Dr. Peter Modler, langjährige Führungspraxis als Manager und
Unternehmer. Seit 1998 eigene Unternehmensberatung. Lehrauftrag an der Universität Freiburg im Breisgau. Lehr-Coach und Bestseller-Autor ("Mit Ignoranten sprechen. Wer nur argumentiert, verliert").
Choreografie fürs Kanzleramt
04:08 Minuten
Der eine steht rum, die anderen machen "Movetalk". Je näher der Wahltermin rückt, umso wichtiger werden nonverbale Botschaften der Kandidaten, meint der Berater Peter Modler: wer sich wie bewegt und im Raum aufstellt und wer mit welchem Tempo spricht.
Er ist dünner als früher, ist Ihnen das aufgefallen? Er lächelt auch mehr als früher, trotz seines Anteils am Wirecard-Skandal. Olaf Scholz nämlich. Ansonsten steht er in der Gegend herum oder sitzt, mehr muss er nicht tun. Während seine Konkurrenz jojo-mäßig rauf und runter hüpft. Nein, ich rede gar nicht von Grafiken zur Wählergunst, sondern von Armin Laschets Bewegungen, wenn er eine Rede hält und einfach nicht stillstehen kann. Fachleute nennen ja Bewegungsmuster im Raum "Move Talk", so etwas wie Gebärdensprache, womit man durchaus nicht nur Taube und Stumme erreicht. Je näher der Wahltermin rückt, umso gewichtiger werden solche Botschaften.
Da spielt es auch eine enorme Rolle, wie jemand mit seiner Körpergröße umgeht. Laschet und Merkel sind etwa gleich groß, aber Söder überragt sie um einen ganzen Kopf. Als die drei gleichzeitig auf die Bühne gehen, macht darum der Generalsekretär der CDU, Paul Ziemiak, beim Wahlkampfauftakt im Tempodrom deutlich sichtbare, separierende Handbewegungen Richtung Bühne. Woraufhin Laschet und Söder sofort Abstand herstellen. Der Lange und der Kurze sollten nicht einfach nebeneinander stehen. Da hat jemand kapiert, was Move Talk heißt.
Rautenhände und Scholzomaten
Der Gipfel solcher choreografischen Zeichenhandlungen ist natürlich, wenn ein ansonsten betulich auftretender "Scholzomat" sich auf der Titelseite eines Magazins so abbilden lässt, dass seine Hände die Merkelsche Raute machen. Kann es mehr Versprechen auf Kontinuität geben? Die SPD-Linke hält das vermutlich für super ironisch, haha, aber der, der das tut, womöglich gar nicht so sehr, wie es Esken gern hätte.
Die Grünen waren ursprünglich mit einem Move Talk gestartet, der geradezu erdrückend raffiniert war. Bei der Kandidatenverkündigung Baerbock statt Habeck hatten sie das ja vor einer Kulisse aus Moosen und Pflanzen gemacht, mit einem derart frischen Grün, man hätte ein Käfer werden wollen.
Aber als dann der Parteiapparat einen Fehler nach dem anderen beging, Stichwort Plagiat, lieferte die Kandidatin jedenfalls kaum noch öffentlichen Move Talk, stattdessen griff sie zu verbaler Rechtfertigung. Ein Reflex, der nur immer noch mehr schwächen kann. Bilder wären eine Antwort gewesen, nicht Argumente, aber die entsprechenden Motive gab es nicht, nicht mal auf Youtube. Und Baerbocks schwarze Lederjacke ist ein bisschen dünn.
Ruhe als Botschaft von Souveränität
Laschets Move Talk mit der Erkennungsmarke seines Bergmannvaters hatte seinerzeit noch grandios Merz und Röttgen hinausgekegelt. Aber dann hat er sich wieder selbst mit Bildern sabotiert: er allein unter dem Regenschirm, mit elegantem Halbschuh in der Flutkatastrophe, mit Rednerpult vor einem Müllberg.
Was nun noch Gewicht haben wird, ist das Tempo. Je hektischer alles wird, umso mehr bekommt die Person Wirkung, die die Hektik nicht mitmacht. Manche würden es für Bräsigkeit halten, am Ende ist es aber abgefeimtes politisches Kalkül, wenn einer nur rumsteht, grinst und kurz und langsam etwas sagt. Das an sich ist schon eine Botschaft von Souveränität, die man denen nicht abnimmt, die in schneller Diktion eine Formulierung nach der anderen herausjagen.
Was übrigens jemand wie Schnellsprecher Lindner von der FDP nie begriffen hat, genauso wenig aber auch Baerbock oder Laschet. Habeck übrigens schon. Es ist nicht einfach Grübelei, wenn er Pausen beim Reden macht, es ist eben auch Wirkung. Die Person, die davon am meisten erzeugt, ist am Ende die, die verbal überhaupt nichts äußert. Außer dem gelassenen Herzeigen der Raute.