Königliche Kontrollinstanz der Republik
Vor 60 Jahren bestieg Elizabeth II. den britischen Thron. In ihrer Amtszeit musste sie den Niedergang des Empires verkraften. Sie habe deshalb versucht, vor allem das Commonwealth zu stärken, sagt die Historikerin Karina Urbach.
Liane von Billerbeck: Man kennt sie unter anderem wegen ihres Hangs zu pastellfarbenen Hüten und Kleidern und weil sie eigentlich für jeden, der heute erwachsen ist, immer die Queen gewesen ist: König Elizabeth II. von England. Heute vor 60 Jahren wurde sie zur Königin proklamiert, als ihr Vater Georg VI. gestorben war. Seit 60 Jahren sitzt sie nun auf diesem Thron, eine Leistung, in der sie nur von ihren berühmten Vorgängerin Königin Victoria übertroffen wird, die es auf sogar 63 Jahre auf dem Thron gebracht hat.
Karina Urbach ist Historikerin an der University of London, sie hat ein Buch über Queen Victoria geschrieben und kennt sich bestens aus mit der englischen Monarchie. Frau Urbach, ich grüße Sie!
Karina Urbach: Hallo, guten Morgen!
von Billerbeck: In der Zeit, als Elizabeth zur Königin proklamiert wurde, am Tag des Todes ihres Vaters, da sprach man von einem neuen Elizabethanischen Zeitalter. Was erhoffte man sich?
Urbach: Ja, das hat Churchill damals geprägt, diesen Begriff, und er hat eben in dieser Radioansprache zu Georg VI. Tod das gesagt, dass man jetzt die größten Perioden der britischen Geschichte immer mit den Regierungszeiten unserer Königin verbindet, und da meinte er Elizabeth I. und Victoria. Und er erhoffte sich eben, dass es da zu einer Wiederholung kommen würde. Er war ja selbst noch Viktorianer.
Aber das musste ziemlich schnell revidiert werden, denn Großbritannien in den 1950er-Jahren, das war ein sukzessiver politischer und wirtschaftlicher Verfall und Niedergang. Und als die Queen '52 das Staatsoberhaupt wurde, da befand sich Großbritannien auch noch mitten im Krieg, nämlich im Koreakrieg. Da waren 100.000 britische Soldaten im Einsatz und es war natürlich der Kalte Krieg, es war eine ziemlich schwierige Zeit für eine 25-Jährige, so eine große Verantwortung zu übernehmen.
von Billerbeck: Also sie Königin wurde, da lebte Stalin auch noch, das muss man sich auch noch mal so vor Augen führen. Elizabeth ist ja eine historische Person, kann man sagen, die mit David Cameron gerade ihren 13. Premierminister erlebt. Und das Empire musste in ihrer Zeit den Übergang vom 20. zum 21. Jahrhundert meistern und sie mit. Wie wichtig ist diese historische Figur, welche Bedeutung hat die Queen für Großbritannien?
Urbach: Sie ist so eine Art Klammer, würde ich sagen, die natürlich vor allem für das Commonwealth wahnsinnig wichtig ist. Denn das ist sozusagen ihr Projekt, da hat sie alle ihre Energie reingesteckt und wirklich etwas daraus gemacht, also aus den Problemen mit dem Empire, dem Niedergang, aber auch mit all den Verbrechen, die natürlich im Empire begangen wurden. Daraus hat sie etwas Positives geschaffen und hat versucht, eben dieses soziale Netz von diesen Staaten aufzubauen, von denen es natürlich sehr arme, afrikanische, aber auch sehr reiche sind wie Australien oder Neuseeland. Und die miteinander zu verbinden und ihnen eine gemeinsame Zukunft auch zu geben, das ist ihr größtes Projekt. Das Commonwealth ist eigentlich für sie das Allerwichtigste.
von Billerbeck: Es gab in der Zeit, seit Queen Elizabeth regiert, ja mehrere Premierminister. Eine davon, die ist uns sicher allen noch in Erinnerung, die achte Premierministerin, die sogenannte Eiserne Lady, das war Margaret Thatcher. Welche Rolle kam Queen Elizabeth in dieser Zeit zu, in der Zeit von Sparmaßnahmen, Streiks ...
Urbach: Also, bei Thatcher, da kann man nur Charles Dickens Satz anwenden, also, sie war die Beste und sie war der schlechteste Premierminister aller Zeiten. Und mit dieser Ambivalenz hat natürlich auch Elizabeth kämpfen müssen. Denn die beiden sind zwar Altersgenossinnen, aber sie sind trotzdem Lichtjahre voneinander entfernt. Weil, Thatcher ist eine Frau, die sich nach oben gearbeitet hat und Privilegien verachtet, und die Queen verdankt natürlich ihren Beruf vor allem Privilegien.
Und als Thatcher dann '79 an die Macht kam, hat sie das Land furchtbar gespalten. Sie war eben eine völlig neue Form von Konservativer. Sie beendete zwar die Streiks und den Reformstau, aber sie machte es mit großer sozialer Härte. Und es war eben die soziale Härte, die die Königin nicht nachvollziehen konnte. Und sie hat damals auf ihre Art reagiert: Sie hat so '86 einen Artikel lancieren lassen, in dem Leute aus ihrer unmittelbaren Umgebung gesagt haben, die Königin fände Frau Thatcher gefühllos, konfrontativ und eine gesellschaftliche Spalterin.
Das war natürlich ein Skandal damals, aber die Queen sorgte sich eben um zwei Punkte: Eben vor allem die geringe Unterstützung für weniger privilegierte Schichten, die Thatcher natürlich nicht interessierten, und dann auch über die Thatcher-Politik gegenüber dem Commonwealth, weil Thatcher ja damals das Apartheidregime in Südafrika unterstützte und die anderen Commonwealthstaaten dagegen protestierten. Und da kam es natürlich zu furchtbaren Spannungen innerhalb des Commonwealth.
Also, die Queen hat dann später zwar Thatcher auch immer wieder ausgezeichnet, auch mit dem Order of the Garter, aber die beiden Frauen sind nie ganz warm miteinander geworden.
von Billerbeck: Nun sagen Sie, die Queen hat Thatcher für gefühllos gehalten. Wenn man erlebt hat, wie die Queen mit ihrer Schwiegertochter Lady Diana und auch nach deren Unfalltod umgegangen ist, dann hat es einen gefröstelt und von Gefühlen war da eigentlich auch nicht viel zu spüren. Sie müssen ja jetzt nicht den Seelmann-Eggebrecht geben, aber wie kalt geht es in einer königlichen Familie zu?
Urbach: Ja, das ist natürlich, das war ihr größter Fehler. Und, aber das zeigt natürlich auch, dass sie lernt. Ich möchte das nicht relativieren, es war natürlich gefühlskalt. Aber sie ist das Produkt einer Generation, in der natürlich Affektkontrolle das Allerwichtigste war. Sie ist noch aufgezogen worden von ihrer Großmutter Queen Mary, dass man sich nie gehen lässt, dass man niemandem von seinen Problemen erzählt, dass man nie öffentlich weint. All diese Sachen sind natürlich total in ihr drin. Und deswegen, weil sie so und so eine sehr introvertierte Frau ist und auch sehr distanziert immer gewirkt hat, war für sie das natürlich ein Fall, den sie einfach nicht lösen konnte. Sie wusste nicht genau, wie sie sich verhalten sollte.
Diese Distanziertheit, die wurde ja schon früher an ihr kritisiert, diese Kritik kommt auch schon in den 70er-Jahren auf. Aber in gewisser Weise war dieses Diana-Fiasko natürlich auch sehr hilfreich, weil sie dadurch was gelernt hat. Und man kann sagen, dass sie jetzt im Alter diesen absoluten Höhepunkt ihrer Popularität erreicht hat und dass sie jetzt ihre Rolle wirklich gefunden hat. Also, der Lord (???) hat gesagt, seitdem Queen Mum tot ist, blüht die Queen richtig auf. Das klingt jetzt zwar zynisch, aber ihre Mutter scheint sie wirklich zurückgehalten oder überschattet zu haben. Und sie hat jetzt diese Rolle der liebevollen Großmutter gefunden und das macht sie wirklich gut.
von Billerbeck: Sagen Sie uns doch noch mal ein paar Worte über die Kindheit dieser Elizabeth. Was hatte sie für eine Kindheit, was für eine Jugend?
Urbach: Ja, also, das war eben eine etwas merkwürdige Kindheit. Sie wusste ja nicht, dass sie Thronfolgerin werden würde, das war ja einfach nur ein Zufall, dass ihr Onkel abdankte. Und sie hat eben diese sehr, sehr beliebte Mutter, die natürlich ... also, nicht sehr intellektuell anspruchsvoll ...
von Billerbeck: ... Queen Mum ...
Urbach: ... Queen Mum, genau, Queen Mum hat ihr immer nur Trivialliteratur zu lesen gegeben und ihre Ausbildung war deswegen einfach nicht besonders gut. Also, sie hat erst sehr viel später natürlich, als sie schon Königin war, mit 25, hat sie dann sozusagen einen Schnellkurs gemacht. Und vorher hatte sie einfach so das übliche Leben eines Oberschichtmädchens, wo man nicht sehr viel Wert auf die Erziehung legt, auf die gute akademische Ausbildung, sondern wo es halt wichtig war, dass man ein bisschen Klavier spielte, Französisch lernte, und das war's dann.
von Billerbeck: Trotzdem hat sie auch ihren Vater gebeten im Zweiten Weltkrieg als Jugendliche, irgendwie mitzuhelfen, und hat eine Ausbildung als Automechanikerin bekommen, habe ich gelesen. Was ist das?
Urbach: Ja, das ist wirklich gut! Also, sie ist ein sehr praktischer Mensch. Also, sie kann bis jetzt auch anscheinend noch ihre Autos selbst reparieren und ich habe sie nur einmal gesehen ...
von Billerbeck: ... ist irgendwie beruhigend ...
Urbach: ... das ist sehr beruhigend, obwohl sie ja wirklich viele Leute hat, die ihr helfen. Aber sie fährt natürlich diese Autos auch selbst noch und sehr schnell, also, sie kann sehr schnell Auto fahren. Also, sie hat da doch einen männlichen Zug, ja, das ist ganz interessant an ihr.
von Billerbeck: Nun spricht man ja immer von der gekrönten Republik, wenn es um Großbritannien geht. Was bedeutet dieses Regierungssystem und welche Zukunft hat es?
Urbach: Ja, das ist natürlich interessant, was für eine Rolle spielt sie eigentlich noch politisch. Und da würde man sagen, sie hat eben, was Max Weber Herrschaftswissen nennt. Also, sie hat so eine lange Erfahrung und sie kennt wirklich jeden in der Politik, und wenn sie jemandem, also einem Politiker vielleicht eine Lösung nahebringen will, dann erzählt sie denen eine Geschichte oder eine Anekdote von irgendwelchen Erlebnissen vor 20 Jahren, um denen auf subtile Weise deutlich zu machen, dass man vielleicht so an die Sache herangehen sollte.
Also, sie ist auch natürlich diejenige, die alle Regierungspapiere liest, also in Whitehall nennt man sie die Leserin Nummer eins, das heißt also, sie bekommt alle Staatspapiere in diesen roten Boxen geliefert und arbeitet die tatsächlich durch. Und ein hoher Beamter hat mal erklärt, warum das so wichtig für ihn und seine Kollegen ist: Er sagt, sie ist eben so eine Kontrollinstanz für uns. Wenn wir nicht das Gefühl hätten, dass sie also diese Unterlagen nicht gelesen hat, dann würden wir die Dinge einfach schleifen lassen. Aber so wissen wir, dass sie nachfragt, wenn etwas unklar ist oder wir einen Fehler gemacht haben.
Und das ist eben ihre Methode. Sie sagt nie, ich bin der Meinung, das ist eine Fehlentscheidung, sondern stattdessen stellt sie Fragen. Also, wenn sie mit den Antworten nicht zufrieden ist, dann stellt sie immer noch mehr Fragen. Und das ist eine sehr indirekte Art, Einfluss zu nehmen. Aber eine ausgesprochen erfolgreiche, anscheinend.
von Billerbeck: Nun erleben wir ja gerade so eine Art Sezessionsbestrebungen der Schotten. Dennoch, auch die wollen, obwohl sie von Großbritannien weg wollen, die Queen behalten. Warum das?
Urbach: Ja, das ist sehr interessant, dass die Royal Family in Schottland also wirklich beliebt ist. Und das kommt auch wieder von Queen Victoria, die im 19. Jahrhundert eben dieses sehr enge Band mit Schottland gefestigt hat, die also überhaupt erst Balmoral gebaut hat natürlich, dieses Schloss vollkommen umgebaut hat ...
von Billerbeck: ... dieses kalte Schloss ...
Urbach: ... ja, dieses kalte Schloss! Ich glaube, sie hatte ja eben auch noch die Fenster aufgerissen, aber ... Sie liebte eben diese schottische Landschaft und auch die schottischen Menschen, weil, sie fand sie bodenständig und interessanter als die Engländer, die ihr – also, natürlich in London – alle zu oberflächig und trivial waren, und die Schotten waren für sie einfach der ehrlichere Menschenschlag, so hat sie das immer wieder von sich gegeben.
Aber Elizabeth hat das natürlich so fortgeführt und diese Balmorality, also, dieses Landleben, das man da führt, ist für die Royal Family sehr, sehr wichtig und hat sie natürlich in Schottland auch sehr populär gemacht.
von Billerbeck: Nun haben wir eine neue Generation, die da schon in den Startlöchern steht, Kate und William. Wie werden die die Monarchie prägen, wenn sie denn je drankommen?
Urbach: Ja, das wird interessant werden. Also, man sagt einfach, dass sie sehr ähnlich wären Elizabeth und Philip. Das wird immer wieder als Hoffnungsschimmer sozusagen gesehen, das ist jetzt vielleicht mal eine Ehe, die hält, und die haben einfach gemeinsame Interessen, die haben ein gemeinsames Ziel und ... Da ist natürlich, die ganze Hoffnung ist auf diesem Paar, das stimmt, ja. Weil man mit Charles und Camilla natürlich jetzt nicht so viel Staat machen kann.
von Billerbeck: Karina Urbach war das, Historikerin an der University of London, über Queen Elizabeth II., deren Thronbesteigung heute vor 60 Jahren proklamiert wurde. Ich danke Ihnen!
Urbach: Danke! Tschüss!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Karina Urbach ist Historikerin an der University of London, sie hat ein Buch über Queen Victoria geschrieben und kennt sich bestens aus mit der englischen Monarchie. Frau Urbach, ich grüße Sie!
Karina Urbach: Hallo, guten Morgen!
von Billerbeck: In der Zeit, als Elizabeth zur Königin proklamiert wurde, am Tag des Todes ihres Vaters, da sprach man von einem neuen Elizabethanischen Zeitalter. Was erhoffte man sich?
Urbach: Ja, das hat Churchill damals geprägt, diesen Begriff, und er hat eben in dieser Radioansprache zu Georg VI. Tod das gesagt, dass man jetzt die größten Perioden der britischen Geschichte immer mit den Regierungszeiten unserer Königin verbindet, und da meinte er Elizabeth I. und Victoria. Und er erhoffte sich eben, dass es da zu einer Wiederholung kommen würde. Er war ja selbst noch Viktorianer.
Aber das musste ziemlich schnell revidiert werden, denn Großbritannien in den 1950er-Jahren, das war ein sukzessiver politischer und wirtschaftlicher Verfall und Niedergang. Und als die Queen '52 das Staatsoberhaupt wurde, da befand sich Großbritannien auch noch mitten im Krieg, nämlich im Koreakrieg. Da waren 100.000 britische Soldaten im Einsatz und es war natürlich der Kalte Krieg, es war eine ziemlich schwierige Zeit für eine 25-Jährige, so eine große Verantwortung zu übernehmen.
von Billerbeck: Also sie Königin wurde, da lebte Stalin auch noch, das muss man sich auch noch mal so vor Augen führen. Elizabeth ist ja eine historische Person, kann man sagen, die mit David Cameron gerade ihren 13. Premierminister erlebt. Und das Empire musste in ihrer Zeit den Übergang vom 20. zum 21. Jahrhundert meistern und sie mit. Wie wichtig ist diese historische Figur, welche Bedeutung hat die Queen für Großbritannien?
Urbach: Sie ist so eine Art Klammer, würde ich sagen, die natürlich vor allem für das Commonwealth wahnsinnig wichtig ist. Denn das ist sozusagen ihr Projekt, da hat sie alle ihre Energie reingesteckt und wirklich etwas daraus gemacht, also aus den Problemen mit dem Empire, dem Niedergang, aber auch mit all den Verbrechen, die natürlich im Empire begangen wurden. Daraus hat sie etwas Positives geschaffen und hat versucht, eben dieses soziale Netz von diesen Staaten aufzubauen, von denen es natürlich sehr arme, afrikanische, aber auch sehr reiche sind wie Australien oder Neuseeland. Und die miteinander zu verbinden und ihnen eine gemeinsame Zukunft auch zu geben, das ist ihr größtes Projekt. Das Commonwealth ist eigentlich für sie das Allerwichtigste.
von Billerbeck: Es gab in der Zeit, seit Queen Elizabeth regiert, ja mehrere Premierminister. Eine davon, die ist uns sicher allen noch in Erinnerung, die achte Premierministerin, die sogenannte Eiserne Lady, das war Margaret Thatcher. Welche Rolle kam Queen Elizabeth in dieser Zeit zu, in der Zeit von Sparmaßnahmen, Streiks ...
Urbach: Also, bei Thatcher, da kann man nur Charles Dickens Satz anwenden, also, sie war die Beste und sie war der schlechteste Premierminister aller Zeiten. Und mit dieser Ambivalenz hat natürlich auch Elizabeth kämpfen müssen. Denn die beiden sind zwar Altersgenossinnen, aber sie sind trotzdem Lichtjahre voneinander entfernt. Weil, Thatcher ist eine Frau, die sich nach oben gearbeitet hat und Privilegien verachtet, und die Queen verdankt natürlich ihren Beruf vor allem Privilegien.
Und als Thatcher dann '79 an die Macht kam, hat sie das Land furchtbar gespalten. Sie war eben eine völlig neue Form von Konservativer. Sie beendete zwar die Streiks und den Reformstau, aber sie machte es mit großer sozialer Härte. Und es war eben die soziale Härte, die die Königin nicht nachvollziehen konnte. Und sie hat damals auf ihre Art reagiert: Sie hat so '86 einen Artikel lancieren lassen, in dem Leute aus ihrer unmittelbaren Umgebung gesagt haben, die Königin fände Frau Thatcher gefühllos, konfrontativ und eine gesellschaftliche Spalterin.
Das war natürlich ein Skandal damals, aber die Queen sorgte sich eben um zwei Punkte: Eben vor allem die geringe Unterstützung für weniger privilegierte Schichten, die Thatcher natürlich nicht interessierten, und dann auch über die Thatcher-Politik gegenüber dem Commonwealth, weil Thatcher ja damals das Apartheidregime in Südafrika unterstützte und die anderen Commonwealthstaaten dagegen protestierten. Und da kam es natürlich zu furchtbaren Spannungen innerhalb des Commonwealth.
Also, die Queen hat dann später zwar Thatcher auch immer wieder ausgezeichnet, auch mit dem Order of the Garter, aber die beiden Frauen sind nie ganz warm miteinander geworden.
von Billerbeck: Nun sagen Sie, die Queen hat Thatcher für gefühllos gehalten. Wenn man erlebt hat, wie die Queen mit ihrer Schwiegertochter Lady Diana und auch nach deren Unfalltod umgegangen ist, dann hat es einen gefröstelt und von Gefühlen war da eigentlich auch nicht viel zu spüren. Sie müssen ja jetzt nicht den Seelmann-Eggebrecht geben, aber wie kalt geht es in einer königlichen Familie zu?
Urbach: Ja, das ist natürlich, das war ihr größter Fehler. Und, aber das zeigt natürlich auch, dass sie lernt. Ich möchte das nicht relativieren, es war natürlich gefühlskalt. Aber sie ist das Produkt einer Generation, in der natürlich Affektkontrolle das Allerwichtigste war. Sie ist noch aufgezogen worden von ihrer Großmutter Queen Mary, dass man sich nie gehen lässt, dass man niemandem von seinen Problemen erzählt, dass man nie öffentlich weint. All diese Sachen sind natürlich total in ihr drin. Und deswegen, weil sie so und so eine sehr introvertierte Frau ist und auch sehr distanziert immer gewirkt hat, war für sie das natürlich ein Fall, den sie einfach nicht lösen konnte. Sie wusste nicht genau, wie sie sich verhalten sollte.
Diese Distanziertheit, die wurde ja schon früher an ihr kritisiert, diese Kritik kommt auch schon in den 70er-Jahren auf. Aber in gewisser Weise war dieses Diana-Fiasko natürlich auch sehr hilfreich, weil sie dadurch was gelernt hat. Und man kann sagen, dass sie jetzt im Alter diesen absoluten Höhepunkt ihrer Popularität erreicht hat und dass sie jetzt ihre Rolle wirklich gefunden hat. Also, der Lord (???) hat gesagt, seitdem Queen Mum tot ist, blüht die Queen richtig auf. Das klingt jetzt zwar zynisch, aber ihre Mutter scheint sie wirklich zurückgehalten oder überschattet zu haben. Und sie hat jetzt diese Rolle der liebevollen Großmutter gefunden und das macht sie wirklich gut.
von Billerbeck: Sagen Sie uns doch noch mal ein paar Worte über die Kindheit dieser Elizabeth. Was hatte sie für eine Kindheit, was für eine Jugend?
Urbach: Ja, also, das war eben eine etwas merkwürdige Kindheit. Sie wusste ja nicht, dass sie Thronfolgerin werden würde, das war ja einfach nur ein Zufall, dass ihr Onkel abdankte. Und sie hat eben diese sehr, sehr beliebte Mutter, die natürlich ... also, nicht sehr intellektuell anspruchsvoll ...
von Billerbeck: ... Queen Mum ...
Urbach: ... Queen Mum, genau, Queen Mum hat ihr immer nur Trivialliteratur zu lesen gegeben und ihre Ausbildung war deswegen einfach nicht besonders gut. Also, sie hat erst sehr viel später natürlich, als sie schon Königin war, mit 25, hat sie dann sozusagen einen Schnellkurs gemacht. Und vorher hatte sie einfach so das übliche Leben eines Oberschichtmädchens, wo man nicht sehr viel Wert auf die Erziehung legt, auf die gute akademische Ausbildung, sondern wo es halt wichtig war, dass man ein bisschen Klavier spielte, Französisch lernte, und das war's dann.
von Billerbeck: Trotzdem hat sie auch ihren Vater gebeten im Zweiten Weltkrieg als Jugendliche, irgendwie mitzuhelfen, und hat eine Ausbildung als Automechanikerin bekommen, habe ich gelesen. Was ist das?
Urbach: Ja, das ist wirklich gut! Also, sie ist ein sehr praktischer Mensch. Also, sie kann bis jetzt auch anscheinend noch ihre Autos selbst reparieren und ich habe sie nur einmal gesehen ...
von Billerbeck: ... ist irgendwie beruhigend ...
Urbach: ... das ist sehr beruhigend, obwohl sie ja wirklich viele Leute hat, die ihr helfen. Aber sie fährt natürlich diese Autos auch selbst noch und sehr schnell, also, sie kann sehr schnell Auto fahren. Also, sie hat da doch einen männlichen Zug, ja, das ist ganz interessant an ihr.
von Billerbeck: Nun spricht man ja immer von der gekrönten Republik, wenn es um Großbritannien geht. Was bedeutet dieses Regierungssystem und welche Zukunft hat es?
Urbach: Ja, das ist natürlich interessant, was für eine Rolle spielt sie eigentlich noch politisch. Und da würde man sagen, sie hat eben, was Max Weber Herrschaftswissen nennt. Also, sie hat so eine lange Erfahrung und sie kennt wirklich jeden in der Politik, und wenn sie jemandem, also einem Politiker vielleicht eine Lösung nahebringen will, dann erzählt sie denen eine Geschichte oder eine Anekdote von irgendwelchen Erlebnissen vor 20 Jahren, um denen auf subtile Weise deutlich zu machen, dass man vielleicht so an die Sache herangehen sollte.
Also, sie ist auch natürlich diejenige, die alle Regierungspapiere liest, also in Whitehall nennt man sie die Leserin Nummer eins, das heißt also, sie bekommt alle Staatspapiere in diesen roten Boxen geliefert und arbeitet die tatsächlich durch. Und ein hoher Beamter hat mal erklärt, warum das so wichtig für ihn und seine Kollegen ist: Er sagt, sie ist eben so eine Kontrollinstanz für uns. Wenn wir nicht das Gefühl hätten, dass sie also diese Unterlagen nicht gelesen hat, dann würden wir die Dinge einfach schleifen lassen. Aber so wissen wir, dass sie nachfragt, wenn etwas unklar ist oder wir einen Fehler gemacht haben.
Und das ist eben ihre Methode. Sie sagt nie, ich bin der Meinung, das ist eine Fehlentscheidung, sondern stattdessen stellt sie Fragen. Also, wenn sie mit den Antworten nicht zufrieden ist, dann stellt sie immer noch mehr Fragen. Und das ist eine sehr indirekte Art, Einfluss zu nehmen. Aber eine ausgesprochen erfolgreiche, anscheinend.
von Billerbeck: Nun erleben wir ja gerade so eine Art Sezessionsbestrebungen der Schotten. Dennoch, auch die wollen, obwohl sie von Großbritannien weg wollen, die Queen behalten. Warum das?
Urbach: Ja, das ist sehr interessant, dass die Royal Family in Schottland also wirklich beliebt ist. Und das kommt auch wieder von Queen Victoria, die im 19. Jahrhundert eben dieses sehr enge Band mit Schottland gefestigt hat, die also überhaupt erst Balmoral gebaut hat natürlich, dieses Schloss vollkommen umgebaut hat ...
von Billerbeck: ... dieses kalte Schloss ...
Urbach: ... ja, dieses kalte Schloss! Ich glaube, sie hatte ja eben auch noch die Fenster aufgerissen, aber ... Sie liebte eben diese schottische Landschaft und auch die schottischen Menschen, weil, sie fand sie bodenständig und interessanter als die Engländer, die ihr – also, natürlich in London – alle zu oberflächig und trivial waren, und die Schotten waren für sie einfach der ehrlichere Menschenschlag, so hat sie das immer wieder von sich gegeben.
Aber Elizabeth hat das natürlich so fortgeführt und diese Balmorality, also, dieses Landleben, das man da führt, ist für die Royal Family sehr, sehr wichtig und hat sie natürlich in Schottland auch sehr populär gemacht.
von Billerbeck: Nun haben wir eine neue Generation, die da schon in den Startlöchern steht, Kate und William. Wie werden die die Monarchie prägen, wenn sie denn je drankommen?
Urbach: Ja, das wird interessant werden. Also, man sagt einfach, dass sie sehr ähnlich wären Elizabeth und Philip. Das wird immer wieder als Hoffnungsschimmer sozusagen gesehen, das ist jetzt vielleicht mal eine Ehe, die hält, und die haben einfach gemeinsame Interessen, die haben ein gemeinsames Ziel und ... Da ist natürlich, die ganze Hoffnung ist auf diesem Paar, das stimmt, ja. Weil man mit Charles und Camilla natürlich jetzt nicht so viel Staat machen kann.
von Billerbeck: Karina Urbach war das, Historikerin an der University of London, über Queen Elizabeth II., deren Thronbesteigung heute vor 60 Jahren proklamiert wurde. Ich danke Ihnen!
Urbach: Danke! Tschüss!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.