Königliches auf kleiner Bühne
Die vierfach oscargekrönte Produktion "The King's Speech" weckt hohe Erwartungen. Das St. Pauli Theater in Hamburg wird dem in jeder Weise gerecht. Mit einem rasanten Wechsel aus Video- und Spielszenen gestaltet das Ensemble einen furiosen Abend.
Vier Oscars war der Film von Tom Hooper wert im vorigen Jahr - "The King's Speech" erzählt die Geschichte von Georg VI., dem britischen König, der 1937, bei der Thronbesteigung, noch stark stotterte, zwei Jahre später jedoch das Volk mit einfühlsamen Reden in den Krieg gegen Nazi-Deutschland führte. Anfang des Jahres wurde das Stück zum Film in London uraufgeführt, jetzt zeigt nicht etwa ein großes Staatstheater, sondern das private kleine "St.-Pauli-Theater" in Hamburg die deutsche Erstaufführung. Ein Highlight?
Vorsicht: Nicht jedes so genannte "well made play" ist automatisch auf der Bühne auch "well done"; und auch wo "Oscar" drauf steht auf dem Titel eines Drehbuch fürs Kino, ist nicht selbstverständlich auch ein Top-Text fürs Theater drin! Beides gilt für David Seidlers Vorlage für Tom Hoopers Film, der dem ausgefallenen Thema zum Trotz derart durchschlagend erfolgreich war. Und dennoch ist es das Verdienst des Inszenierungsteams um Michael Bogdanov, den einst so glücklosen englischen Chef am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, dass das Kunststück der sehr besonderen Art gelingt - ein Kino-Erfolg, der auf der Bühne mindestens eben so stark, wenn nicht stärker wirkt als auf der Leinwand; ein Stück für die Bühne, das den Kinofilm weithin vergessen lässt, und zwar verrückterweise, indem es ihn unablässig beschwört. Das ist ein echtes Paradox und muss erklärt werden.
Zum einen ist Bogdanovs Inszenierung inhaltlich auf Augenhöhe - sie bekommt zum einen all das freundliche Gemenschel der Story so gefühlvoll wie geschickt in den Griff: vom missachteten Zuwanderer aus dem australischen Hinterland, der dem frisch gekrönten englischen König das Stottern wegtrainiert, indem er ihn singen, tanzen oder mit vulgären Kraftausdrücken um sich werfen lässt. Zum anderen aber bleiben die politischen Dimensionen der Geschichte immer im Blickfeld - denn dieser Königssohn Albert, nur Zweitgeborener der Monarchie, folgt ja auf den beliebten Vater sowie den auch viel machtbewussteren Bruder David in genau dem Augenblick, da der Krieg schon vor der Türe steht.
Deutschland feiert bereits "den Führer"; und David, der abtrünnige Königsbruder, will auch mit Krone frei sein und tun und lassen was er will, weshalb er für eine unpassende Liaison die Herrschaft drein gibt, unstandesgemäß heiratet und sich danach sogar dem Berliner Nazi-Schreihals als Verbündeter anbietet.
Der scheue Albert dagegen, gehänselt für's Stottern und auch sonst geschunden seit Kindesbeinen, wollte nie König sein - nun findet er sich selbst, und zwar sowohl den eigenen Wert als Mensch als auch die Verantwortung als König, in der mit Sprechlehrerhilfe gewonnenen Sprache. Und er gewinnt -als neuer König Georg VI.- das Volk; vielleicht sogar den Krieg.
All das steckt bereits in David Seidlers brillant geschriebener, pointensatter Story über die Royals und den "underdog"; Bogdanovs Hamburger Team aber -und das ist das wirkliche Ereignis in Hamburg!- lockt all das hervor in einem technischen Parforce-Ritt, wie ihn lange keine Bühne mehr gezeigt hat.
Ausgerechnet das winzige, eigentlich völlig unterdimensionierte Theaterchen an der Reeperbahn verwandelt sich für zwei Stunden in eine fulminant und fehlerfrei auf Hochtouren ratternde Phantasie-Maschine voll von pfiffig über- und hintereinander projizierten Bühnenbildern, historischen Video-Sequenzen, grandios gemischter Musik von Händel bis Swing; atemlos und hoch konzentriert fliegt das Ensemble durch die Handlung - und zwischen manchmal nur zwei Sätze langen Szenen und Szenchen kommt nicht eine Sekunde lang Umbaupausenlangeweile auf.
Das Haus hat ja keine Drehbühne, nur zwei Leinwände rasen rauf und runter und werden geflutet mit Bildern - schnell ist der Abend wie ein Film, auch wenn er den Schnitt zwischen Szene und Szene hier und da nicht kennt. Das war gemeint mit dem Paradox - der Abend ist schnell wie ein Film; und sein Zauber entstammt ganz und gar und elementar dem langsamen Theater.
Mitten im prachtvoll sortierten Ensemble (immerhin sind Winston Churchill und die "Queen Mum" als junge Frau zu besetzen!) strahlt in den Hauptrollen obendrein auch noch ein Traumpaar: Marcus Bluhm, sonst doch meistens eher als hübscher Oberflächling im Einsatz, durchkämpft hier knallhart und grundsätzlich den Selbstfindungskampf des Königs, der keiner sein will, aber einer sein muss; und der fernseh- und "Tatort"-erprobte Boris Aljinovic ist ein derart herzenskluger, frecher, komischer und gelassener Sprachlehrer, dass dem Hamburger Publikum das Herz übergeht vor Freude und Lust und zu Recht: "The King's Speech" gehört schlicht zum Schönsten, was in dieser Theatersaison zu sehen ist!
Homepage St. Pauli Theater
Vorsicht: Nicht jedes so genannte "well made play" ist automatisch auf der Bühne auch "well done"; und auch wo "Oscar" drauf steht auf dem Titel eines Drehbuch fürs Kino, ist nicht selbstverständlich auch ein Top-Text fürs Theater drin! Beides gilt für David Seidlers Vorlage für Tom Hoopers Film, der dem ausgefallenen Thema zum Trotz derart durchschlagend erfolgreich war. Und dennoch ist es das Verdienst des Inszenierungsteams um Michael Bogdanov, den einst so glücklosen englischen Chef am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, dass das Kunststück der sehr besonderen Art gelingt - ein Kino-Erfolg, der auf der Bühne mindestens eben so stark, wenn nicht stärker wirkt als auf der Leinwand; ein Stück für die Bühne, das den Kinofilm weithin vergessen lässt, und zwar verrückterweise, indem es ihn unablässig beschwört. Das ist ein echtes Paradox und muss erklärt werden.
Zum einen ist Bogdanovs Inszenierung inhaltlich auf Augenhöhe - sie bekommt zum einen all das freundliche Gemenschel der Story so gefühlvoll wie geschickt in den Griff: vom missachteten Zuwanderer aus dem australischen Hinterland, der dem frisch gekrönten englischen König das Stottern wegtrainiert, indem er ihn singen, tanzen oder mit vulgären Kraftausdrücken um sich werfen lässt. Zum anderen aber bleiben die politischen Dimensionen der Geschichte immer im Blickfeld - denn dieser Königssohn Albert, nur Zweitgeborener der Monarchie, folgt ja auf den beliebten Vater sowie den auch viel machtbewussteren Bruder David in genau dem Augenblick, da der Krieg schon vor der Türe steht.
Deutschland feiert bereits "den Führer"; und David, der abtrünnige Königsbruder, will auch mit Krone frei sein und tun und lassen was er will, weshalb er für eine unpassende Liaison die Herrschaft drein gibt, unstandesgemäß heiratet und sich danach sogar dem Berliner Nazi-Schreihals als Verbündeter anbietet.
Der scheue Albert dagegen, gehänselt für's Stottern und auch sonst geschunden seit Kindesbeinen, wollte nie König sein - nun findet er sich selbst, und zwar sowohl den eigenen Wert als Mensch als auch die Verantwortung als König, in der mit Sprechlehrerhilfe gewonnenen Sprache. Und er gewinnt -als neuer König Georg VI.- das Volk; vielleicht sogar den Krieg.
All das steckt bereits in David Seidlers brillant geschriebener, pointensatter Story über die Royals und den "underdog"; Bogdanovs Hamburger Team aber -und das ist das wirkliche Ereignis in Hamburg!- lockt all das hervor in einem technischen Parforce-Ritt, wie ihn lange keine Bühne mehr gezeigt hat.
Ausgerechnet das winzige, eigentlich völlig unterdimensionierte Theaterchen an der Reeperbahn verwandelt sich für zwei Stunden in eine fulminant und fehlerfrei auf Hochtouren ratternde Phantasie-Maschine voll von pfiffig über- und hintereinander projizierten Bühnenbildern, historischen Video-Sequenzen, grandios gemischter Musik von Händel bis Swing; atemlos und hoch konzentriert fliegt das Ensemble durch die Handlung - und zwischen manchmal nur zwei Sätze langen Szenen und Szenchen kommt nicht eine Sekunde lang Umbaupausenlangeweile auf.
Das Haus hat ja keine Drehbühne, nur zwei Leinwände rasen rauf und runter und werden geflutet mit Bildern - schnell ist der Abend wie ein Film, auch wenn er den Schnitt zwischen Szene und Szene hier und da nicht kennt. Das war gemeint mit dem Paradox - der Abend ist schnell wie ein Film; und sein Zauber entstammt ganz und gar und elementar dem langsamen Theater.
Mitten im prachtvoll sortierten Ensemble (immerhin sind Winston Churchill und die "Queen Mum" als junge Frau zu besetzen!) strahlt in den Hauptrollen obendrein auch noch ein Traumpaar: Marcus Bluhm, sonst doch meistens eher als hübscher Oberflächling im Einsatz, durchkämpft hier knallhart und grundsätzlich den Selbstfindungskampf des Königs, der keiner sein will, aber einer sein muss; und der fernseh- und "Tatort"-erprobte Boris Aljinovic ist ein derart herzenskluger, frecher, komischer und gelassener Sprachlehrer, dass dem Hamburger Publikum das Herz übergeht vor Freude und Lust und zu Recht: "The King's Speech" gehört schlicht zum Schönsten, was in dieser Theatersaison zu sehen ist!
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