Wie die neue Oberbürgermeisterin aufräumen will
Schluss mit dem berüchtigten Kölner Klüngel. Mit diesem Vorsatz ist die parteilose Oberbürgermeisterin Henriette Reker ins Rathaus eingezogen. Reker will eine neue "Vertrauenskultur" etablieren. Doch viele bleiben skeptisch, allen voran die SPD.
"Und damit darf ich übergeben an Frau Reker." – "Ja, vielen Dank. Guten Morgen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich freue mich so viele bekannte Gesichter zu sehen und damit natürlich eine Bestätigung des Interesses, das wir voraus gesehen haben. Heute ist es nicht so spannend wie vor 100 Tagen."
Eine Pressekonferenz von Henriette Reker. Am Hall hört man, dass sie in einem der repräsentativen Räume des historischen Kölner Rathauses stattfindet. Der Saal ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Wenn Henriette Reker über ihre ersten Erfahrungen berichtet, interessiert das nicht mehr nur in Köln.
Auch andere Städte schauen auf Köln
"Wie ist der Start denn eigentlich gelungen? Eine Startbilanz, die ich ziehe, die meines Erachtens positiv ist, trotz dieser ganzen aufgetretenen Probleme, mit denen ja vor hundert Tagen wir alle noch nicht gerechnet haben. Aber, meine Damen und Herren, meine Perspektive geht ja weit über diese hundert Tage natürlich hinaus."
Diese Probleme – das waren vor allem zwei große Herausforderungen für die neue Kölner Oberbürgermeisterin. Zum einen ihre zunächst lebensgefährlichen Verletzungen, nachdem sie am Tag vor der Wahl von einem Attentäter mit einem Messer angegriffen worden war.
Zum anderen das, was man nicht nur in Köln die "Silvesterereignisse" nennt: Massenweise Übergriffe am Kölner Hauptbahnhof. Henriette Reker wurde schnell zur Krisenmanagerin – erst in eigener Sache, dann in Sachen Sicherheit. Doch ihre Arbeit im Kölner Rathaus hat eigentlich ganz andere Schwerpunkte. Den Kampf gegen die Auswüchse des Klüngels zum Beispiel. Im Wahlkampf hatte sie dafür geworben. Und was ist jetzt daraus geworden?
"Ja, ich weiß nicht, ob ich die richtige bin das zu fragen. Ein Stück weit werde ich von solchen Sachen fern gehalten. Aber: Es fällt mir schon auf, dass die Dinge besser funktionieren, wenn die Menschen sich besser verstehen. Ich habe das jetzt positiv ausgedrückt."
Die rheinische Variante: Positiver Klüngel
Positiver Klüngel – das ist diese rheinische Mentalität, selbst mit Fremden schnell warm zu werden. Eine Hand wäscht die andere. Das kann gut sein, muss es aber nicht. Manchmal wird es zur Korruption, manchmal führt es zu schlampiger Arbeit.
"Ich kenne die Verwaltung seit fünf Jahren, seitdem kann sie es schon nicht. Keine Ahnung, seit wann das so ist. Aber die Verwaltung hat sich sehr in Ämterinteressen und Dezernatsinteressen aufgespalten, und hat eben keine Projektarbeit gemacht. Das muss ja offensichtlich von der Verwaltungsführung so gewollt worden sein."
Seit einigen Monaten aber hat Köln mit Henriette Reker eine neue Verwaltungschefin. Und die will aufräumen im Rathaus. Sagt sie zumindest. Denn zuerst einmal muss sie für Ordnung in ihrem eigenen Terminkalender sorgen. Aus alten Zeiten, in denen die Oberbürgermeister ehrenamtlich tätig waren und nicht auch die Stadtverwaltung zu leiten hatten, ist der Wunsch nach umfassender Repräsentation der Amtsinhaber geblieben. Das aber geht nicht mehr, betont Reker:
"Es gibt eine Vielzahl von Einladungen. Ich könnte jeden Tag – ich will nicht übertreiben – aber dreimal irgendwie austerminieren. Ich möchte aber gerne die Verwaltung steuern. Wir haben eine Bürgermeisterin und drei Bürgermeister, die können wunderbar repräsentieren. Und meine Aufgabe ist es, die Verwaltung zu steuern. Das geht nicht vom Festsaal aus."
Ortswechsel nach Köln-Kalk. Jochen Ott hat Bürger eingeladen.
"Also, nochmal der kurze Hinweis: Wer sich nochmal was zu Essen nehmen möchte, bevor wir anfangen, möge zugreifen, hier was zum Trinken: Weil, wenn wir gleich anfangen, dann ist das immer ein bisschen schwieriger. Also greifen Sie bitte gerne zu!"
Jochen Ott spricht heute über Wohnungspolitik. Er ist Vorsitzender der Kölner SPD und Abgeordneter im nordrhein-westfälischen Landtag. Bei der Kölner Oberbürgermeisterwahl war er der einzige ernst zu nehmende Herausforderer von Henriette Reker. Die parteilose Kandidatin war unter anderem von CDU, Grünen und FDP unterstützt worden. Seinen politischen Frieden scheint Ott mit dem neuen Stadtoberhaupt, das nicht seiner Partei angehört, bisher nicht gemacht zu haben.
"Sie hat im Wahlkampf gesagt, sie will überparteilich versuchen die besten Ideen umzusetzen. Das lässt sich jetzt an den ersten Monaten noch nicht ablesen."
Um die nach wie vor andauernde Verärgerung von Jochen Ott nachvollziehen zu können, muss man die politische Gemengelage im Kölner Rathaus genauer betrachten. Die Sozialdemokraten waren es lange gewohnt, alleine zu regieren. Wenn sie mal nicht die absolute Mehrheit holten, nahmen sie Zähne knirschend CDU oder Grüne mit an den Tisch. Eines aber war immer klar: Den politischen Ton im Kölner Rathaus gibt die SPD an. Vorwürfe machten die Runde, Parteibücher seien in der Stadtverwaltung die wichtigste Qualifikation. Jochen Ott weist das zurück.
Erneuerungsbedarf im Kölner Rathaus
"Mir ist vollkommen egal, wo sich jemand politisch engagiert. Es ist auch gut, wenn sich Menschen, und viel mehr Menschen politisch engagieren, sonst gerät unsere Demokratie in Gefahr. Aber bei der Frage, vernünftige Entscheidungen für die Menschen zu produzieren, darf das schlicht keine Rolle spielen."
Doch auch der einstige Reker-Herausforderer Jochen Ott sieht Erneuerungsbedarf im Kölner Rathaus. Dass die Verwaltung ‚es nicht kann‘, wie Henriette Reker es ausgedrückt hat, liege vor allem an der Spitze, meint Ott. Er selbst ist immer noch davon überzeugt, dass er das besser machen würde:
"Eine Verwaltung ist keine Demokratie, sondern eine Verwaltung ist eben von oben nach unten organisiert. Und sie braucht an der Spitze Leute, die Verantwortung übernehmen. Immer dann, wenn Mitarbeiter der Verwaltung das Gefühl haben, dass die Vorgesetzten an ihrer Seite stehen und sich nicht in die Büsche schlagen, dann sind die Leute auch in der Lage, verdammt gute Arbeit zu machen."
Als Beispiel nennt Jochen Ott die Flüchtlingspolitik. Für die war Henriette Reker im Kölner Rathaus zuständig, als sie noch nicht Oberbürgermeisterin war. Als Sozialdezernentin hatte sie massenweise Flüchtlinge in Schulturnhallen untergebracht. Jochen Ott fordert schon lange, dass die Turnhallen endlich wieder für die Schulen zur Verfügung stehen sollten.
"Seit anderthalb Jahren wird darüber diskutiert, dass das mal irgendeiner entscheiden muss. Das Problem ist, dass sich die organisierte Verantwortungslosigkeit weiter fortsetzt. Das liegt daran, dass jedes Amt aus gutem Grund die eigenen Vorschläge nach vorne bringt. Aber am Ende, wenn sich verschiedene Ämter widersprechen, muss irgendwann entschieden werden. In Köln fehlt eben die Bereitschaft auch mal mutig zu sagen: In die Richtung geht`s jetzt. Das macht auch Ärger. Man macht sich nicht immer beliebt."
Wie sich die Kölner SPD eine effektive Verwaltungsführung vorstellt, beschreibt Jochen Ott offenbar in seliger Erinnerung an alte Zeiten – als seine Partei noch stabile politische Mehrheiten organisieren konnte:
"Wenn ich eine Verwaltungsvorlage schreibe, und wenn ich als Verwaltungsmensch überzeugt bin von einem bestimmten Thema, dann muss ich wissen, auch wenn es mal unangenehm ist, dass ich die Rückendeckung habe. Das ist natürlich bei knappen und ständig wechselnden Mehrheiten oft kompliziert. Weil die Verwaltung am Ende ja gar nicht weiß, was dabei herauskommt. Und ob man damit Stabilität erreichen kann, wage ich zu bezweifeln."
Mehr Bürgerbeteiligung
Ach ja, und noch etwas fehlt, unter Henriette Reker – wenn es nach Jochen Ott geht. Der Kölner SPD-Vorsitzende meint, dass die Bürger der Stadt politisch viel zu wenig an Entscheidungen beteiligt werden.
"Gerade in der Kommunalpolitik gibt es oft kleine Vereine, Gruppen, Menschen die große Probleme haben, wo man mit einem bisschen Fingerspitzengefühl eine Lösung schaffen kann. Die schafft man meistens nicht, wenn man stur durch die Wand will, sondern wenn man sich zusammensetzt und versucht eine gute Lösung zu finden. Das ist dann guter Klüngel."
Auch wenn Jochen Ott zu Beginn des Gespräches noch meinte, an den ersten Monaten lasse sich noch nicht ablesen, ob Henriette Reker Erfolg habe als Oberbürgermeisterin: Erst einmal warm geredet, fällt der gelernte Lehrer dann doch ein klares Urteil.
"Es hat sich in Köln nichts geändert, es läuft einfach so weiter, es tröpfelt vor sich hin. Die Mehrheiten werden natürlich zuerst, das ist der Unterschied jetzt, mit Schwarz, Grün und Gelb gebildet. Es geht in erster Linie um Personal und nicht um Inhalte."
Henriette Reker, die Frau, die sonst stets ernst drein blickt, hat für den Angriff ihres einstigen Gegenkandidaten nur ein Lächeln übrig:
"Das meint Herr Ott vielleicht, weil er sich nichts anderes vorstellen kann. Ich glaube, dass das ein ganz großes Problem ist. Die kennen das ja nicht anders! Und ich kann Ihnen nur sagen, das ist nicht so und: Ich bin auch der Meinung, dass wir dringend eine Rollenklärung brauchen zwischen Politik und Verwaltung."
Baustellen über Baustellen
Da werde zu viel rein geredet, zu viel geklüngelt, zu wenig professionell gearbeitet – meint Henriette Reker über dieses schwierige Verhältnis zwischen Politik und Verwaltung im Kölner Rathaus. Beispiele – zumindest für Ungereimtheiten - gibt es genug: Alleine die Baustellen für U-Bahn und Oper laufen seit Jahren völlig chaotisch und machen bundesweit Negativ-Schlagzeilen. Köln kann's nicht, heißt es da oft.
"Weil Ausschreibungsverfahren so verkompliziert werden, dass sich niemand mehr traut, mutig zu entscheiden was jetzt das Wirtschaftlichste zum Beispiel ist, sondern nur noch das Billigste nimmt, weil ihm dann keiner mehr vorwerfen kann, er hätte falsch entschieden. Was tun? Diejenigen, die die Vergabeentscheidungen treffen, stützen. Indem man ihnen eine Checkliste vorlegt, wie man eine Wirtschaftlichkeit begründen kann, mit welchen Argumenten, um die nachvollziehbar darzustellen."
Und Henritte Reker nennt ein weiteres Problem: Die Wünsche aus der Politik. Regelmäßig seien Etat-Ansätze der verschiedenen städtischen Dezernate bewusst viel zu hoch geplant worden. Mit dem eigentlich nicht benötigten Geld habe man Politikern während des Jahres Wünsche erfüllen können: Vorhaben, die aus dem laufenden Haushalt bezahlt wurden und nicht in die Etatberatungen des kommenden Jahres verschoben werden sollten. Solche Klüngeldepots im Haushalt hat Reker jetzt abgeschafft.
"Mit diesem Erfahrungswissen bin ich jetzt hingegangen und habe sehr klar den Kollegen gesagt, dass ich eine realitätsnahe Planung erwarte. Und habe bis in die Einzelheiten mit denen darüber diskutiert, was das heißt. Das war dann manchmal so, dass ich gesagt habe: Wenn Sie mir jetzt garantieren, dass Sie genau diese Summe ausgeben und nicht zwei Prozent weniger, dann stellen wir diese Summe in den Haushalt ein. Das konnte mir aber keiner garantieren."
In diesen Zeiten ist es nicht mehr so einfach, wie gewohnt verlässlich unzuverlässig zu planen. Das gilt selbst für die Karrieren der städtischen Mitarbeiter. Oberbürgermeisterin Henriette Reker beklagt sich heute, dass die Durchsetzung der Amtsstuben mit parteipolitisch gebundenem Führungspersonal systematisch angelegt sei. Dazu zähle auch, dass Verwaltungsmitarbeiter zeitweise an die großen Fraktionen von CDU oder SPD quasi ausgeliehen werden.
"Das ist ein ganz deutliches Signal, dass Menschen aus der Verwaltung in diese Fraktionen geholt werden, dann zweimal befördert werden können, in dieser Zeit, in der sie in der Fraktion sind – dann kommen sie zurück, und keiner in der Verwaltung ist in der Zeit so befördert worden. Und damit haben die automatisch die Chance auf eine maximale Führungsposition. Weil keiner kann ihnen mit dieser Eingruppierung mehr das Wasser reichen. Das ist ein Schachzug, der hier immer gespielt worden ist. Ja, und die Leute sitzen in den Startlöchern."
Das Parteibuch als Karriere-Turbo, die Beteiligung an Parteipolitik als Durchlauferhitzer – so funktionierte offenbar in der Vergangenheit im Kölner Rathaus die Personalentwicklung. Dass eigenständiges Denken da eher auf der Strecke blieb, beschreibt Henriette Reker so:
"Wir haben keine Vertrauenskultur, sondern eine Misstrauenskultur. Wir haben, weil wir auch kein Ziel haben, kein Zusammengehörigkeitsgefühl. Es identifizieren sich zu wenige Menschen mit der Stadt. Wir haben auf der einen Seite Leistungsträger, die auch hoch motiviert sind. Und auf der anderen Seite haben wir Menschen, tja, wo ich manchmal denke, die kommen nur um hier Schmerzensgeld zu bekommen. Das ist so schade."
Mit einer Verwaltungsreform will Reker jetzt die mehr als 17.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kölner Rathaus neu organisieren. Unter anderem sollen sie nicht mehr so sehr auf die Parteien und Fraktionen hören, sondern wieder mehr auf die Bürger. Solche wie Frank Deja zum Beispiel.
Eine schrille Sirene ertönt Anfang März in der Kölner Innenstadt. Viele Menschen haben sich an der Stelle versammelt, an der im Jahr 2009 das Historische Archiv der Stadt Köln eingestürzt ist.
Erschreckende Verantwortungslosigkeit
Frank Deja und seine Bürgerinitiative "Köln kann auch anders" kämpft seitdem für mehr Transparenz in der Stadtverwaltung. Vor dem Einsturz des Stadtarchivs habe es genug Warnhinweise von Bürgern gegeben. Das Gebäude habe sich geneigt, es habe armdicke Risse im Keller gegeben. Das alles habe die Verwaltung ignoriert.
"Das wurde als rein wasser- und umweltrechtliches Problem betrachtet. Und keiner hat mal Rückschlüsse gezogen zu der Frage: Ja, Moment, wir pumpen da drunter immer mehr Wasser weg und das Gebäude neigt sich, könnte da ein Zusammenhang bestehen? Das finde ich so erschreckend. Das sind diese Verantwortungsmängel, die man an jeder kleinen und großen Katastrophe, die in Köln seitdem passiert ist, durchdeklinieren kann."
Und Katastrophen gibt es in Köln genug. Die Stadtverwaltung hat bei den Bürgern keinen guten Ruf. Aber kann Henriette Reker als Parteilose das ändern?
"Da frage ich mich natürlich, wie sie das schaffen will, ohne – ich sage mal – Hausmacht im Rat. Weil, sie ist ja ausdrücklich als parteilose Kandidatin angetreten. Was ja auch erst mal nicht schlecht ist. Aber ich frage mich, wie sie das schaffen will, ohne die Bürger, die kritischen Bürger, die engagierten Bürger zu ihren Verbündeten zu machen."
Eine breite politische Unterstützung, gepaart mit den Stimmen kritischer Bürger – so stellt sich Frank Deja die Grundlage für die Neuorganisation der Kölner Stadtverwaltung vor. Aufräumen mit verkrusteten Strukturen:
"Also diesem Kölner Grundübel, dass viele Zuständigkeiten geschaffen werden, möglichst in verschiedenen Ämtern, die nicht miteinander reden. Und am Schluss keiner verantwortlich ist. Vor allem, wenn etwas schief geht ist niemand verantwortlich."
Und auch Frank Deja sieht so etwas wie einen Klüngel in der Rathaus-Verwaltung – also Netzwerke der negativen Art.
"Das hat sicherlich auch insofern mit Klüngel zu tun, als dass teilweise dann verantwortungsvolle Posten mit Menschen besetzt wurden, die aufgrund des Parteienproporzes da hingekommen sind und nicht unbedingt auf Grundlage ihrer herausragenden Qualifikation."
Das Rathaus als geschlossener Kosmos
Hinzu komme, so der Sprecher der Bürgerinitiative "Köln kann auch anders", dass das Rathaus eine Art geschlossener Kosmos war. Stimmen von außen wurden entweder gar nicht oder nur sehr widerwillig wahrgenommen. Die Mahnungen im Vorfeld des Stadtarchiv-Einsturzes seien da nur ein Beispiel von vielen gewesen. Und: Wie Henriette Reker meint auch Frank Deja, dass Großprojekte in Köln nach wie vor nicht funktionieren. Und wie die Oberbürgermeisterin will er sich damit nicht abfinden.
"Ich denke nicht, dass das ein Schicksal Kölns ist. Denn es gab ja auch mal Zeiten, in den, ja, wenn ich mich recht erinnere, 80er Jahren, als Köln eine Verwaltung hatte, die bundesweit bewundert wurde. Wo man aus anderen Städten kam um sich anzuschauen, wie das in Köln funktioniert. Und es haben ja auch mal Projekte gut geklappt. Ich nenne nur das Dom-Rhein-Projekt, also Museum Ludwig und Philharmonie. Das war im Kostenrahmen, das war im Zeitrahmen, das ist heute noch ein Ort mit Aufenthaltsqualität. So was findet man halt leider selten in Köln."
Und wie denkt "Köln kann auch anders" jetzt über Henriette Reker, das Stadtoberhaupt das alles anders machen will? Sind ihre ersten Entscheidungen, Stellungnahmen und Visionen das, was man von ihr erwartet hatte?
"Das könnte ein Schritt in die richtige Richtung sein. Ich finde das auch zu früh, das jetzt zu bewerten und ‚Daumen hoch‘ oder ‚Daumen runter‘ zu sagen. Das muss man abwarten."
Die Bürger wollen mehr beteiligt werden, und Henriette Reker verspricht, das auch zu machen. In Dialog-Veranstaltungen stellt sie aktuelle Projekte zur Diskussion.
"Ich finde, dass Bürgerbeteiligung einmal eine Bereicherung ist, weil man ja Kenntnisse bekommt, die man selber gar nicht hat als Verwaltung. Und darüber hinaus auch nötig ist, um verlässlich ins Ziel zu kommen. Weil sonst hat man dieses Stuttgart-21-Syndrom, wo man eigentlich fast alles fertig hat. Formal hat man auch alle beteiligt. Und dann geht es schief und der Prozess verlängert sich ins Unberechenbare, man kommt nicht zum Ergebnis. Man kann eine Stadt nicht per Dekret steuern. Köln schon gar nicht."
Bei aller diplomatischen Zurückhaltung wird Henriette Reker, nach einem längeren Gespräch, dann doch noch deutlich. Es hat aus ihrer Sicht sehr wohl etwas mit falsch verstandener Parteipolitik zu tun, dass es bei der Rathausverwaltung bisher nie richtig rund lief.
"Naja, die Stadt Köln hat eben so funktioniert, und zwar eben immer abhängig von der Führungssituation, dass man entweder ein rotes oder schwarzes Parteibuch haben sollte, wenn man weiterkommen wollte."
Ein Parteibuch dürfe kein Karrierehindernis sein, meint Reker. Aber eben auch kein illegitimes Schmiermittel für den beruflichen Aufstieg im Rathaus. Qualifikation und Motivation will sie konsequent ins Zentrum von Personalentscheidungen stellen. Sie wolle Menschen, die für ihren Job brennen, sagt die Oberbürgermeisterin. Und die sich nicht von sachfremden Einflüssen leiten lassen.
"Wenn ich feststelle, dass irgendwas darauf hindeutet, dass diese Entscheidungen nicht transparent werden, dann reagiere ich allergisch. Wir machen auch öffentliche Verwaltung. Wir heißen nicht nur öffentliche Verwaltung. Nur, das ist natürlich ein Prozess, und man muss dann auch im Rat um die besten Lösungen ringen."
Noch ist der Prozess erst grundsätzlich angedacht und wird zaghaft angegangen. Henriette Reker weiß, dass immer noch große politische Herausforderungen auf sie warten. Nicht nur, wenn es darum geht, der Stadtverwaltung und der Politik den negativen Klüngel auszutreiben. Es geht auch darum, das Bild der Stadt Köln mit Blick auf die Sicherheit wieder zu verbessern, gerade nach den überregional beachteten Übergriffen in der Silvesternacht.
"Es nützt ja jetzt nichts, bunte Bilder von der Stadt zu produzieren, ‚Safe city cologne‘ oder sowas. Und die überall anzukleben. Sondern wir müssen in dem Prozess darstellen jetzt, wie unsere Stadt ist. Köln hat ja einen großen Vorteil: Köln ist eben einfach ehrlich, ja? Köln macht keine Show. Dazu gehört dann eben auch, dass man zu seinen Unzulänglichkeiten steht."
Sendung löst großes Medienecho aus
Der Länderreport hat ein großes Medienecho ausgelöst. Andere Medien bezogen sicht vor allem auf Rekers Kritik an der Stadtverwaltung. Hier eine Auswahl an Berichten und Reaktionen: