Aber das beste Beispiel zur Interpretation dieser Körpersprache ist doch, die Älteren erinnern sich an einen der besten Fußballer, die in Deutschland je gespielt haben: Franz Beckenbauer. Er hat grundsätzlich den Kopf hochgehabt, er hat grundsätzlich eine körperliche Arroganz mehr oder weniger vermittelt, ein unglaubliches Selbstbewusstsein vermittelt. Und das wurde natürlich interpretiert als Arroganz.
Körpersprache im Sport
Körpersprache gehört zum Wettkampf: Sadio Mané (l.) gestikuliert im Spiel des FC Bayern gegen den VfL Wolfsburg. © dpa / picture alliance / Ulmer
Kopf hoch und klare Ansage
06:34 Minuten
Ernster Gesichtsausdruck, erhobenes Kinn und eine breite Brust: So sieht die Körpersprache aus, die Spieler, Trainer und Schiedsrichter im sportlichen Wettkampf einsetzen. Wie sinnvoll ist dieses Alphamännchen- oder Alphaweibchen-Gehabe im Sport?
„Gerade so dominierende Sportler, die zeichnen sich dann auch dadurch aus, dass sie eben in ihrer Körpersprache, in ihrer Mimik irgendwie keinerlei Unsicherheit zeigen“, sagt Philip Furley, Psychologe an der Deutschen Sporthochschule in Köln.
Imponiergehabe gilt immer mehr als Zusatzmittel zum Sieg, als Kampfstoff, indem man sich selbst versucht, in Pose zu setzen und Gegnerinnen und Gegner zu beeindrucken.
„Das schüchtert natürlich die Gegner ein. Und wenn man es erst mal zu der Spitze geschafft hat, ist das, glaube ich, auch so eine Art und Weise, was dazu führt, dass man an der Spitze bleibt“, erklärt er. „Es gibt mit Sicherheit solche Feedbackschleifen, dass wenn man gewisse Körpersprachen, gewisse Mimik einnimmt, dass sich das auch auf die psychologische Befindlichkeit auswirkt. Aber ganz so einfach ist es nicht, also das klappt nicht immer, wie einige Studien nahelegen.“
Ein aufgemotztes Ego für die Mannschaft
Manche scheinen ihr Dominanzbedürfnis mit der Muttermilch aufgesogen zu haben, sie sind präsent, demonstrieren eine breite Brust und haben das Verhalten der "Number One" per se verinnerlicht.
Usain Bolt war so einer. Schon am Startblock dominierte er während der Vorstellung der Sprinter. Muhammad Ali war in allen Belangen der Größte und er wusste das, ein klarer Punktgewinn bereits vor dem Kampf. Stefan Effenberg konnte sein aufgemotztes Ego auf die gesamte Mannschaft übertragen.
Als er im Champions-League-Halbfinale gegen Manchester United ohne Not Beckham in die Beine fuhr, war das lediglich eine Ansage, um den Gegnern, aber auch den Mitspielern des FC Bayern München zu demonstrieren, dass man sich wehren wolle und gefälligst solle.
Effenberg galt als "Aggresive Leader"
„Stefan Effenberg, wie andere auch in dieser Güteklasse, waren diese sogenannten ‚Aggressive Leader‘. Da hat man gleich an der Körpersprache gesehen, was er so vorhat, an der Körpersprache sein Selbstbewusstsein vermittelt“, sagt der ehemalige Bundesligatrainer Peter Neururer.
Da auch Trainer wissen, wie wichtig ein überzeugendes Auftreten ist, sieht man sie immer wieder am Spielfeldrand gestikulieren, man solle sich gefälligst recken, aufraffen, die Brust breitmachen und dagegenhalten – for what?
„Es ist allerdings landläufig der größte Schwachsinn, den man sich überhaupt vorstellen kann. Denn man stelle sich vor, du spielst mittlerweile in einem Stadion, Bundesligaschnitt 45.000 Zuschauer“, erklärt Peter Neururer.
„Was da für eine Akustik unten auf dem Rasen vorherrscht, sodass ich zum Beispiel unten sitzend meinen Co-Trainer anschreien muss. Die Einflussnahme des Trainers am Spielfeldrand ist so gut wie null. Ob der Trainer hoch und runter rast, Gestiken, Mimiken oder reinschreit oder nicht, spielt überhaupt keine Rolle, denn der Spieler nimmt das gar nicht wahr.“
Manche Trainer bleiben einfach sitzen
Es gibt coole Coaches, die bleiben einfach sitzen, weil sie wissen, dass sowieso nichts mehr zu ändern ist. Carlo Ancelotti ist so einer, kaut stoisch Kaugummi, oder früher Ernst Happel.
„Ernst Happel hat rauchenderweise auf der Bank gesessen, Ewald Lienen hat einige Szenen mitgeschrieben“, erzählt Neururer. „Es gibt auch den Neururer der jungen Jahre, der hoch und runter gelaufen ist, wild gestikulierend – vergleichbar jetzt mit Steffen Baumgart vom 1. FC Köln, natürlich als sehr großer Einpeitscher oder als der große Motivator. Nur das macht der nicht von der Mannschaft wahrgenommen, sondern das macht der für sich. Damit er was auslebt.“
Fernsehkameras wahrgenommen werden. Wer weiß? Schiedsrichter jedenfalls, die werden wahrgenommen, wohl oder übel, und da sie das selbst auch wissen, üben sie, wie mit welcher Gestik sie sich am besten durchsetzen können: theatralisch oder kurz und knapp – oder doch lieber verhalten.
Sportpsychologe Furley erklärt: „Beispielsweise werden ja auch Schiedsrichter in dieser Facette der Körpersprache trainiert, also sie bekommen extra Training, wie sie ihre Entscheidung vermitteln sollen. Das haben wir auch versucht, in unserer Forschung dann zu überprüfen.“
Und weiter: „Wenn man merkt, dass die Schiedsrichter irgendwie bei der Kommunikation von einer Entscheidung, beispielsweise beim Zeigen der Gelben Karte leichte Unsicherheit zeigt, dann tendieren Spieler viel eher dazu, mit dem Schiedsrichter zu diskutieren, was dann natürlich wieder für Aufruhr sorgt. Fans bekommen das wahrscheinlich auch mit, und so kann man dann wieder in solche selbstverstärkenden Prozesse reinkommen.“
Alphaweibchen bei der Frauen-EM
Die Sportpsychologie forscht und forscht, sie lässt Probanden vor Monitoren sitzen, um Körpersprachen zu deuten, und – wie das oft so ist - landet sie wieder am Anfang, ganz am Anfang: Dass, wenn jemand ein Alphatier ist, das einfach so ist, da können sich Gegner noch so in die Brust werfen.
Körpersprache ist etwas, was tief verwurzelt ist, im Laufe der Evolution in Menschen, so was findet man jetzt auch bei unseren evolutionär Verwandten, dass man die Dominierenden oder Alphamännchen in der Gruppe, die zeigen auch eben eine sehr dominante Körpersprache, müssen dann nicht immer ihre dominierende Stellung beweisen.
Die Frage ist nur, wie man uns und allen Artverwandten beibringt, dass es auch Alphaweibchen gibt: Die Trainerin des französischen Fußballnationalteams stand bei der Europameisterschaft cool am Seitenrand und hatte alles im Griff, bis aufs Halbfinale. Ihre deutsche Kollegin Martina Voss-Tecklenburg war wiederum immer etwas lebhafter, und ihre Spielerinnen ebenso.
„Diese Bereitschaft, diese Freude als Team einfach sich untereinander zu helfen und dann dem Gegner wehzutun, das war halt echt stark“, sagt sie.