Poroschenko ein Auslaufmodell?
Der Präsident der Ukraine hat Mühe, seine politischen Verbündeten bei der Stange zu halten. Die ukrainischen Regionalwahlen im Oktober gelten als Test für Petro Poroschenkos bröckelnde Regierungskoalition.
Als einigermaßen haltbar erweist sich der Waffenstillstand im Osten, was den ukrainischen Präsidenten zu vorsichtigem Optimismus verleitet. Fast anderthalb Millionen Menschen sind innerhalb der Ukraine auf der Flucht. Man werde Europa - derzeit jedenfalls - mit Flüchtlingen keine Probleme bereiten. Die nachlassenden Kämpfe nähren die Hoffnung, dass Moskau den Krieg in der Ostukraine nur noch auf Sparflamme lodern lässt, um für die Unterstützung des Präsidenten Assad in Syrien Kräfte freizubekommen.
Maxim Korotschenko aus Lugansk allerdings bleibt misstrauisch. Der Unternehmer hat seine Firma stehen- und liegenlassen und sich vor anderthalb Jahren dem Freiwilligenbataillon Donbass angeschlossen, das bei Mariupol stationiert ist:
"Ich weiß nicht, was in Putins Kopf vor sich geht. Aber dass er Mariupol immer noch will, davon muss man ausgehen, und wenn es nur häppchenweise ist, er braucht den Durchgang zur Krim."
Für die Heimat, nicht für Proschenko
Der 36-jährige ehemalige Berufsoffizier trägt seit anderthalb Jahren wieder Uniform, für die Heimat, nicht für den Präsidenten Poroschenko in Kiew, wie er betont:
"Ich bin überhaupt nicht zufrieden, mir gefällt nicht, dass er lügt. Er schwindelt unsere Verluste runter. Und das, obwohl es Videobeweise gibt. 117 Männer sind in unserem Bataillon bereits gefallen, 117 von 490, fast ein Drittel. Poroschenko soll uns Waffen geben, nicht erniedrigen. Unsere sogenannten Diplomaten sollten sich beim Volk entschuldigen und ihre Ämter niederlegen. Poroschenko eingeschlossen. Sie sind nicht in der Lage, die Probleme des Landes zu lösen."
Auch politisch hat Poroschenko Mühe, die Verbündeten bei der Stange zu halten. Treu bis zur Selbstaufgabe steht ihm nur Vitali Klitschko zur Seite, der seine Partei "Udar" mit Poroschenkos Partei "Solidarität" vereinigt hat. Die Regierungskoalition dagegen bröckelt. Nach dem Ausstieg der "Radikale Partei" um den Populisten Oleg Ljaschko denken auch die Partei "Vaterland" von Julia Timoschenko laut darüber nach und die Partei "Selbsthilfe", eine liberale Kraft um den Lemberger Bürgermeister Andrej Sadovy. "Selbsthilfe" hat die Verfassungsänderung über den Sonderstatus des Donbass abgelehnt, obwohl mehr Eigenständigkeit für die Regionen eigentlich ihre Kernforderung ist.
Dass die erste Lesung vor gut zwei Wochen in einer Katastrophe mit drei Toten und dutzenden Verletzten endete, sei keineswegs die Schuld des Präsidenten, findet die Abgeordnete Hanna Hopko von der "Selbsthilfe"-Partei. Sie stimmte für die Verfassungsreform und flog mit vier weiteren Kollegen deswegen aus ihrer Fraktion. Hanna Hopko drängt auf Reformen:
"Die Ukrainer und die Welt warten auf Resultate. Vorzeigbare. Jeder Politiker sollte jetzt nicht nur an die kommenden Kommunalwahlen denken, sondern an unsere Zukunft. Die Steuerreform muss Investoren anlocken, Steuern senken, mehr Transparenz schaffen. Der Kampf gegen die Korruption, die Justizreform, Polizeireform, all das sind nötige Schritte, um voranzukommen."
Brüchiger Waffenstillstand, unsichere Verfassungsänderung
Ein immer noch brüchiger Waffenstillstand, eine Verfassungsänderung, die in den Sternen steht, eine zerbröselnde Regierungskoalition – ist Poroschenko also ein Auslaufmodell? Nicht unbedingt, sagt der Leiter der deutsch-ukrainischen Beratergruppe Ricardo Guicci. Die ukrainische Wirtschaft sei nicht mehr im freien Fall, Reformen kämen voran:
"Die Bankenaufsicht ist jetzt modern. Wenn der Eigentümer nicht bereit ist, Kapital nachzuschießen, wird die Bank geschlossen. Das ist wichtig für das Vertrauen in das Bankensystem. Ein weiterer Bereich ist der Energiebereich. Hier sind wichtige Tarife angepasst worden und man hat es geschafft, über den Westen, das man nicht zu 100 Prozent von Moskau abhängig ist."
Anfang Oktober werden Kanzlerin Angela Merkel, die Präsidenten Frankreichs, Russlands und der Ukraine über eine politische Lösung des Konflikts und damit auch über Wahlen im besetzten Donbass beraten, die die Separatisten für den 18. November angesetzt haben. Ginge es nach Maxim Korotschenko aus dem Freiwilligenbataillon wäre dieser Urnengang kein Thema:
"Wie soll das gehen? Diese Leute sollen wir anerkennen? Nie im Leben. Mit denen setze ich mich an keinen Tisch. Das sind Feinde, sonst nichts."
Die Regionalwahlen im Rest des Landes am 25. Oktober werden zum Test für Präsident Poroschenko, dem er wohl mit Bangen entgegensieht.