Wirtschaft übt Druck auf künftige Regierung aus
Flexibel muss der Arbeitsmarkt bleiben, bloß keine Regulierung - und den Mindestlohn bitte auch nicht: Die Arbeitgeber versuchen, Einfluss auf die Koalitionsgespräche zu nehmen.
"Eigentlich könnte es mal losgehen", sagte Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) am Dienstagmorgen in Berlin. Hier hatten sich die Arbeitsgruppen von Union und SPD zusammen gefunden, um weiter über die Ausgestaltung eines möglichen Koalitionsvertrags zu beraten. "Wir sind in allen Fragen einig", behauptete de Maizière.
Mit dem Weg, den die künftige Koalition einschlägt, ist die Wirtschaft aber nicht besonders zufrieden. Bundeskanzlerin Merkel warb bereits am Montagabend vor den Arbeitgebern für eine strengere Regulierung des Arbeitsmarktes. Die Flexibilisierung sei oft missbraucht worden, sagte sie.
Darauf erwiderte der neue Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer im Rahmen seiner Rede auf dem Arbeitgebertag, der ebenfalls am Dienstag in Berlin stattfindet, dass es in der Tat "einzelne Fälle dieser Art" gegeben habe. Dies sei nicht in Ordnung. Neue gesetzliche Regelungen lehnte er aber trotzdem ab, hier seien nun die Gerichte am Zug.
Union und SPD gefährdeten die Vollbeschäftigung
Auch mit dem sozialpolitischen Kurs von Union und SPD ist der Arbeitgeberverband nicht zufrieden. Dieser Kurs gefährde die angestrebte Vollbeschäftigung, befürchtete Kramer. Steuer- und Beitragserhöhungen dürfe es nicht geben.
Ein besonderer Dorn im Auge der Arbeitgeber ist der Mindestlohn. "Wer 8,50 Euro für alle verspricht, sollte ehrlich sagen, dass Beschäftigungssicherung auf dem heutigen Niveau oder gar Vollbeschäftigung damit nicht zu erreichen ist", sagte Präsident Kramer. Ein Langzeitarbeitsloser werde in vielen Branchen und Regionen "für staatlich verordnete 8,50 Euro" kaum einen Einstieg in Arbeit finden.
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hingegen spricht sich für einen gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland aus. "Wir meinen, dass ein allgemein verbindlicher Mindestlohn besser ist als das jetzige Verfahren", sagte der Deutschland-Experte der OECD, Andres Fuentes, am Dienstag. Derzeit gibt es nur Branchenmindestlöhne. Die Organisation will aber keine Empfehlung zur Höhe des Mindestlohnes abgeben, er müsse stattdessen von einer von der Politik unabhängigen Kommission so festgelegt werden, dass es nicht zum Stellenabbau komme.
Union will die private Krankenversicherung erhalten
Ein weiterer Streitpunkt zwischen Union und SPD ist die Finanzierung der Krankenkassen: Immer mehr Alte, die versorgt werden müssen, immer weniger Einzahler. Die Union sperrt sich gegen die Abschaffung der privaten Krankenversicherung als Vollversicherung, was aber nötig wäre, wenn die Krankenversicherung künftig eine Bürgerversicherung wäre, die alle Deutschen gleichermaßen versichert.
Darüber hinaus forderte der Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes am Morgen im Deutschlandradio Kultur, dass bei der Diskussion über die Finanzierung der Gesundheitsversorgung nicht deren Qualität in den Hintergrund geraten dürfe.
An anderer Stelle kommen sich künftigen Koalitionäre aber näher: Im Bereich der Mieten. Eine Mietpreisbremse bei Neuvermietungen, Kappungsgrenzen für die Erhöhung der Altmieten, genaue Berechnung der Mietflächen: Hier sind sie sich einig. Das findet auch beim Deutschen Mieterbund Zustimmung, dort hatte es diese Forderungen schon länger gegeben. Lob gibt es auch für Idee, die Maklerregel zu reformnieren: Wer bestellt, der zahlt. Allerdings geht dem Verband die Vereinbarung zur Mietpreisbremse nicht weit genug, denn die soll nur für angespannte Lagen eingeführt werden.
"Wir wünschen uns eine bundeseinheitliche Regelung"
, sagte Präsident Franz-Georg Rips im Deutschlandradio Kultur.