Koalitionsverhandlungen

"Besser gestalten als in die Opposition gehen"

Florian Pronold im Gespräch mit Ute Welty |
Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Florian Pronold setzt darauf, dass die SPD-Basis die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen mittragen wird. Es werde sich zeigen, was die SPD konkret durchsetzen könne und ob das Leben der Menschen dadurch besser werde.
Ute Welty: Parteitage in Zeiten der Koalitionsverhandlungen – das ist nicht immer unbedingt Liebe in Zeiten der Cholera: Die SPD hat das bereits schmerzhaft erfahren müssen, die CSU schaut ab heute in München nach dem und den Rechten, und das Gesamtgefüge ist fragil. Die strittigen Punkte auf dem Weg zur großen Koalition sind bisher sorgfältig ausgespart worden, jedes falsche Wort, so der Eindruck, könnte den Weg hin zur Einigung gefährden oder sogar unmöglich machen. Ob also von den bayrischen Christsozialen Störfeuer zu erwarten ist, das fragen wir am besten einen bayrischen Sozialdemokraten, nämlich Fraktionsvize Florian Pronold. Guten Morgen – trotz der Erkältung, von der wir gleich hören werden!
Florian Pronold: Guten Morgen!
Welty: CSU-Chef Horst Seehofer ist ja immer für eine Überraschung gut. Worauf stellen Sie sich ein im Vorfeld dieses Wochenendes?
Pronold: Na, ich glaube, es geht nicht darum, dass man sich da auf das einstellt, was am Mikrofon gesagt wird, sondern dass man in den Verhandlungsrunden, die jetzt noch vor uns liegen, dann weiterkommt. Es ist ja nicht nur so, dass man immer unüberbrückbare Punkte hat. Gerade in meiner Arbeitsgruppe zum Beispiel, „Bauen, Mieten, Wohnen, Verkehr“, haben wir zum Beispiel auch mit dem Herrn Ramsauer, der auch der CSU angehört, doch 95 Prozent im Konsens gemacht und auch ganz gute Ergebnisse hingekriegt: Mietpreisbremse, Maklergebühren werden nicht mehr vom Mieter bezahlt, Erhöhung der Städtebauförderung – also da ging es eigentlich ganz gut, anders als in anderen Themen.
Welty: Wie haben Sie Seehofer zuletzt erlebt, bis er gestern dann auch in den Koalitionsverhandlungen? Sie sitzen ja gemeinsam in der großen Runde mit sage und schreibe 75 Teilnehmern, die ein wenig an Volkskongresse in weniger demokratischen Ländern erinnert.
Pronold: Na, das passt ja dann zur CSU, oder?
Welty: Den Witz haben Sie jetzt gemacht!
Pronold: Ja, ich hoffe, er wird mir verziehen.
Welty: Welchen Eindruck haben Sie denn von ihm?
Pronold: Na ja, also es ist ein vernünftiges Umgehen miteinander, auch in der großen Koalitionsrunde, da, glaube ich, wird mehr an der Sache orientiert gesprochen, als das heute und morgen auf dem Parteitag der CSU sein wird.
Entscheidende Schlacht wird in Arbeitsgruppen geschlagen
Welty: Was kann man denn in einer solch großen Koalitionsrunde überhaupt erreichen? Denn die soll ja kommenden Montag und Dienstag die Liste der Streitthemen mit angeblich noch 110 Punkten ausräumen.
Pronold: Also die entscheidende Schlacht wird, glaube ich, erst geschlagen in den Arbeitsgruppen. Da sind jetzt in vielen Arbeitsgruppen eine ganze Menge Themen offengeblieben. Dann wird es so sein, dass vielleicht doch in kleinerer Runde es einfacher ist – das zeigt ja die Lebenserfahrung des Menschen, dass man mit 75, sagen wir mal, nicht ganz so qualifiziert Diskussionen führen kann wie vielleicht mit 10 oder 15 Leuten. Und deswegen glaube ich, dass ein ganzer Teil der Themen erst einmal vorab gelöst wird in kleineren Runden, und wir uns am Dienstag dann in der großen Runde tatsächlich nur noch mit den letzten großen Streitpunkten beschäftigen werden.
Welty: Die da wären?
Pronold: Na ja, das Gefährliche an Prognosen, hat Karl Valentin mal gesagt, ist, dass sie auf die Zukunft gerichtet sind. Also ich glaube, dass wir einige Punkte haben werden, die sind ja jetzt erkennbar: Was passiert beim Thema Rente, die Frage des Mindestlohns in der konkreten Ausgestaltung, doppelte Staatsbürgerschaft, wie wird Infrastrukturfinanzierung gemacht, mit welcher Form von Maut? Ich glaube, dass das Themen sein werden, die also auch bis zum Dienstag noch ein Stück weit strittig bleiben.
Welty: Sie selbst sind jetzt in München unterwegs, in Sachen bayrischer SPD-Landesverband, zum Beispiel auch bei den bayrischen Sparkassen. Wie ist deren Sicht auf das, was da jetzt gerade in der Bundeshauptstadt verhandelt wird?
Alle versuchen, noch Einfluss zu nehmen
Pronold: Nun, es ist so, dass in der Phase – jetzt unabhängig davon, welche Organisation –alle versuchen, noch Einfluss zu nehmen auf die Ergebnisse, die als Lobby in irgendeiner Form tätig sind, und es gibt ganz unterschiedliche Punkte, die dort versucht werden, jetzt noch zu verändern. Wie das bei den bayrischen Sparkassen ist, da müssen Sie mir das sagen, was da das Anliegen ist, dann kann ich Ihnen was dazu sagen.
Welty: Was leiten Sie daraus ab für die Mitgliederbefragung in der SPD, die ja über einen Koalitionsvertrag entscheidet?
Pronold: Also die Stimmung an der SPD-Basis, das kann ich im Übrigen auch nachvollziehen, ist nicht auf große Koalition gerichtet. Wir haben alle einen Wahlkampf gemacht, um Merkel abzulösen. Es geht aber jetzt bald in eine andere Phase, nämlich, man wird sehen: Was kann die SPD konkret durchsetzen? Wird das Leben der Menschen dadurch besser? Gibt es eine Mietpreisbremse? Gibt es eine Regelung, die sagt: Wer 45 Jahre die Knochen hingehalten hat, kann abschlagsfrei in Rente gehen? Gibt es eine doppelte Staatsbürgerschaft? Gibt es einen gesetzlichen Mindestlohn?
Wenn das da drin steht, dann wird sich eine Debatte verändern, und dann werden wir gut zwei Wochen Zeit haben, auch die Mitglieder der SPD davon zu überzeugen, dass es besser ist, zu gestalten, als in die Opposition zu gehen. Die bayrische Erfahrung zumindest ist nämlich, dass man sich in der Opposition nicht automatisch regeneriert und stärker wird und wieder an die Macht kommt.
Welty: Wie gesagt, wir befinden uns im Vorfeld des CSU-Parteitages. Wie sehr hängt Ihnen noch der eigene Parteitag in Leipzig nach? Auch Sie sind ja erst im zweiten Wahlgang in den Bundesvorstand gewählt worden.
Charakter des Bundesparteitags ein anderer als sonst
Pronold: Nun, der Bundesparteitag der SPD war tatsächlich davon geprägt, dass wir keine konkreten Ergebnisse eben vorgeben konnten und darüber diskutieren konnten, weil wir uns mitten in Koalitionsverhandlungen befinden, und der Parteitag war deswegen etwas Besonderes, weil er, ja, vor einem Mitgliederentscheid war. Und die Mitglieder werden das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in einer großen Volkspartei wie der SPD das letzte Wort haben.
Und deswegen war der Charakter des Bundesparteitags ein anderer als sonst, und diese Stimmung hat man gespürt. Im Übrigen ist es nicht selten bei Beisitzerwahlen, in den zweiten Wahlgang zu kommen. Ich glaube, bei den vier oder fünf Mal, wo ich dort gewählt worden bin, bin ich nur einmal im ersten Wahlgang gewählt worden, also insofern war es ein Amt mit Wahltradition.
Welty: Sagt Florian Pronold von der SPD hier in Deutschlandradio Kultur. Danke für das Gespräch und ich wünsche gute Besserung!
Pronold: Ich bedanke mich und wünsche Ihnen einen wunderschönen Tag!
Welty: Danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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