Kocholympiade

Goldmedaillen-Hoffnung mit Aspik

Koch Thorben Grübnau aus Oldenburg nimmt in Neuruppin in der Küche des Hotel Resort Mark Brandenburg einen Topf mit schäumender Nußbutter vom Herd. Er ist Mitglied der Koch-Nationalmannschaft die regelmäßig für die Koch Olympiade trainiert, die im Herbst in Erfurt stattfindet.
Training für Olympia: Koch Thorben Grübnau erhitzt Nußbutter. © dpa / Bernd Settnik
Von Sandra Voß |
Bei der vergangenen Koch-Olympiade holte die deutsche Mannschaft Bronze. Jetzt hofft sie auf Gold. Die Konkurrenz ist groß: An dem Wettbewerb im Oktober in Erfurt nehmen 5000 Spitzenköche aus 52 Nationen teil. Sie müssen unter anderem ein Drei-Gänge-Menü für 110 Gäste kochen.
Eine weiß gekachelte Küche, fensterlos. Vielleicht zum Schutz vor möglichen Spionen aus fremden Teams. Schließlich steht viel auf dem Spiel - beziehungsweise der Kochplatte.
"Wenn du noch die Spaghetti einlegst, und wir noch die oberste Schicht, den letzten Streifen hier verändern, dann brauchst du die oberste Schicht gar nicht mehr verändern, hier die Karotten und da die Karotten, also das Orange und das Gelb."
Matthias Kleber ist Chef und Trainer, also der Jogi Löw der Köche. An seiner Seite, sein Kapitän und Co-Trainer, Tobias Laabs. Beide in Weiß - am Stehkragen ganz dezent die drei Farben: Schwarz, Rot, Gold. Sie diskutieren über ein kleines Kunstwerk. Fünf mal fünf Zentimeter groß, geleeartig, geschichtet in Orange, Rot und Fleischfarben. Ich finde es faszinierend. Der Kapitän, Tobias Laabs, will mehr.
"Wenn Du die Stücke vorher, also den Lachs ungleichmäßig schneidest und diese ungleichmäßigen Stücke dann mit der weißen Masse verbinden."
Struktur und Ordnung: Ohne geht es nicht mehr im Profi-Sport. Das gilt auch für Spitzen-Köche. Die Optik muss stimmen, die Rezepte verinnerlicht und der Geschmack genau getroffen werden. Und das Trainingslager im brandenburgischen Neuruppin soll die elf Köche in der deutschen Mannschaft auch enger zusammenbringen. Seit einem Jahr bereiten sie sich nun schon auf die Kocholympiade im Oktober in Erfurt vor.

Alles auf dem Teller soll essbar sein

"Ja, der Olympiasieg. Das ist natürlich sehr, sehr schwer. Die anderen Nationen schlafen auch nicht und haben ein gutes Programm und können gut kochen. Und da versuchen wir halt, besser zu kochen."
Um besser zu sein als die Konkurrenz, braucht es Kreationen, die so noch nie auf dem Teller zu sehen und zu schmecken gewesen sind. Der Trend in der modernen Küche: mehr sichtbarer Geschmack. Alles soll zum Essen einladen.
An einer Seite der Küche steht hochkonzentriert der Jungster im Team: Matthias Jakeit, 23 Jahre. Auf seine Position innerhalb der Mannschaft angesprochen, sagt er:
"Stürmer: Ich will ein Tor schießen."
Zunächst spießt Matthias Jakeit aber erst einmal kleine, giftgrüne Erbsen auf dünne Zahnstocher. Eine zeitaufwendige Arbeit, scheint mir. Wer olympisches Gold erkochen will, braucht offenbar Geduld und Kondition. Und vielseitig sein, müsse jeder, erklärt der Jungkoch.
"Wenn einer Hilfe braucht, muss der andere sofort hinziehen und somit muss du auf allen Positionen spielen können. Es ist ein reiner Mannschaftsport, und jeder muss flexibel einsetzbar sein."
Kochen, zumindest in der Nationalmannschaft, ist scheinbar Mannschaftsport. Einer für alle, alle für einen. Das gilt auch für Sibylle Langner, die einzige Frau im Team der deutschen Nationalmannschaft.

Vier Stunden Arbeit für eine Damenhand aus Schokolade

Sibylle Langner schneidet aus einer weißen Masse feine Federn. Allein für diese Geduld bewundere ich sie. Die Federn seien "nur" Dekoration für den Schauteller, erklärt die 23-Jährige. Ihre eigentliche Aufgabe seien die Petits Fours - kleines französisches Gebäck. Bescheiden zeigt sie mir ihr Werk. Ich kann gar nicht glauben, was ich sehe: eine grazile Hand, so winzig wie ein Daumennagel. Schlanke Finger mit rot lackierten Fingernägeln. Am Handgelenk: ein dünnes Perlenkettchen.
"Bei der Hand habe ich mir ein Hilfsmittel genommen, zum Beispiel eine Barbiepuppe. Das wird dann halt doch abgeformt. Weil: Eine so filigrane Hand zu formen, dass sie dann so filigran ist, das ist schon etwas schwierig."
Für die Bewertung später ist es wichtig, dass alles essbar ist. Deswegen kann es sein, dass die Juroren die zarte Hand anschneiden und verkosten. Ein Frevel, findet Sibylle Langner. Sie selbst würde das Werk nie essen, weiß sie doch, dass sie alleine für die Herstellung der Damenhand aus Schokolade mindestens vier Stunden braucht. Von der Idee und Entwicklung ganz zu schweigen.

Kochen ist Teamarbeit

Im Flur steht Teammitglied Mirco Ebers und fischt mit einer Gabel in einer hellen, durchsichtigen Flüssigkeit. Und wozu soll das gut sein?
"Wir machen hier aus dem Gelee, mit dem alles ummantelt wird, die Luftblasen langsam und vorsichtig heraus, damit die nicht nachher auf den Stücken liegen."
Aufwendige Vorbereitungen für die letzte Aufgabe des Tages: das Chemisieren, zu Deutsch, Geleetieren.
"So, geht los? Schnell, schnell."
Dabei werden alle Teile in heißes Aspik getaucht, um es haltbar zu machen. Von der kunstvoll marmorierten Fleischpastete bis zur grünen, aufgespießten Erbse.
"Hier sind schon drei fette Luftblasen oben drauf."

Albtraum: Luftblasen im Aspik

Weil auch beim Tauchen und Chemisieren viel schief gehen kann, machen es der Chef und sein Co-Trainer höchstpersönlich selber.
"Beim eingespielten Team bist du in eineinhalb Stunden durch. Aber da muss alles stimmen. Temperieren muss stimmen, das muss stimmen, das muss stimmen. Das Holen, das Bringen, ist es kalt genug, oder muss er es noch mal zurückbringen."
"Und dann machen wir hier klar Schiff."
Am nächsten Tag werden alle Schaustücke auf einen Teller angerichtet, um zu beurteilen, ob und wie alles zusammenpasst und was verbessert werden muss. Insgesamt ist der Chef Matthias Kleber ganz zufrieden.
"Was mich sehr freut, ist, dass wir momentan im Passierbereich schon so weit sind, also weiter, als wir in all den Jahren waren. Und den Rest kriegen wir auch noch hin. Zwei mal Gold ist für uns das oberste Ziel. Und in der Gesamtwertung wäre es toll, wenn wir unter die ersten Drei kommen."
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