"Vorauseilender Gefühlsgehorsam"
Islamistischer Terror als Thema im Kölner Karneval? Das war den Organisatoren offenbar zu heikel: Sie zogen einen Motivwagen zu den Anschlägen auf "Charlie Hebdo" zurück. Typisch Köln, meint der Politologe Frank Überall.
Eigentlich sollte im Kölner Rosenmontagszug ein Motivwagen mitfahren, der den Anschlag auf "Charlie Hebdo" aufgreift und auf dem ein Narr mit roter Pappnase mit einem Bleistift das Gewehr eines Islamisten zerstört. Jetzt hat das Festkomitee mitgeteilt, man ziehe den Wagen zurück, offenbar aus Angst vor Anschlägen.
In Düsseldorf und Mainz ist mehr Satire möglich
Für den Politikwissenschaftler und Journalisten Frank Überall ein typischer Fall von "vorauseilendem Gefühlsgehorsam", wie er tief in der "kölschen Seele" verwurzelt sei. "Es ist eben so, dass der Kölner dann gern noch dreimal um die Ecke denkt und denkt sich: mein Gott, wen könnte ich doch noch beleidigt haben?"
Im Düsseldorfer Karneval und in der Mainzer Fastnacht dürfe man bissiger sein, sagt Überall. "Die Kölner sind da manchmal etwas zurückhaltender. Einfach weil sie irgendwo diese Wohlfühltemperatur halten wollen."
Die katholische Kirche versteht ebenfalls wenig Spaß
Auch gegenüber der katholischen Kirche übt der Kölner Karneval dem Politikwissenschaftler zufolge traditionell Zurückhaltung. Zwar sei der konservative frühere Kardinal Meisner häufig Thema gewesen: "Ein bisschen spöttelnd, ein bisschen beißend, aber nicht wirklich wehtuend." Allerdings reagiert die katholische Kirche offenbar nicht immer humorvoll auf satirische Kritik. Als beispielsweise der Kabarettist Jürgen Becker vor einigen Jahren Kardinal Meisner als Hassprediger bezeichnet habe, sei man gerichtlich dagegen vorgegangen. "Also, die Waffen sind anders, aber auch die katholische Kirche versteht da zum Teil nicht richtig Spaß", so Überall.