Koalitionsentscheidung? -"Offener als man glaubt"
Nach Überzeugung des SPD-Bundestagsabgeordneten Axel Schäfer ist eine Große Koalition noch keinesfalls beschlossene Sache. Der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen Landesgruppe im Bundestag betont, dass am Ende von Verhandlungen die SPD-Mitglieder entschieden: "So gesehen ist die Frage doch offener als man glaubt."
Julius Stucke: Ganz Deutschland bereitet sich auf die große Koalition vor - diesen Eindruck könnte man so ein bisschen bekommen vor der heutigen zweiten Sondierungsrunde von CDU und SPD. Umfragen zufolge ist eine Mehrheit der Deutschen, zwei Drittel, für Schwarz-Rot. Und Politiker beider Parteien pokern zwar, betonen stets, alles sei offen. Sie sagen aber auch: Der Weg der CDU/CSU ist kürzer zur SPD als zu den Grünen. Und Angela Merkel, so war gestern zu lesen, ziehe ebenfalls die SPD vor. Ganz Deutschland? Mitnichten. Die SPD in Nordrhein-Westfalen, die macht keinen Hehl daraus, dass sie eine große Koalition nicht gerade prickelnd findet. Und Nordrhein-Westfalen ist nicht nur das bevölkerungsreichste Bundesland, von dort kommt auch die größte Landesgruppe im Bundestag. Ihr Vorsitzender ist Axel Schäfer, Direktkandidat aus Bochum. Guten Morgen, Herr Schäfer!
Axel Schäfer: Guten Morgen nach Berlin!
Stucke: Die SPD-Basis in NRW ist eher gegen Schwarz-Rot, Sie haben selber auch gesagt, sie seien gegen eine große Koalition. Warum kommt dieses Nein aus Nordrhein-Westfalen?
Schäfer: Also wir haben immer gesagt, dass am Ende des Sondierungsprozesses mit der Union es einen Konsens der SPD geben wird, da ist die Basis ja auch sehr gut vertreten, und dann werden am Ende von Verhandlungen die Mitglieder entscheiden. So gesehen, ist die Frage doch offener, als man glaubt.
Stucke: Aber im Moment sagen Sie alle noch: Uns ist das nicht so lieb!
Schäfer: Also das mit dem "alle" ist ja sehr relativ. Ich hab in der letzten Woche in meiner eigenen Basisgliederung hier in Bochum-Querenburg das 'mal diskutiert, und da war die Situation fast halbe-halbe. Die eine Hälfte sagte: Es ist besser, wir haben in der großen Koalition Einfluss. Und die andere Hälfte sagte: Nein, wir bleiben in der Opposition, ansonsten werden wir zu sehr unkenntlich von dem, was wir an Zielen haben.
" "Es wird konkret darauf ankommen, was die Sondierungen ergeben""
Stucke: Also unkenntlich an dem, was Sie an Zielen haben, ist ein Grund für die Hälfte, die jetzt noch sagt, große Koalition, das ist für uns nichts - was bräuchte es denn in den Sondierungsgesprächen, um diese Hälfte zu überzeugen, dass eine große Koalition vielleicht doch nicht so schlecht ist?
Schäfer: Also zum einen geht es um die Inhalte. Es geht darum - eine Sekunde, ich muss gerade meinem Enkel sagen - Paul, warte, einen Moment mal bitte - ja ...
Stucke: Ihr Enkel sondiert mit!
Schäfer: Der Enkel sondiert mit! Ja, es geht um die inhaltlichen Dinge, die wir gemeinsam bewältigen wollen und auch gemeinsam bewältigen müssen. Da ist eine ganz große Frage sicherlich die Finanzbeziehungen des Bundes und der Länder, die wir in dieser Legislaturperiode angehen müssen. Es geht natürlich auch um Geld, Stichwort "Infrastrukturbildung", Situation der Gemeinden, und natürlich um das ganz große sozialdemokratische Thema soziale Gerechtigkeit, und da ist Mindestlohn sicherlich ein ganz wichtiger Punkt.
Stucke: Interessant dürfte für die SPD in Nordrhein-Westfalen ja auch die Frage sein: Wie geht es weiter mit der Energiewende? Wie wird die Energiewende gestaltet? Da hat ein Industrieland wie Nordrhein-Westfalen ja ein großes Interesse, dass es da vorwärts geht. Wäre es da für die SPD in Nordrhein-Westfalen nicht auch besser, wir wollen mitreden und mitregieren, als das Ganze so wie in der vergangenen Legislaturperiode nur beäugen und kritisieren zu können?
Schäfer: Also, wir haben ja schon in der vergangenen Legislaturperiode bei der Frage "Endlagersuche" schon Fortschritte erzielt. Auf der anderen Seite sind wir im Bundesrat sehr stark, wir sind dort die prägende Kraft als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten. Aber es wird konkret darauf ankommen, was die Sondierungen ergeben, also inhaltlich. Geht es mit der Union? Können wir beginnen, Koalitionsverhandlungen zu unternehmen, oder wird die Union von sich aus sagen: Nein, wir sind den Grünen eigentlich näher, und wir probieren es mit den Grünen?
Stucke: Den Grünen ist die Union ja aber eigenen Aussagen zufolge nicht näher. Also hat die Union doch ein großes Interesse an einer Koalition mit der SPD. Herr Schäfer, ich würde gern da noch mal auf die Rolle von Hannelore Kraft schauen, NRW-Ministerpräsidentin, Landeschefin der SPD also. Man könnte so ein bisschen den Eindruck bekommen, ihr ist Opposition im Bund lieber, deshalb hat sie kein Interesse an einer großen Koalition, weil sie dann im Land und im Bundesrat, Sie haben es erwähnt, weiter an der Zukunft der SPD bauen kann.
Schäfer: Also, Hannelore Kraft ist Mitglied der Sondierungskommission, Hannelore Kraft hat eine ganz wichtige Rolle auch als stellvertretende SPD-Vorsitzende und Koordinatorin der sozialdemokratisch geführten Länder im Bundesrat. Und sie ist dort sehr eingebunden, sie bringt sich dort auch ein, und das ist richtig so im Interesse unseres Landes. Und auch Hannelore Kraft hat eine ganz klare Ausrichtung, die heißt: Wie kriegen wir sozialdemokratische Positionen umgesetzt, und wie ist dieses auch gut für unser Land, für NRW, zu gestalten. Und dann wird man konkret beurteilen: Gelingt das eher in der Regierung mit der Union oder gelingt das eher nicht? Das ist kein Dogma, was irgendwie in die eine oder die andere Richtung festgelegt ist, wir machen das auf keinen Fall oder wir machen das auf jeden Fall.
" "Auf keinen Fall schon jetzt auf Zeitpläne so konkret festlegen ""
Stucke: Womit rechnen Sie denn beim Parteikonvent und dann bei der Mitgliederbefragung? Werden die 50 Prozent in Nordrhein-Westfalen noch umgestimmt werden?
Schäfer: Das Ganze, was wir erleben, ist ja ein Prozess. Es ist ja auch eine neue Erfahrung, die wir jetzt machen nach dieser nicht erfolgreichen Bundestagswahl. Und in diesem Prozess kann jedes der fast 500.000 SPD-Mitglieder sich einbringen. Und Prozesse haben es ja nun mal so an sich, dass sie ergebnisoffen sind. Und dann wird man darüber diskutieren, ob eine - falls es zu Verhandlungen mit der Union kommt -, ob eine große Koalition für die SPD, auch für die Erwartungen unserer Wählerinnen und Wähler, ob die vertretbar ist oder nicht. Und wir gehen ja immer in solche Prozesse rein, die heißen "Ins Gelingen verliebt" und nicht "Mit dem Scheitern rechnen", also werden wir diesen Prozess positiv gestalten.
Stucke: Wolfgang Schäuble hat gesagt, noch vier Wochen ungefähr, dann haben wir eine neue Regierung. Sehen Sie das ähnlich?
Schäfer: Ich würde mich auf keinen Fall schon jetzt auf Zeitpläne so konkret festlegen. Wir haben sehr unterschiedliche Erfahrungen mit Regierungsbildung in Deutschland seit 1949, und es hat sich beim letzten Mal ja gezeigt, bei Schwarz-Gelb, das ging ganz schnell, das ging aber auch holterdiepolter. Und dann wurden Dinge nicht richtig festgelegt. Es kommt bei den Verhandlungen immer auf Gründlichkeit an, deshalb ist Schnelligkeit vielleicht vom journalistischen Interesse immer besonders spannend, aber das wird uns nicht leiten, besonders schnell, sondern es wird uns leiten, besonders gut zu sein.
Stucke: Sagt Axel Schäfer, Vorsitzender der NRW-Landesgruppe der Sozialdemokraten im Bundestag. Herr Schäfer, ich danke Ihnen und wünsche einen schönen Tag!
Schäfer: Ja, ich kümmere mich jetzt wieder um meinen Enkel. Vielen Dank!
Stucke: Das ist gut, machen Sie das!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Axel Schäfer: Guten Morgen nach Berlin!
Stucke: Die SPD-Basis in NRW ist eher gegen Schwarz-Rot, Sie haben selber auch gesagt, sie seien gegen eine große Koalition. Warum kommt dieses Nein aus Nordrhein-Westfalen?
Schäfer: Also wir haben immer gesagt, dass am Ende des Sondierungsprozesses mit der Union es einen Konsens der SPD geben wird, da ist die Basis ja auch sehr gut vertreten, und dann werden am Ende von Verhandlungen die Mitglieder entscheiden. So gesehen, ist die Frage doch offener, als man glaubt.
Stucke: Aber im Moment sagen Sie alle noch: Uns ist das nicht so lieb!
Schäfer: Also das mit dem "alle" ist ja sehr relativ. Ich hab in der letzten Woche in meiner eigenen Basisgliederung hier in Bochum-Querenburg das 'mal diskutiert, und da war die Situation fast halbe-halbe. Die eine Hälfte sagte: Es ist besser, wir haben in der großen Koalition Einfluss. Und die andere Hälfte sagte: Nein, wir bleiben in der Opposition, ansonsten werden wir zu sehr unkenntlich von dem, was wir an Zielen haben.
" "Es wird konkret darauf ankommen, was die Sondierungen ergeben""
Stucke: Also unkenntlich an dem, was Sie an Zielen haben, ist ein Grund für die Hälfte, die jetzt noch sagt, große Koalition, das ist für uns nichts - was bräuchte es denn in den Sondierungsgesprächen, um diese Hälfte zu überzeugen, dass eine große Koalition vielleicht doch nicht so schlecht ist?
Schäfer: Also zum einen geht es um die Inhalte. Es geht darum - eine Sekunde, ich muss gerade meinem Enkel sagen - Paul, warte, einen Moment mal bitte - ja ...
Stucke: Ihr Enkel sondiert mit!
Schäfer: Der Enkel sondiert mit! Ja, es geht um die inhaltlichen Dinge, die wir gemeinsam bewältigen wollen und auch gemeinsam bewältigen müssen. Da ist eine ganz große Frage sicherlich die Finanzbeziehungen des Bundes und der Länder, die wir in dieser Legislaturperiode angehen müssen. Es geht natürlich auch um Geld, Stichwort "Infrastrukturbildung", Situation der Gemeinden, und natürlich um das ganz große sozialdemokratische Thema soziale Gerechtigkeit, und da ist Mindestlohn sicherlich ein ganz wichtiger Punkt.
Stucke: Interessant dürfte für die SPD in Nordrhein-Westfalen ja auch die Frage sein: Wie geht es weiter mit der Energiewende? Wie wird die Energiewende gestaltet? Da hat ein Industrieland wie Nordrhein-Westfalen ja ein großes Interesse, dass es da vorwärts geht. Wäre es da für die SPD in Nordrhein-Westfalen nicht auch besser, wir wollen mitreden und mitregieren, als das Ganze so wie in der vergangenen Legislaturperiode nur beäugen und kritisieren zu können?
Schäfer: Also, wir haben ja schon in der vergangenen Legislaturperiode bei der Frage "Endlagersuche" schon Fortschritte erzielt. Auf der anderen Seite sind wir im Bundesrat sehr stark, wir sind dort die prägende Kraft als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten. Aber es wird konkret darauf ankommen, was die Sondierungen ergeben, also inhaltlich. Geht es mit der Union? Können wir beginnen, Koalitionsverhandlungen zu unternehmen, oder wird die Union von sich aus sagen: Nein, wir sind den Grünen eigentlich näher, und wir probieren es mit den Grünen?
Stucke: Den Grünen ist die Union ja aber eigenen Aussagen zufolge nicht näher. Also hat die Union doch ein großes Interesse an einer Koalition mit der SPD. Herr Schäfer, ich würde gern da noch mal auf die Rolle von Hannelore Kraft schauen, NRW-Ministerpräsidentin, Landeschefin der SPD also. Man könnte so ein bisschen den Eindruck bekommen, ihr ist Opposition im Bund lieber, deshalb hat sie kein Interesse an einer großen Koalition, weil sie dann im Land und im Bundesrat, Sie haben es erwähnt, weiter an der Zukunft der SPD bauen kann.
Schäfer: Also, Hannelore Kraft ist Mitglied der Sondierungskommission, Hannelore Kraft hat eine ganz wichtige Rolle auch als stellvertretende SPD-Vorsitzende und Koordinatorin der sozialdemokratisch geführten Länder im Bundesrat. Und sie ist dort sehr eingebunden, sie bringt sich dort auch ein, und das ist richtig so im Interesse unseres Landes. Und auch Hannelore Kraft hat eine ganz klare Ausrichtung, die heißt: Wie kriegen wir sozialdemokratische Positionen umgesetzt, und wie ist dieses auch gut für unser Land, für NRW, zu gestalten. Und dann wird man konkret beurteilen: Gelingt das eher in der Regierung mit der Union oder gelingt das eher nicht? Das ist kein Dogma, was irgendwie in die eine oder die andere Richtung festgelegt ist, wir machen das auf keinen Fall oder wir machen das auf jeden Fall.
" "Auf keinen Fall schon jetzt auf Zeitpläne so konkret festlegen ""
Stucke: Womit rechnen Sie denn beim Parteikonvent und dann bei der Mitgliederbefragung? Werden die 50 Prozent in Nordrhein-Westfalen noch umgestimmt werden?
Schäfer: Das Ganze, was wir erleben, ist ja ein Prozess. Es ist ja auch eine neue Erfahrung, die wir jetzt machen nach dieser nicht erfolgreichen Bundestagswahl. Und in diesem Prozess kann jedes der fast 500.000 SPD-Mitglieder sich einbringen. Und Prozesse haben es ja nun mal so an sich, dass sie ergebnisoffen sind. Und dann wird man darüber diskutieren, ob eine - falls es zu Verhandlungen mit der Union kommt -, ob eine große Koalition für die SPD, auch für die Erwartungen unserer Wählerinnen und Wähler, ob die vertretbar ist oder nicht. Und wir gehen ja immer in solche Prozesse rein, die heißen "Ins Gelingen verliebt" und nicht "Mit dem Scheitern rechnen", also werden wir diesen Prozess positiv gestalten.
Stucke: Wolfgang Schäuble hat gesagt, noch vier Wochen ungefähr, dann haben wir eine neue Regierung. Sehen Sie das ähnlich?
Schäfer: Ich würde mich auf keinen Fall schon jetzt auf Zeitpläne so konkret festlegen. Wir haben sehr unterschiedliche Erfahrungen mit Regierungsbildung in Deutschland seit 1949, und es hat sich beim letzten Mal ja gezeigt, bei Schwarz-Gelb, das ging ganz schnell, das ging aber auch holterdiepolter. Und dann wurden Dinge nicht richtig festgelegt. Es kommt bei den Verhandlungen immer auf Gründlichkeit an, deshalb ist Schnelligkeit vielleicht vom journalistischen Interesse immer besonders spannend, aber das wird uns nicht leiten, besonders schnell, sondern es wird uns leiten, besonders gut zu sein.
Stucke: Sagt Axel Schäfer, Vorsitzender der NRW-Landesgruppe der Sozialdemokraten im Bundestag. Herr Schäfer, ich danke Ihnen und wünsche einen schönen Tag!
Schäfer: Ja, ich kümmere mich jetzt wieder um meinen Enkel. Vielen Dank!
Stucke: Das ist gut, machen Sie das!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.