rote Karte, die man ihm schon zeigt, dass das auch in Zukunft Bestand haben wird und dass er wieder in seine Schranken verwiesen wird.

Sagenschneider: Wenn sich nun heute der Jüdische Weltkongress mit dieser Frage befasst, dann wird er wohl auch erörtern, was jüdische Gemeinden diesem Ahmadinedschad entgegensetzen können. Wie lautet denn Ihre Antwort darauf?

Knobloch: Die jüdischen Gemeinden selbstverständlich können ihm persönlich hier jetzt oder jedenfalls diesem Land können nicht … haben nicht diese Möglichkeiten, dem Land das entgegenzusetzen, was sie gerne getan hätten. Aber ich meine, sie haben die Möglichkeit auf ihre Regierungen – und da ist nicht nur Deutschland angesprochen, sondern auch Europa und die ganze Welt – Einfluss zu nehmen, um den Regierungen, die sich noch nicht ganz klar sind, wie sie sich zu dem Thema verhalten sollen, gewisse Richtungen zu zeigen in Hinblick auch darauf, welche Äußerungen dieser Mann getan hat und wie er sich in seiner ganzen Art und Weise seine weitere Zukunft darstellt, da er ja eine große Gefahr ist durch sein Atomprogramm in erster Linie für Europa, aber auch für die ganze Welt.

Sagenschneider: Ist, Frau Knobloch, diese Debatte: Wie reagiert man auf Ahmadinedschad – ist diese zu verknüpfen mit der über den Dialog der Religionen und Kulturen, speziell dem Dialog mit dem Islam oder sind das dann doch am Ende zwei ganz unterschiedliche Angelegenheiten?

Knobloch: Also man sollte sie in erster Linie ganz unterschiedlich behandeln, aber trotzdem in Gesprächen darauf hinweisen, dass diese Aggressionen und diese Exzesse, die vom Islam in gewissen Teilen der Welt ausgehen, dass die schon beobachtet, beachtet werden müssen und dass man sich in erster Linie die Verantwortlichen des Islams davor distanziert.

Sagenschneider: Nun wird ja nicht erst seit gestern über diesen Dialog der Kulturen und Religionen gesprochen. Haben Sie denn den Eindruck, dass es da auch Fortschritte gibt?

Knobloch: Es wird Fortschritte geben, wenn man Verhandlungspartner hat, oder wenn man diejenigen am runden Tisch vorfindet, die auch in der Lage sind, die Beschlüsse, die dort gefällt werden, durchzusetzen, das ist die Frage. Dann sind wir auf dem richtigen Weg, wenn die Persönlichkeiten vorhanden sind.

Sagenschneider: Wen sehen Sie denn als Verhandlungspartner?

Knobloch: Die Persönlichkeiten aus diesem Bereich, die nicht nur eine Diskussion führen, sondern auch wie ich schon einmal gesagt habe, die auch in der Lage sind, in ihren Ländern beziehungsweise auch in ihren Bereichen, das durchzusetzen, was eigentlich der Sinn der Gespräche ist, dass man aufeinander zukommen will, dass man eine friedliche Koexistenz anstrebt auch in Ländern, wo das bisher noch nicht der Fall ist.

Sagenschneider: Auf welcher Ebene finden denn Gespräche überhaupt statt?

Knobloch: Diese Gespräche finden statt auf Ebenen …, ich meine, der Zentralrat ist jederzeit bereit und auch in den einzelnen Städten und Ländern, wenn ich jetzt die Bundesrepublik anspreche, ist man bereit, mit den Vertretern des Islams zu sprechen. Nur ist es immer schwer, den Ansprechpartner zu finden, der wirklich etwas zu sagen hat.

Sagenschneider: Welches Gewicht, um noch mal auf die Tagung von heute in Berlin zurückzukommen, welches Gewicht hat in diesem Rahmen der Jüdische Weltkongress?

Knobloch: Der Jüdische Weltkongress vertritt ja über 100 Länder in der ganzen Welt, die Interessen der 100 Länder in der ganzen Welt und vertritt sie auch gegenüber den betreffenden Regierungen, die, sagen wir mal, noch nicht so in der Lage sind, sich selbst darüber ein Bild zu machen. Jetzt habe ich das ganz vorsichtig ausgedrückt. Und er hat gerade in diesen brennenden Fragen, die ja vorhanden sind, sicher sehr viel Möglichkeiten, den Betroffenen auch zu helfen.

Sagenschneider: Frau Knobloch, ich danke Ihnen. Charlotte Knobloch war das, die Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland.