Kobalt aus dem Kongo

Kleinbergbau als Chance?

27:24 Minuten
Ein Arbeiter beim Einstieg in ein kleines Loch einer Kupfer- und Kobaltmine in Kawama, Demokratische Republik Kongo.
Rund zehn Prozent des geförderten Kobalts kommt aus dem sogenannten handwerklichen Kleinbergbau. Das bedeutet: Menschen graben mit Spitzhacken selbst Löcher. © Getty Images / The Washington Post / Michael Robinson Chavez
Von Simone Schlindwein |
Audio herunterladen
Es ist in fast jeder Batterie und in fast jedem Akku enthalten: Kobalt, ein seltenes Metall. Die größten Minen weltweit hat die Demokratische Republik Kongo. Immer wieder sind diese alledings wegen der schlechten Arbeitsbedingungen in der Kritik.
In der Demokratische Republik Kongo, mitten im Herzen Afrikas, liegen über 90 Prozent der weltweit zugänglichen Kobalt-Vorkommen. Genauer gesagt im Südosten des Landes, in der Provinz Katanga mit ihrer Hauptstadt Lubumbashi. Sie ist nach der Hauptstadt Kinshasa die zweitgrößte und infrastrukturelll am meisten entwickelte Stadt, denn hier wird schon seit Jahrhunderten Bergbau betrieben.
Ein belebter Fußballplatz mit spielenden Kindern in Lubumbashi, Kongo. Im Hintergrund ist eine große Mine zu sehen. Lubumbashi ist die Bergbauhauptstadt der Demokratischen Republik Kongo und fungiert als Drehscheibe für viele der größten Bergbauunternehmen des Landes.
Lubumbashi ist die Bergbauhauptstadt der Demokratischen Republik Kongo und fungiert als Drehscheibe für viele der größten Bergbauunternehmen des Landes.© Getty Images / Franco Origlia
In den Erdschichten dieser Region liegen vor allem gigantische Kupfervorkommen sowie Uran, dazwischen liegt auch Kobalt. Meist wird von den Bergbaufirmen alles gleichzeitig gefördert. Es gibt aus Kolonialzeiten noch eine, einst staatliche Bergbaufirma, Gecamines. Die meisten großen Minengesellschaften sind heute allerdings ausländische Unternehmen, so Marina Demidova, Sprecherin des Kobalt-Institutes, einem Verband der Minenunternehmen.
„Wir sehen im industriellen Bergbau einen wesentlichen Beitrag zur sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung des Landes, vor allem in der Bergbauregion. Die Minenunternehmen sind die größten Steuerzahler und tragen damit einen signifikanten Beitrag zum Staatshaushalt der kongolesischen Regierung bei. Die Einnahmen aus dem industriellen Bergbau und deren Steuern, die an den Staat abgeführt werden, kommen in Form von Investitionen in die regionale Infrastrukturentwicklung, den Menschen zugute.“

Lieferketten sollen transparenter werden

Das größte im Kongo tätige Unternehmen ist Glencore – ein Aktienkonzern mit Sitz in der Schweiz, der bei der Veröffentlichung der Panama-Papers wegen Schmiergeldzahlungen an Kongos Expräsidenten Joseph Kabila in Verruf geraten war. Der Konzern gehört zu den größten Firmen weltweit und zählt auch zu den größten Verursachern von Treibhausgasen. Im Kongo haben sie zwei Minen, es sind die größten Tagebaugruben Afrikas, darin arbeiten über 15.000 Menschen.
Ein Minenarbeiter mit einer Stirnlampe auf dem Kopf beim Einstieg in eine Kupfer- und Kobaltmine in Kawama / Kongo.
In den Erdschichten der Region um Lubumbashi liegen gigantische Kupfervorkommen sowie Uran, dazwischen liegt auch Kobalt. Meist wird von den Bergbaufirmen alles gleichzeitig gefördert.© Getty Images / The Washington Post / Michael Robinson Chavez
Anne Marie Fleury von Glencore erklärt den Produktionsprozess: "Wir befinden wir uns am vorgelagerten Ende der Lieferkette. Im Erdinneren gibt es Erzvorkommen, die Kobalt und Kupfer enthalten. An die Erzvorkommen gelangen wir über den Tagebau darauf zu. Wir sprengen, wir graben das Erz aus, zerkleinern und verarbeiten es und transportieren es mit Lastwagen, mit Förderbändern, mit Rohren. Das alles geschieht noch innerhalb unserer Sicherheitsbereichs. Und am Ende der Verarbeitung haben wir ein feines Pulver, Kobalthydroxid. Dieses füllen wir in große Industriesäcke ab, die wir verschließen und mit QR-Codes versehen. Wir laden diese Säcke auf Lastwagen und versiegeln sie. Dann transportieren wir das Material zu den Häfen, über welche es an unseren Kunden gelangt.“
Ein Großteil der verarbeitenden Industrie sitzt in Asien. Dort werden die Batterien hergestellt. Das Problem: Kobalt aus dem Kongo hat einen schlechten Ruf. Der Grund: Kongos Rohstoffe sind als „Blutmineralien“ verschrien, vor allem die Erze Coltan und Cassiterit sowie Gold. Ihnen hängt das Image an, dass Milizen mit diesen Mineralien handeln und von dem Geld Waffen kaufen.

Abonnieren Sie unseren Denkfabrik-Newsletter!

Hör- und Leseempfehlungen zu unserem Jahresthema „Es könnte so schön sein… Wie gestalten wir Zukunft?“. Monatlich direkt in Ihr E-Mail-Postfach.

Vielen Dank für Ihre Anmeldung!

Wir haben Ihnen eine E-Mail mit einem Bestätigungslink zugeschickt.

Falls Sie keine Bestätigungs-Mail für Ihre Registrierung in Ihrem Posteingang sehen, prüfen Sie bitte Ihren Spam-Ordner.

Willkommen zurück!

Sie sind bereits zu diesem Newsletter angemeldet.

Bitte überprüfen Sie Ihre E-Mail Adresse.
Bitte akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung.
Deswegen haben immer mehr Länder Gesetze erlassen, die die Unternehmen dazu verpflichten, die Einhaltung von Menschenrechtsstandards in ihren Lieferketten zu garantieren. In Deutschland wurde 2021 zum Beispiel das sogenannte Lieferkettengesetz verabschiedet. All dies hat dem Kobalt-Sektor enorm geschadet. Zu Unrecht, so Michael Kavanagh, langjähriger Kongo-Korrespondent für die Nachrichtenagentur Bloomberg und Experte für dessen komplexen Minensektor.
„Kongos Kobalt befindet sich fast ausschließlich im Südosten des Kongo, und dort gibt es nicht viele Konflikte. Es gibt also auch nicht die gleiche Verbindung zu Konflikten, wie wir sie im Ostkongo haben. Die Minenunternehmen haben also nicht die gleichen Anforderungen, auf dem Weltmarkt nachzuweisen, dass die Mineralien nicht die Milizen finanzieren. Die Gesetze, die die EU und die USA zum Offenlegen von Lieferketten und zum Nachweis der Herkunft der Mineralien verabschiedet haben unterscheiden sich. Für Coltan und Cassiterit muss quasi die Herkunftsmine gesetzlich nachgewiesen werden. Es gibt bei der Förderung von Kobalt lediglich Empfehlungen dazu, die von den Vereinten Nationen erlassen wurden, eher eine freiwillige Verpflichtung statt ein Gesetz.“

Die Arbeitsbedingungen sind schlecht

Ein großes Problem sind aber nach wie vor die Arbeitsbedingungen in vielen Bergbaufirmen. Vor allem chinesische Unternehmen investieren nur ungern in Sicherheitsausrüstung für Minenarbeiter oder deren Versorgung mit einem anständigen Mittagessen. Das sei absolut keine Selbstverständlichkeit, klagt der kongolesische Menschenrechtsanwalt Jean Pierre Okenda. Er arbeitet als Berater für verschiedene NGOs und Gewerkschaften in der Frage, wie man im Kobaltsektor die Situation für die Arbeiter verbessern kann.
Ein Mann klettert über dunkle, steinige Hänge einer Kupfer- und Kobaltmine in Kawama.
Kobalt wird in Batterien für Elektroautos und Handys verwendet. Die Arbeitsbedingungen sind gefährlich, oft gibt es keine Sicherheitsausrüstung oder strukturelle Unterstützung für die Stollen.© Getty Images / The Washington Post / Michael Robinson Chavez
„Die Tatsache, dass der Sektor von chinesischen Firmen dominiert wird, verursacht viele Probleme. Die Gehälter der Minenarbeiter sind absolut nicht angemessen. Die meisten chinesischen Unternehmen lassen kein gewerkschaftliches Engagement zu, um bessere Arbeitsbedingungen einzufordern, denn diese sind sehr, sehr schlecht. Und die Firmen zerstören die Umwelt durch verschiedene Säuren, die sie anwenden. Damit schaden sie nicht nur den einzelnen Arbeitern, sondern ganzen umliegenden Gemeinden. Auch das ist menschenrechtlich relevant, weil diese Säuren die Gewässer und Böden im Umfeld kontaminieren.“

Eigentlich illegal: der Kleinbergbau

Rund zehn Prozent des geförderten Kobalts kommt aus dem sogenannten handwerklichen Kleinbergbau. Das bedeutet: Menschen graben mit Spitzhacken selbst Löcher. In einigen Gegenden haben Bauern beim Umgraben auf ihrem Gemüseacker Kobalt ausgehoben. Einige arbeitslose Kongolesen buddeln auch in alten, verlassenen Stollen von Minenfirmen und hoffen dort auf ein Einkommen. Zwar ist diese Art von Kleinbergbau im Kongo gesetzlich verboten, er wird aber trotzdem in großem Stil betrieben. Dieses Kobalt zu verkaufen, ist quasi illegal. Es kommt durch Schmuggel über korrupte Netzwerke aber dennoch auf den Weltmarkt.
Anwalt Okenda hat erst im vergangenen November entsprechende Abbau-Gebiete besucht. „Ich habe mehr als 50 Minenarbeiter befragt, um herauszufinden, was sie verdienen. Aber die haben einfach nichts: kein Bankkonto, kein Handy. Sie arbeiten jeden Tag, um zu überleben. Sie haben keine Krankenversicherung. Wenn sie krank werden, können sie ihre Kinder nicht mehr zur Schule schicken oder etwas zu Essen kaufen. Das erklärt auch, warum so viele Frauen unter diesen extrem schwierigen Bedingungen arbeiten und teilweise sogar Kinder. Also für mich ist dies tatsächlich modernes Sklaventum.“
Die deutsche Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe BGR engagiert sich - ähnlich wie andere NGOs und Institute - dafür, die Arbeitsbedingungen in den Minen zu verbessern. Laut einer eigenen Studie sind im Kongo rund eine Viertel Million Menschen in rund 50 Kobalt-Minen quasi freischaffend tätig.

Selbständigkeit fördern und absichern

David Sturmes arbeitet in der Fair Kobalt Alliance, einer Plattform mit Sitz in London, in der sich seit dem Jahr 2020 Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen zusammengefunden haben, um Reformen anzugehen.
Er erklärt die Idee: „Tatsache ist, dass der Kleinbergbau um einiges besser verdient als andere Jobs, die es in der Region gibt. Das heißt in der Praxis, dass Männer, die im Untergrund arbeiten, zwischen 600 und 1000 Dollar im Monat verdienen oft, und Frauen, die meistens mit dem Waschen von Mineralien beschäftigt sind, pro Tag zwischen fünf und 10 Dollar verdienen und damit weit über dem Existenzminimum liegen. Aber es zeigt auch, dass, wenn man die Arbeitsumstände nachhaltig verbessern kann, dass man es dadurch schafft, vor Ort wirklich Wohlstand aufzubauen. Es gibt viele Geschichten von Leuten, die im Bergbau arbeiten und ihre Kinder zur Uni schicken können. Was momentan kursiert in den Medien, dass das alles finanzielle Ausbeutung ist, das ist hier nicht der Fall.“
Deswegen setzt man nun auch in diesem Sektor an, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Elektroautohersteller sollen in Zukunft ohne Bedenken auch bei diesen Kleinbergwerksleuten einkaufen können, so die Idee. Die erste Voraussetzung dafür ist es, den Arbeiter*innen Schutzkleidung zur Verfügung zu stellen meint Sturmes.
„Frauen, die da arbeiten und Mineralien waschen, können sich jetzt Stiefel ausleihen und sich damit schützen vor den Schwermetallen, die sich im Wasser anreichern. Normalerweise bekommen sie davon Ausschläge. Sie bezahlen nun 90 Cent am Tag und am Ende von der Leasingperiode gehören denen dann die Stiefel. Das ist ein Beispiel. Darüber hinaus haben wir einen größeren Investmentplan anfertigen lassen und haben einen Plan entwickelt, wie man für ungefähr 4 bis 5 Millionen Dollar tatsächlich die Arbeitsumstände signifikant verbessern kann. Wir haben momentan diese Ressourcen nicht, das heißt, als Non-Profit sind wir damit beschäftigt, jetzt mögliche Investoren an Bord zu bringen und die davon zu überzeugen, in diese Minen zu investieren.“

Das Potenzial der Blockchain-Technologie

Die marktführenden Unternehmen wie Glencore distanzieren sich ganz offen von diesem Kleinbergwerksbau, denn sie fürchten, dass ihr gefördertes Kobalt auf dem Weltmarkt nicht abgenommen wird. Deswegen kauft Glencore laut eigenen Angaben nicht von diesen Bergwerksleuten ein, sondern verarbeitet nur das Material, das sie selbst fördern. Es ist also im Interesse der Unternehmen, ihre Lieferketten transparent zu gestalten. Ihr Ziel: den Endabnehmern, also auch den Europäern, die sich dafür interessieren, wo das Kobalt in ihren E-Bikes herkommt, garantieren zu können, dass in ihrer Produktion die Menschenrechte eingehalten wurden, so Marie Fleury von der Firma Glencore.
„Ich denke, in den letzten Jahren wurden viele interessante Technologien entwickelt, über die sich das Material deutlich effizienter verfolgen lässt und mit denen sich diese Informationen entlang der Lieferkette besser teilen lassen. In einem unserer Pilotprojekte testen wir verschiedene Blockchain-Technologie, um das Material aus der Mine bis zur effektiven Batterie nachzuverfolgen.“
In Zukunft sollen Kunden, die beispielsweise ein E-Bike kaufen, über einen QR-Code am Akku, den sogenannten Batterie-Pass aufrufen können. Hier stehen dann alle relevanten Informationen zu den Bestandteilen: vom genauen Herkunftsort - in welcher Mine im Kongo das Kobalt geschürft wurde, welche Menschenrechtsstandards dort gelten – bis hin zum CO2-Ausstoß der Mine und der Herstellung der Batterie.
Mehr zum Thema