Königliche Teppichmanufaktur Spaniens

Die Rettung kam aus Sachsen

Ensemble des Dresdner Residenzschlosses
Das Dresdner Residenzschlosses - Der Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement hat 32 Wandtapisserien für einen Paradesaal des Schlosses bei der Königlichen Teppichmanufaktur in Madrid bestellt. © dpa / picture alliance / Ralf Hirschberger
Von Gregor Ziolkowski |
Die renommierte Königliche Teppichmanufaktur in Madrid, wo einst das Maler-Genie Francisco de Goya arbeitete, musste Anfang 2016 fast Insolvenz anmelden. Doch dann kam ein Auftrag aus Sachsen rein - der bislang größte Einzelauftrag in der Geschichte der Manufaktur.
Dass eine Wirtschaftskrise auch kulturelle Institutionen heftig trifft, ist keine überraschende Neuigkeit. Eine Einrichtung wie die Real Fábrica de Tapices, die Königliche Teppichmanufaktur in Madrid, hat das besonders schmerzlich erfahren. Getragen zwar von einer gemeinnützigen Stiftung, die auch Subventionen erhält, muss sie dennoch einen Teil ihres Budgets selbst erwirtschaften. Aber wer kann in Zeiten von Sparetats schon Geld ausgeben für handgefertigte und darum nicht ganz billige Wandbehänge oder Teppiche? Antonio Sama, Kustos der Real Fábrica de Tapices, beschreibt die Situation, wie sie noch vor Kurzem bestand.
"Im vergangenen Jahr steckten wir in einer sehr schwierigen Lage: Wir hatten einen enormen Schuldenberg angehäuft und konnten monatelang unsere Mitarbeiter nicht bezahlen. Eine wirklich hochexplosive Situation, wir standen kurz davor, Insolvenz anzumelden. Unserem Stiftungsrat, dem auch staatliche, regionale und kommunale Verwaltungen angehören, ist es dann doch noch gelungen, eine Umschuldung herbeizuführen. Und paradoxerweise bekommen wir seitdem sehr bedeutende Aufträge. Der wohl wichtigste ist der aus Sachsen für die Reproduktion von 32 Wandtapisserien für den ersten Paradesaal im Westflügel des Dresdner Residenzschlosses, den der Kurfürst-König August der Starke erbauen ließ."

Ein Teppichwirker braucht 14 Monate für einen Quadratmeter

Antonio Sama erzählt das mit spürbarer Erleichterung. Seit 1721 gibt es diese Produktionsstätte, der erste spanische Bourbonenkönig Philipp V. hat sie gegründet, beinahe zur gleichen Zeit, da August der Starke seine Dresdner Paraderäume in Auftrag gab. Seit Ende des 19. Jahrhunderts residiert die Manufaktur in einem Gebäudekomplex unweit des Hauptbahnhofs Atocha und beschäftigt mehrere Dutzend Mitarbeiter. Jedoch: Die Krise hat tiefe Kerben geschlagen. Als der Auftrag aus Sachsen Anfang dieses Jahres besiegelt wurde, waren gerade einmal noch zwei Teppichwirker fest angestellt. Es sind jetzt wieder zehn, weitere werden gesucht, denn:
"Was an diesen Tapisserien kompliziert ist, ist ihre Feinheit. Die Fäden – aus Wolle oder Seide – sind geradezu extrem dünn und fein. Darum kommt man nur sehr langsam voran. Wir haben vor dem Vertragsabschluss ein Probestück angefertigt, eine Säulenbespannung, und dabei festgestellt, dass ein einzelner Teppichwirker für einen Quadratmeter etwa 14 Monate braucht."
Im Ergebnis von so viel Aufwand entstehen farbsatte und auf das Feinste konturierte textile Wand- oder Säulenbilder, die hier – praktisch seit 300 Jahren – in Handarbeit an den traditionellen Hochwebstühlen gefertigt werden. Apropos konturiert: Francisco de Goya, der fast 20 Jahre lang Kartons, die Vorlagen für die Wandteppiche, gemalt hat, war bei den Teppichwirkern der Real Fábrica de Tapices alles andere als beliebt. Seine leidenschaftliche, dabei die Konturen eher etwas verwischende, verschleiernde Pinselführung war für sie eine Zumutung. Aus ihrer Sicht war er schlicht ein Stümper, und ihre Beschwerden sind ebenso dokumentiert wie Goyas Verärgerung darüber.

Mit Geduld und akribischem Können

In der Werkstatt selbst kann man diesen hochkomplexen Prozess nur bestaunen. Rund ein Dutzend Teppichwirkerinnen und -wirker sitzen hinter ihren Hochwebstühlen, zur Hand eine Vielzahl von Klöppeln mit den verschiedenfarbigen feinen Schussfäden aus Wolle oder Seide, die sie zwischen die senkrecht und eng auf dem Rahmen angeordneten Kettfäden aus Leinen wirken. Antonio Sama erklärt das Verfahren.
"Als erstes muss man die Vorlage abpausen. Darum muss der Karton exakt die gleichen Maße haben wie später der Teppich. Man verwendet dazu eine Acetatlösung und paust die Hauptlinien der Vorlage auf ein Blatt. Diese Hauptlinien überträgt man dann von dem Pausblatt auf die Leinenfäden im Webstuhl. Und dann kann das Wirken beginnen. Hier sieht man, wie diese Linienführung auf die Leinenfäden übertragen wurden, das ist die Orientierung für den Wirker, der dann die farbigen Fäden waagerecht einzieht."
Hier beginnt das Eigentliche. Auf der Rückseite des entstehenden Bildes inmitten dieser Vielzahl von Klöppeln sitzend, haben die Teppichwirker den Karton, ihre Vorlage, vor sich. Mit Hilfe eines vor dem Webstuhl aufgestellten Spiegels kontrollieren sie, ob das, was da Fädchen für Fädchen entsteht, der Vorlage entspricht. Ein wahrlich mühseliger, Geduld und viel akribisches Können erfordernder Prozess.
Bis 2019 muss der mit einem Volumen von knapp 1,2 Millionen Euro bislang größte Einzelauftrag in der Geschichte der Madrider Königlichen Teppichmanufaktur fertig sein. Dann soll, 300 Jahre nach seiner ursprünglichen Errichtung, der repräsentativste Teil des Dresdner Residenzschlosses erneut eröffnet werden.
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