Kiosk verkauft koschere Lebensmittel
Nur selten führen Supermärkte in Deutschland ausgewiesene koschere Produkte. Das ist in einem kleinen Kiosk in Köln anders. Der nichtjüdische Besitzer verrät uns, wie es zu der seltenen Spezialisierung kam.
Ein ganz normaler Tag im Kölner Rathenau-Viertel. Es ist warm. Unauffällig liegt der Getränkemarkt Beethoven mit seinem großen Schaufenster etwas versetzt von der Kreuzung im Schatten der Straße. Vom nahegelegenen Park kommen die Menschen hierher, um sich eine Erfrischung zu holen.
Doch heute ist Freitag, ein besonderer Wochentag. Jetzt kommen vor allem viele Juden hierher. Denn neben den üblichen Kiosk-Waren, wie Getränke, Süßigkeiten und Tabak, findet man hier ein großes Angebot an koscheren Lebensmitteln.
"Wir haben zwar nicht alles, aber wir haben das, was die Kunden sich wünschen."
Sagt Kambiz, der Inhaber, der alle mit "Du" anspricht und auch selbst nur mit seinem Vornamen im Radio zu hören sein möchte. Er zählt auf, welche koscheren Produkte er in seinem Büdchen führt, wie solche Läden am Rhein traditionell genannt werden.
Hier treffen sich Orthodoxe und Liberale
"Wir haben alles Mögliche: Wir haben fleischige Sachen, wir haben Geflügel im Sortiment, wir haben Rindfleisch im Programm, wir haben auch Würstchen im Programm, wir haben Salate, wir haben diesen gelben Käse und Schmierkäse haben wir im Programm, dann kommen noch diese israelische Kaffees, Suppen, diese Fünf-Minuten-Suppen oder Fertigessen. Wir haben im Programm noch die verschiedene Kekse und Kuchen. Mayonnaise haben wir, Gurken, verschiedene Sorten Oliven, verschiedene Sorten Gefillte Fisch – was sehr gefragt ist – oder Suppenmandeln… bis auf die Weine, wo wir uns auch wirklich auf die Weine spezialisiert haben. Wir haben über 50 Sorten Weine. Von den Golan-Höhen und aus New York haben wir Weine, wir haben französische Weine, wir haben italienische Weine und sogar österreichische Weine. Und eine Sorte deutschen Wein."
10 Prozent des Umsatzes macht Kambiz mit koscheren Produkten. Der Getränkemarkt Beethoven in der Nähe der Kölner Synagoge ist für die Juden in Köln zu einer Institution geworden. Hier treffen sich Orthodoxe und Liberale. Denn wer in Köln koscher einkaufen will, der kommt am "Kiosk" nicht vorbei. So wie der groß gewachsene Herr, Mitte 60, mit dem weißen Dreitagebart. Er findet den Kiosk…
"100 Prozent positiv! Weil – es ist eine Gnade des Himmels, dass wir das haben. Ich hab hier ein Hühnchen gekauft für Schabbes und das habe ich jetzt schon vorbereitet und das ist wunderbar, dass man das hat."
"Wir haben zwei Sorten koschere Margarine"
Zwei bis drei Mal in der Woche kauft er bei Kambiz ein. Heute am Freitag braucht er noch schnell etwas für das Wochenende.
"Weil ich bisschen überschlagen habe, was ich zu Hause noch habe, und morgen für Hawdala wird es fast knapp und dann hab ich den Wein gekauft."
Mit der Hawdala-Zeremonie beenden Juden den Schabbat. Doch während des Ruhetages ist das Einkaufen natürlich verboten. Jetzt, am Freitagnachmittag, ist also die letzte Möglichkeit, alles für den anstehenden Feiertag zu besorgen. Dabei bietet Kambiz die koscheren Produkte erst sein fünf Jahren in diesem Umfang an.
"Das kam immer nach und nach. Und als die Frage, ob wir auch koschere Milch haben, kam, haben wir das natürlich auch angeboten. Koschere Butter haben wir nicht mehr, nein, wir haben aber koschere Margarine hier vorrätig. Zwei Sorten: einmal so Backmargarine und eine Margarine zum Schmieren. Wir können halt nicht alles haben, denn wir müssen kartonweise abnehmen und dann laufen die Produkte auch ab."
"Beigebracht, was überhaupt koscher ist"
Wie kam es dazu, dass das Büdchen, welches von den Kölner Juden jedoch schlicht "der Kiosk" genannt wird, koschere Produkte anbietet?
"Erstmal die Nähe hier zur Synagoge und früher gab es ja den alten Rabbiner hier, Herr Teitelbaum, und er kam nach dem Spielplatz mit seinen Kindern öfters vorbei und fragte nach koscheren Süßigkeiten bzw. koscheren Weingummis. Irgendwann haben wir uns ausführlich darüber unterhalten und ich hab gesagt: 'Ja, gerne können wir das hier anbieten, aber sie müssen mir die Adressen geben oder die Kontakte.' Und er war dann halt die Person, die mir beigebracht hat, was überhaupt koscher ist."
Als Perser hat Kambiz nicht viel vom Judentum gewusst. Und obwohl er bis heute keinen jüdischen Gottesdienst besucht hat, ist er mittlerweile ein Experte auf dem Gebiet der Kaschrut, also dem jüdischen Reinheitsgebot. Hauptsächlich praktisches Wissen hätte er sich durch die Arbeit im Laden angeeignet, bekennt er. Doch über die Jahre hinweg hätte er auch immer mehr über die Feiertage und speziellen Bräuche nachgelesen.
Immerhin müsse er ja verstehen, was gefragt würde: Sein Sortiment passt er an die jüdischen Feiertage an und bewahrt Milchiges und Fleischiges in getrennten Kühltruhen auf. Sollten interessierte Nichtjuden Fragen zu den koscheren Produkten haben, besitzt er sogar Flyer mit einigen Erklärungen, die er ihnen in die Hand drücken kann.
Angebot lockt sogar Touristen an
Inzwischen beliefert Kambiz die Synagogen-Gemeinde Köln, deren Synagoge nur 20 Meter Luftlinie entfernt liegt. Das koschere Angebot lockt sogar Touristen an. So wie Beate Kunz aus Bad Wildbad.
"Also laut Internet – also man guckt sich die Seite an und denkt: 'Wow, Riesen-Einkaufszentrum, ganz viel Auswahl' und wenn man dann hier reinkommt, denkt man: 'Okay, klein, aber dennoch ist total viel Auswahl da.' Also ich finde es genial, was es so alles gibt. Die Vielfalt einfach."
Mit etwa 50 verschiedenen Weinen im Angebot ist Kambiz auch über die Grenzen Kölns hinaus zur Anlaufstelle für koschere Weine geworden. Das wissen auch Beate Kunz und ihre Begleiterin:
"Genau, ein guter Wein wäre jetzt noch etwas Gutes. Haben sie noch den Yarden in rot? "
"Den Yarden in rot habe ich auch hier."
"Kennst du den?"
"Nee."
"Der ist super. Der ist sehr gut!"
"Das ist der Hermon."
"Ah, das ist der Hermon!"
"Sehr gut, den hätte ich gerne. Ein Fläschchen. Der ist sehr gut!"
"Den Yarden in rot habe ich auch hier."
"Kennst du den?"
"Nee."
"Der ist super. Der ist sehr gut!"
"Das ist der Hermon."
"Ah, das ist der Hermon!"
"Sehr gut, den hätte ich gerne. Ein Fläschchen. Der ist sehr gut!"
Wie in jedem Büdchen dominieren aber auch vor allem die unterschiedlichen Bierkästen den Getränkemarkt Beethoven. Dennoch führt Kambiz keine einzige Sorte mit Koscherstempel.
"Was Bier betrifft ist alles koscher!"
Denn Biere, die dem deutschen Reinheitsgebot entsprechen und somit nur mit Hopfen, Malz, Wasser und Hefe gebraut werden, sind ohnehin koscher.