Königin Esther besiegt Bösewicht Haman

Von Evelyn Bartolmai |
Vor etwa 2500 Jahren drohte die Vernichtung der Juden durch die Perser. Doch sie konnte abgewendet werden. Das Purim-Fest in Israel erinnert daran.
"Gelobt sei der Allmächtige, der uns geheiligt hat mit seinen Geboten und uns das Lesen der Megilla befohlen hat; der unseren Vätern Wunder getan hat in jenen Tagen zu dieser Zeit; der uns am Leben ließ und uns erhalten hat und uns diese Zeit erreichen ließ."

Rav Schlomo Weinreb singt die drei obligatorischen Segenssprüche, bevor er mit der Lesung der Megillat Esther, der Esther-Rolle beginnt.

Purim ist eine Geschichte von Maskeraden, aber auch der Wunder, die dahinter geschehen. Esther trägt die Insignien der persischen Königin und ihr Oheim Mordechai spielt den Bettler, doch beiden gelang das Wunder, die geplante Vernichtung des jüdischen Volkes vor rund 2.500 Jahren im persischen Reich abzuwenden. Und das dank ihres Gottes, der nicht ein einziges Mal erwähnt wird, aber dennoch allgegenwärtig ist.

Das ist das Wesen von Purim - nichts ist, wie es scheint, auch daher rührt der Brauch, sich zu Purim zu verkleiden. Die Rolle, aus der Rav Weinreb im israelischen Modiin-Ilit die Geschichte liest, ist auch eine ganz besondere. Er hat sie selbst geschrieben, sie war das Hochzeitsgeschenk für einen Bekannten aus Deutschland, und da Rav Weinreb selbst aus einer Familie stammt, der kurz vor der Schoah die Flucht aus Nazideutschland gelang, weiß er natürlich ganz genau, wie eine "megille" nach deutscher Tradition sein muss:

"Diese Megilla ist nicht exakt wie die Rollen hier in Israel, hier hat man Rollen mit einer Spaltenlänge von 28, 21 und 11 Zeilen. Die alten deutschen Rollen dagegen waren nicht nur sehr schön und groß, sondern hatten auch 42 Zeilen in jeder Spalte, und manchmal sogar noch mehr, und genau so habe ich es auch gemacht."

Auch andere Details einer deutschen Esther-Rolle weichen von den in Israel üblichen Rollen, die überwiegend der sogenannten sefardischen Tradition folgen, ab. Die aschkenasische Form geht auf den Ende des 18. und frühen 19. Jahrhunderts in Offenbach tätigen Rabbiner Wolf Heidenheim zurück, der aus seinen Auslegungen der Texte zugleich grammatische Regeln für ihre Schreibweise bis hin zur künstlerischen Gestaltung ableitete:

"Hier zum Beispiel haben wir den Buchstaben Zadi, das ist sehr interessant, wir finden es normalerweise in keiner aschkenasischen Handschrift in dieser Art, ein Teil des Buchstabens ist etwas 'zurückgelehnt', wie wir das nennen, und das war sehr beliebt früher in Deutschland, viele rabbinische Autoritäten haben das auch anerkannt."

Für die Esther-Rolle bestimmte die aschkenasische Tradition weiterhin, dass die Namen der zehn Söhne des Bösewichtes Haman, die ihrem Vater bei der Vernichtung der Juden zur Hand gehen wollten und dafür zusammen mit dem Vater hingerichtet wurden, in einer gesonderten Spalte zu schreiben und auch in einem Atemzug vorzutragen waren. Denn man wollte diese unschöne Stelle schnell hinter sich bringen und auch den Schurken nicht mehr Aufmerksamkeit als unbedingt nötig einräumen. Nicht zuletzt galten und gelten bis heute für die Lesung der Purim-Geschichte besondere Regeln, um für alle, die den hebräischen Text vielleicht nicht so ganz verstehen, dennoch die Dramatik der Geschichte zu verdeutlichen, erklärt Rav Weinreb und trägt die Stelle vor, an der Esther dem König offenbart, dass Haman ihr Volk zu vernichten trachtet.

Für einen baal torah, wie der Vorleser in der Synagoge genannt wird, ist es eine ganz besondere Freude, die Purim-Geschichte aus einer eigenen Rolle zu lesen und damit auch die alte Tradition fortzusetzen, sagt Jehoschua Bieler, der eigens aus Berlin gekommen war, um die Megillat Esther persönlich aus den Händen von Rav Weinreb in Empfang zu nehmen.

"Unabhängig davon aber ist es für mich eine große Freude, dass meine Familie wieder eine Megilloh besitzt. Wir hatten in unserer Familie über viele Generationen eine Megilloh, die vermutlich aus Fürth stammte, dann nach Berlin kam mit meinen Vorfahren, und im Krieg verloren gegangen ist wie vieles andere auch, und deswegen ist es für mich auch, ja, eine persönliche Befriedigung zu wissen, dass es jetzt in dieser Familie wieder eine Megilloh gibt, die auch genau so geschrieben und aufgebaut ist, mit all den speziellen Praktiken und Abweichungen, eigentlich sozusagen alten Traditionen des deutschen Judentums, die das beinhaltet."

Über den guten Ausgang der Purim-Geschichte, nämlich die Errettung des jüdischen Volkes, hat man sich in Aschkenas so gefreut, dass in der deutschen Tradition die Passage von der Hinrichtung Hamans gar nach der Melodie eines Hochzeitsliedes vorgetragen wird.