Tod eines Sonnenkönigs
L'état, c'est moi - der Staat, das bin ich - für diese Worte ist Ludwig XIV. von Frankreich bis heute bekannt. Sie beschreiben den Absolutismus, mit dem der König das Land vier Jahrzehnte lang regierte. Er machte Frankreich zum Imperium - verlor am Ende aber die Gunst seines Volkes.
In den ersten Septembertagen des Jahres 1715 notierte der Pfarrer eines Dorfes an der Loire in seinem Kirchenbuch:
"Ludwig XIV., König von Frankreich und Navarra, starb am 1. September dieses Jahres zum geringen Bedauern seines ganzen Volkes wegen der exorbitanten Summen und beträchtlichen Steuern, die er von seinen Untertanen erhoben hat."
Für die Zeitgenossen war das die Bilanz des Sonnenkönigs nach 54 Jahren persönlicher Herrschaft, darunter 30 Kriegsjahre - ein Land am Rande des Bankrotts. Pierre Monnet, Direktor des Französischen Historischen Instituts an der Universität Frankfurt:
"Es wird berichtet, dass in Paris, als die Nachricht bekannt wird, dass sogar Leute getanzt haben, die Herbergen noch lebendiger wurden, weil damit hat man sich erhofft, dass die Steuerlast irgendwie niedriger wird."
Als er 1643 auf den Thron kam, war Ludwig noch keine fünf Jahre alt. Mit 22 übernahm er nach dem Tod des Kardinal-Premierministers Jules Mazarin persönlich die Regierung. In den folgenden Jahrzehnten erweiterte er sein Reich um knapp 20.000 Quadratkilometer nach Norden und Osten bis zum Rhein. Im Inneren führte er die Zentralisierung der Macht in der Person und am Hof des Königs, die in Frankreich lange vor ihm begonnen hatte, zum Abschluss. Der fürstliche Absolutismus wurde für ein Jahrhundert zum vielfach kopierten Modell. Die Residenz in Versailles war Schauplatz rauschender Feste. Frankreichs Sprache und Kultur strahlten über ganz Europa aus. Bei alledem war Ludwig ein fleißiger und außerordentlich pflichtbewusster Monarch.
"Es ist nicht so, dass Ludwig XIV. ein Despot oder ein Tyrann war. Er arbeitete sehr viel. Das ist nicht nur ein Kriegskönig, sondern auch ein Regierungskönig. Er weiß ganz gut die guten Köpfe zu sich zu rufen, und er liest, arbeitet, schreibt sehr viel."
Goldenes Jahrzehnt von 1680-90
Zu den klugen Köpfen in Ludwigs Umkreis zählte der Minister Jean Baptiste Colbert, Modernisierer von Staat und Wirtschaft in Frankreich. Colbert entfesselte eine Reformkaskade, stellte Justiz, Strafrecht, Handel, Forstwesen neu auf. Erstmals entstand eine französische Kriegs- und Handelsflotte, um die koloniale Expansion in Nordamerika und Indien abzusichern. Nicht zuletzt trieb Colbert systematisch Kulturpolitik. Er rief künstlerische, literarische und wissenschaftliche Akademien ins Leben, die in Frankreich bis heute Bestand haben.
"Noch nie hat man in einer so kleinen Zeit von ein paar Jahrzehnten so viele Künstler, so viele Schriftsteller, die ja nicht nur in Frankreich bekannt waren, sondern in ganz Europa, die Musik auch, also Lalande und Couperin und Lully und Racine und Molière und La Fontaine und La Bruyère und Corneille, Boileau, Pascal, also das ist wirklich ein Feuerwerk."
Und das alles mehrte den Ruhm des Königs. Indes mochte sich Ludwig nicht damit bescheiden, als Mann des Friedens und einer zivilen Kulturblüte in die Geschichte einzugehen.
"Der Krieg, wenn er notwendig ist, ist eine den Königen nicht nur erlaubte, sondern gebotene Aktivität."
So lautete seine Maxime. Für den Griff nach der Herrschaft über den Kontinent standen ihm die Ressourcen des mit 20 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten Landes Europas und eine Armee von schließlich 400.000 Mann zur Verfügung. Doch mit seinem gewalttätigen Vorgehen einigte er Europa gegen Frankreich. Dessen Eindämmung war mehr als vier Jahrzehnte lang das Hauptthema der internationalen Politik. Am Ende hatte Ludwig zwar Gebietsgewinne erzielt, das Ziel einer französischen Herrschaft über Europa aber verfehlt. Aus dem blutigen Kräftemessen ging England als Gewinner hervor. Noch zu Ludwigs Lebzeiten hatte die französische Macht den Zenit überschritten.
"Dieses goldene Jahrzehnt 1680 bis '90, das wird Frankreich nie mehr erreichen, und nach diesem Höhepunkt geht es wirklich Schritt für Schritt bergab."
Wenige Tage vor seinem Tod ließ Ludwig seinen Urenkel, den erst fünfjährigen Kronprinzen, an sein Sterbebett kommen.
"Mein Kind, eifern Sie mir nicht in meiner Vorliebe für den Krieg nach. Bemühen Sie sich, das Los Ihres Volkes zu erleichtern, was ich unglücklicherweise nicht habe tun können."