Wenn wir uns als Hardbodys sehen, befinden wir uns in einer Gesellschaft, die aus Wettbewerb und Widerstand besteht, in der jeder für sich selbst schauen muss, wo er bleibt, in der wir uns im Konkurrenzkampf gegeneinander durchsetzen und in der wir das, was wir erreichen, als ein direktes Abbild unserer Leistung und unserer Anstrengung sehen.
Körperkult
Der Körper als geformter Geist: Der Philosoph und Publizist Björn Vedder zeichnet nach, wie der "Hardbody" seit der Renaissance zu einem wirkmächtigen Idealbild wurde. © Unsplash/ Norbert Buduczki
Der "Hardbody" - ein narzisstischer Panzer?
27:24 Minuten
Fit, trainiert und wohlgeformt: Das Ideal des "Hardbody" lasse nicht nur viele Menschen mit dem eigenen Körper hadern, sagt der Philosoph Björn Vedder. Es sei auch Ausdruck einer Gesellschaft, die uns stur auf Wettbewerb und Leistung trimmt.
Im ersten Lockdown der Coronapandemie hat der Philosoph und Publizist Björn Vedder sein persönliches Sportprogramm intensiviert. Wie viele andere richtete er sich zu Hause einen Fitness-Raum ein, stemmte täglich Hanteln und fand Gefallen an einem Online-Kurs, wie ihn auch Schauspieler absolvieren, die beim Muskelaufbau schnelle Erfolge anstreben, weil sie im nächsten Film einen durchtrainierten Charakter verkörpern.
Vedder genießt das Training bis heute, aber der soghafte Reiz, der ihn dazu antreibt, hat ihn selbst verwundert.
Faszination des durchtrainierten Körpers
Das Erstaunen über den eigenen Elan und die Frage, was so viele Menschen am "Hardbody", dem durchtrainierten, von Anstrengung und Disziplin geformten Körper fasziniert, gaben ihm den Anstoß, einen Essay über den modernen Fitnesskult zu schreiben.
Wie also wurde der magere, harte, sportliche Idealkörper, der heute durch Magazine, Fernsehbilder und Instagramprofile allgegenwärtig ist, zu einer derart wirkmächtigen Norm, mit der viele von uns täglich hadern? Vedder verfolgt seine Vorgeschichte bis in die Renaissance zurück, als Menschen begannen, in Städten dichter zusammen zu leben und zu arbeiten. Benimmbücher aus dieser Zeit weisen zum Beispiel ausdrücklich darauf hin, dass die Geschlechtsorgane zu bedecken seien, um die zunehmende Nähe sozialverträglich zu gestalten.
Disziplin und Kontrolle von Affekten
"Man sieht also, wie bestimmte Teile des Körpers tabuisiert wurden, um damit bestimmte Affekte zu unterdrücken und den Menschen insgesamt zu disziplinieren und arbeitsfähig zu machen", erklärt Vedder. Bei Sigmund Freud, der beschrieb, wie der Körper in der bürgerlichen Gesellschaft zu "einer Art von stummer Kleiderpuppe" wurde, lasse sich diese Entwicklung weiterverfolgen.
Ihren vorläufigen Schlusspunkt unter dem Vorzeichen des Kapitalismus erreiche sie mit unserem heutigen Verständnis des Körpers "als Ausdruck der Durchsetzungsfähigkeit, Stärke und des sich seinen eigenen Platz in der Welt Erkämpfens". Der Hardbody, sagt Vedder, ist eine Galionsfigur des Neoliberalismus.
Alles Weiche, Offene, Verletzliche ist aus diesem Körperbild ausgegrenzt. Als Gegenstück zum Hardbody werden die Softbodys der weniger Trainierten, vom Idealbild Abweichenden und erst recht der Alten oder Kranken zur Zielscheibe ständiger Beschämung, indem sie als Zeugnis selbst verschuldeter Schwäche oder persönlichen Versagens gedeutet werden.
Björn Vedder: "Solidarische Körper. Die Aufweichung des Hardbodys in der flüssigen Moderne"
Büchner Verlag, Marburg 2022
156 Seiten, 18 Euro
"Der Hardbody verdrängt bewusst, dass wir nicht Planeten sind, die durch eigene Kraft angetrieben durch das Weltall reisen, sondern dass wir alle in ein Netz des Lebens mit vielfältigen Abhängigkeiten und Beziehungen eingebunden sind", sagt Vedder.
Verbundenheit und gegenseitige Verantwortung
Der Konkurrenzlogik des Hardbodys setzt er daher ein Konzept "solidarischer Körper" entgegen. "Wir müssen uns davon verabschieden, Körper danach zu beurteilen, wie sie aussehen, und eher darauf achten, wie sie mit anderen Körpern in Beziehung sind", sagt Vedder. Dieser Perspektivwechsel eröffne die Chance auf eine solidarischere Gesellschaft:
"Es müsste eine Gesellschaft sein, die gegenseitige Abhängigkeiten anerkennt, und die aufhört zu glauben, Menschen hätten das, was sie erreichen, allein sich selbst zu verdanken – die also auch anerkennt, wie wir in vielfältigen Beziehungen und damit auch Verantwortlichkeiten gegenüber anderen Menschen und auch anderen Lebewesen und der Natur stehen."
(fka)