Koh-i-Noor im Tower of London

Streit um einen uralten indischen Diamanten

Krone mit dem legendären Koh-i-Noor-Diamanten: Zu sehen ist sie im April 2002 bei der Beerdigung der britischen Königinmutter. Dem Sarg folgen Prinz Charles und Prinz Philip.
Krone mit dem legendären Koh-i-Noor-Diamanten: Zu sehen ist sie im April 2002 bei der Beerdigung der britischen Königinmutter. © picture-alliance / dpa
Von Jürgen Webermann |
Der Koh-i-Noor gilt als einer der größten Diamanten der Welt und stammt aus Südasien. Die britischen Kolonialherren raubten den Edelstein und brachten ihn nach London. Ansprüche auf Rückgabe kommen derzeit vor allem aus Indien. Doch auch andere Länder wollen den Koh-i-Noor zurück.
Der Koh-i-Noor ist ein 109 Karat schwerer Diamant, der seit 1937 die Krone von Königin Elisabeth – der 2002 verstorbenen Queen Mum – schmückt.
Er gilt als einer der größten Diamanten der Welt und gehört heute zu den Kronjuwelen im Londoner Tower. Sein Platz in der Krone ist im unteren Maltesischen Kreuz über einem Band, das viele weitere Edelsteine enthält. Geschätzter Wert, wenn es einen Markt dafür geben würde: 140 Millionen Euro.

Es geht um Raub, Verrat, Intrigen

Der Koh-i-Noor - was aus dem Persischen übersetzt so viel heißt wie "Der Berg des Lichts" - ist einer der berühmtesten Edelsteine der Welt. Die britischen Kolonialherren haben den Diamanten vor mehr als 150 Jahren aus Südasien geraubt. Pakistaner wie Inder fordern ihn heute zurück, ein Streit mit gewaltiger politischer Symbolik.
Die Geschichte des Koh-i-Noor erzählt mehr über die Historie Südasiens als sämtliche Abhandlungen. Sie erinnert an den "Herrn der Ringe". Es geht um Raub, Verrat, Intrigen. Und um einen Fluch: Alle männlichen Träger erleiden demnach ein übles Schicksal. Und tatsächlich wurden sie ermordet, gefoltert, geblendet, vom Thron geputscht oder starben an Cholera und Schlaganfällen.
Wir zeichnen den Weg dieses legendären Steins, der aus Süd-Indien stammt, nach. Seine jahrhundertelange Reise führte ihn zum Taj Mahal, nach Delhi, in den heutigen Iran, Afghanistan und nach Lahore im heutigen Pakistan.
Fasziniert vom Koh-i-Noor hat sich unser Korrespondent Jürgen Webermann ganz unerschrocken aufgemacht zu einer länderübergreifenden Diamantenrecherche.

Manuskript zur Sendung:
Die Gegend, aus der der verfluchte Diamant stammen soll, ist durchzogen von Geisterdörfern. Im Monsun, wenn der Fluss Krishna anschwillt, steht hier alles unter Wasser. Wie hoch, das lässt sich an den Wänden den Hausruinen ablesen. Die Menschen, die hier einst wohnten, wurden vor zehn Jahren umgesiedelt. Ein riesiges Staudammprojekt war wichtiger als ihre Heimat. Indien giert nach Elektrizität, um sich weiter entwickeln zu können. Selbst für die Maoisten, kommunistische Rebellen, ist hier nichts mehr zu holen. Sie führen ihren bewaffneten Kampf gegen das System woanders fort.
Hier, in Kollur im südindischen Bundesstaat Andhra Pradesh, erinnert nur noch eine große Stupa daran, dass dieses Dorf einst in der Hand der Rebellen war. Auf dem zehn Meter hohen Betontürmchen thronen Hammer und Sichel, als sei die Zeit stehen geblieben.

Und doch gibt es Leben in Kollur, zumindest jetzt, in der Trockenzeit. Gopal Rao hockt direkt neben der Stupa unter einem selbst gebauten Unterstand aus Holz. Im Schatten hat Rao ein paar Waren zum Verkaufen ausgelegt. Zigaretten, aber auch Schaufeln und kleine Lampen.
"Wir haben vor allem früher ein gutes Geschäft gemacht und all das an Diamantenjäger verkauft. Heute gibt es nicht mehr so viele Diamantenjäger. Ich muss mit Landwirtschaft über die Runden kommen."
Die Glücksritter, die noch kommen, suchen den Boden nach glitzernden Steinen ab. Aber es ist schwierig geworden, welche zu finden, sagt Gopal Rao, der um die 60 Jahre alt ist. Außerdem ist es verboten, Rohdiamanten einfach mitzunehmen und zu verkaufen. Der diensthabende Polizist im nächsten bewohnten Ort Bellamkonda bestätigt, dass seine Kollegen noch vor kurzem 14 Diamantenjäger verhaftet haben. Die alten Schmugglerketten, es gibt sie immer noch, lächelt auch Gopal Rao, der Mann aus dem Geisterdorf.
"Wir haben unsere Wege, die Steine nach Nordindien, nach Rajasthan, Gujarat oder nach Mumbai weiter zu verkaufen. Wir haben die Kontaktnummern der Händler. Wir rufen sie heimlich an, sie kommen heimlich hierher, begutachten die Fundstücke und zahlen dann."
Impressionen aus dem Geisterdorf Kollur
Impressionen aus dem Geisterdorf Kollur© Deutschlandradio / Jürgen Webermann
Gopal Rao
Gopal Rao: "Heute gibt es nicht mehr so viele Diamantenjäger."© Deutschlandradio / Jürgen Webermann
Gerade heute sind viele Inder, die es sich vor wenigen Jahren noch nicht leisten konnten, besessen von Diamanten. Indische Hochzeiten sind berühmt für die exzessive Zurschaustellung von jeglichen Reichtümern. Allein in der Stadt Surat im Nordwesten Indiens werden neunzig Prozent aller Rohdiamanten weltweit geschliffen.
Kollur dagegen ist bekannt wegen des einen Steins, des vielleicht berühmtesten Diamanten der Welt. Hier in der Gegend kennt jeder die mystischen Geschichten, die sich um ihn ranken. Auch Gopal Rao lächelt, als der Name fällt: Koh-i-Noor. Der Name stammt aus dem Persischen und heißt übersetzt: Berg des Lichts. In Kollur, so die Legende, soll er im 14. Jahrhundert gefunden worden sein.

Südindien war einst berühmt für seine Edelsteine

Srinavas Reddy ist mitgekommen in das Geisterdorf. Reddy ist Archäologe und Historiker. Er leitet ein privat gestiftetes Kulturzentrum in Andhra Pradesh. In Kollur ist er nicht zum ersten Mal, er hat sich mit der Geschichte des Ortes beschäftigt. Südindien war einst berühmt für seine Edelsteine: So gut wie alle weltweit gehandelten Diamanten kamen aus dieser Region.
"Es gibt keine Beweise dafür, dass der Koh-i-Noor wirklich hier gefunden worden ist. Es gibt aber Hinweise von Reisenden. Der Franzose Tavernier hat zum Beispiel die Diamantenminen in dieser Gegend besichtigt. Es sind schon immer viele Menschen hierher gekommen, um mit Diamanten zu handeln.
Konkret machte damals offenbar die Geschichte über einen besonders großen Diamanten von der Form und der Größe eines Hühnereis die Runde. Der Koh-i-Noor in seiner ursprünglichen Form passt auf diese Beschreibung. Einziger Haken der Geschichte: Es gibt zwei weitere Edelsteine, die in Frage kommen. Sie gelangten offen-bar allesamt in den Besitz der legendären Mogul-Herrscher, muslimische Eroberer aus Zentralasien, die im 16. Jahrhundert nach Afghanistan und Indien kamen und hier eine Weltmacht aufbauten. Noch heute zieren bedeutende Bauwerke wie das berühmte Taj Mahal von der Macht, den Reichtümern und dem wissenschaftlichen Fortschritt des Mogul-Reiches.
Srinavas-Reddy
Srinavas-Reddy: "Es gibt keine Beweise dafür, dass der Koh-i-Noor wirklich hier gefunden worden ist."© Deutschlandradio / Jürgen Webermann
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Neu-Delhi. William Dalrymple lebt in einem Landhaus vor den Toren der Stadt. Der gebürtige Schotte hat selbst adelige Vorfahren, seine ganze Faszination aber gilt den Regenten Südasiens. Dalrymples Bücher über den Untergang des Mogul-Reiches sind in Indien Bestseller. Der Koh-i-Noor spielt darin immer wieder eine Rolle. Aber weil der Stein noch heute Regierungen, Gerichte und Medien beschäftigt, hat sich Dalrymple jetzt ganz in ihn verbissen:
"Ich arbeite jetzt seit einem halben Jahr an der Geschichte. Und je mehr ich recherchiere, desto verschwommener wird das Bild. Das ist typisch für Indien. Das Einzige, was klar ist, ist, dass viel Quatsch und viele Mythen über den Diamanten erzählt werden.
Ich war in den Archiven in Afghanistan, Iran und Indien. Ich glaube, ich habe so gut wie alle Quellen gelesen. Die erste richtige Quelle, die den Koh-i-Noor benennt, stammt aus dem Jahr 1751. Sie wurde noch nie ins Englische übersetzt und stammt von einem iranischen Geschichtsschreiber, der über den Angriff der Perser auf die Stadt Delhi im Jahr 1739 berichtet."

Keine europäische Stadt kam an die Größe und Macht Delhis heran

1739 griffen die Perser unter ihrem Anführer Nadir Shah das Mogulreich an. Delhi war damals einer der reichsten Orte der Welt. Hier lebten zwei Millionen Menschen, keine europäische Stadt kam an die Größe und Macht Delhis heran. Die persische Besetzung Delhis dauerte nicht lange, insgesamt 57 Tage. Aber sie kostete Zehntausende Zivilisten das Leben. Eine lange Karawane machte sich auf den Weg ins heutige Iran, 700 Elefanten, 4.000 Kamele und 12.000 Pferde schafften die Reichtümer aus der Stadt Delhi heraus, darunter auch einen großen Diamanten. Was Nadir Shah damals wohl nicht wusste: Den Koh-i-Noor umgibt eine Legende. Indischen Quellen zufolge lastet ein Fluch auf dem Diamanten. Er gehe zurück auf einen hinduistischen Text aus dem Jahr 1306. Darin soll stehen:
Derjenige, der diesen Diamanten besitzt, wird die ganze Welt besitzen. Aber ihn wird auch alles Unglück dieser Welt treffen. Nur Gott oder eine Frau kann den Diamanten ungestraft tragen.
Und siehe da: Nadir Shah wurde acht Jahre, nachdem er den Koh-i-Noor aus Delhi geraubt hatte, Opfer eines Mordkomplotts. Der Koh-i-Noor hatte nun einen neuen Herren: Ahmat Khan Abdali, ein Afghane und Leibwächter Nadir Shahs. Er hatte in der Mordnacht den Harem von Nadir Shah beschützt. Als Dank dafür gaben die Frauen ihm den Koh-i-Noor, so lautet zumindest die afghanische Version der Geschichte. In Afghanistan ist Ahmat Khan Abdali heute unter dem Namen Ahmad Shah Durrani bekannt. Er gilt als Vater der Nation.
Der aus Schottland stammende Schriftsteller, William Dalrymple
Der aus Schottland stammende Schriftsteller, William Dalrymple: "Das Einzige, was klar ist, ist, dass viel Quatsch und viele Mythen über den Diamanten erzählt werden."© imago/ZUMA Press
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Kabul, Afghanistan. Abdul Saber Junbash arbeitet an einem der wohl ruhigsten Orte dieser unruhigen Stadt. Wer die Sicherheitskontrollen passiert hat, sieht keine waffenstarrenden Soldaten mehr, und auch keine grauen Sprengschutzmauern. Der Shah Bubo Jan-Palast ist ein wundervoll restauriertes Jugendstilgebäude, es beherbergte im 19. Jahrhundert eine afghanische Königin. Im Bürgerkrieg in den 90er Jahren war es völlig zerstört worden. Präsident Hamid Karsai ließ es wieder aufbauen und gab es der afghanischen Akademie der Wissenschaften. Hier, auf diesem weitläufigen Gelände, forscht Abdul Saber Junbash zur Geschichte Afghanistans und auch über Ahmat Shah Durrani:
"Er stieß mit seiner Armee bis ins heutige Nordindien vor. Als er von dort nach siegreichen Schlachten zurück kehrte, zeigte er zum ersten Mal den Koh-i-Noor öffentlich. Er befestigte ihn in seiner Krone."
Aber das Glück währte nicht lange. Schon kurz, nachdem Ahmat Shah Durrani mit dem Koh-i-Noor in der Tasche das afghanische Reich begründet hatte, begann ein mysteriöses Geschwür sein Gesicht geradezu wegzufressen. Ergriff etwa der Fluch des Koh-i-Noor den afghanischen Regenten?
Von nun an musste tatsächlich jeder Träger des Koh-i-Noor leiden: Ahmat Shahs Sohn Timur regierte zwar mehr als 20 Jahre lang, aber er wurde vergiftet. Shah Zaman, ein Sohn Timurs, verlor erst das halbe Reich. Dann rebellierten die Einwohner Kabuls gegen ihren König. Ein Aufständischer ließ ihm die Augen ausstechen. Gerade noch rechtzeitig konnte Shah Zaman seine wertvollsten Schätze verstecken. Den Koh-i-Noor platzierte er in einer Mauerscharte. Der berühmte und begehrte Diamant verschwand von der Bildfläche. Einer von Zamans Brüdern und Nachfolgern ließ zwei Jahre später nach dem Koh-i-Noor fahnden: Shah Shuja.

Ein islamischer Geistlicher nutzte den Stein als Briefbeschwerer

Shujas Männer fanden den Diamanten nach monatelanger Suche wieder: Er diente einem islamischen Dorfgeistlichen als Briefbeschwerer. Der Mann wusste offenbar nichts von der Geschichte des Diamanten. Was aus dem Geistlichen wurde, ist nicht bekannt. Fortan trug Shuja den Koh-i-Noor stolz am rechten Oberarm. Aber Shah Shuja wurde nach nur sechs Jahren aus dem Amt geputscht. Shuja floh in das Königreich Punjab, das heute zum Teil zu Pakistan und zum anderen Teil zu Indien gehört. Der Herrscher dort, der Maharaja von Lahore, war ein gerissener Krieger. Sein Name: Ranjit Singh.
Abdul Saber Junbash: "Shah Shuja hatte den Stein unter seinem Turban versteckt und allen gesagt, dass er den Diamanten verloren habe. Aber Ranjit Singh ließ ihn abtasten. Und als Zeichen seiner Freundschaft wollte Ranjit Singh mit Shuja die Turbane tauschen.
So fand der Maharaja das Versteck des Koh-i-Noor, sagt zumindest die Legende. Aber erst als Ranjit Singh Shujas Sohn foltern ließ, rückte der afghanische Flüchtling seinen wertvollsten Schatz heraus. Ranjit Singh ließ fortan keine Gelegenheit aus, den Diamanten zu zeigen. Dann nahm das Schicksal wieder einmal seinen Lauf. Mehrere Schlaganfälle rafften Ranjit Singh im Jahr 1839 dahin. Das junge Königreich Punjab war nach Ranjit Singhs Tod zerrissen durch einen Erbfolgekrieg. Das war die Chance für die Briten, die inzwischen in Indien Fuß gefasst hatten – und einen Krieg gegen das Königreich Punjab vom Zaun brachen. Laut William Dalrymple waren sie auch hinter dem Koh-i-Noor her.
William Dalrymple: "Die Briten hatten schon lange wie besessen über den Koh-i-Noor geschrieben. Und dann, 1849, holten sie ihn sich, nachdem sie die Sikhs geschlagen hatten. Es war nicht Großbritannien, das den Punjab angriff, sondern eine börsennotierte Firma, wie Google oder die Lufthansa. Nur mit einer eigenen Armee.
Der Koh-i-Noor sollte per Schiff nach London gebracht werden. Auf dem Schiff, der Medea, brach Cholera aus. Die Cholera wütete so schwer auf der Medea, dass der Kapitän das Schiff in Mauritius ankern lassen wollte, um Medikamente aufzunehmen. Stattdessen wurde die Medea beschossen. Irgendwie schaffte sie es doch noch nach Portsmouth. Bis dahin ist wirklich fast jeder, der mit dem Diamanten in Verbindung kam, eines üblen Todes gestorben."

Der Koh-i-Noor wirkte seltsam matt, doch das Schleifen ging daneben

In Großbritannien waren der Diamant und die Geschichte des Fluchs ein gefundenes Fressen für die Zeitungen. Der Koh-i-Noor war der Star auf der Weltausstellung in London im Jahr 1851. Briten aller Klassen standen kilometerweit Schlange, um den Diamanten zu sehen. Aber der Koh-i-Noor wirkte seltsam matt, ganz anders als die anderen, funkelnden Diamanten, die Europäer bis dahin verehrten kannten. In Südasien zählte die Größe und nicht das Funkeln. In Europa war es im Grunde umgekehrt. Prinz Albert, der deutsche Ehemann von Königin Victoria, wollte die große Show retten, indem er den Stein schleifen ließ. Der Koh-i-Noor sollte endlich funkeln. William Dalrymple muss lächeln, als er von dieser Episode erzählt.
"Das Schleifen ging völlig daneben. Offenbar kannten die Schleifer die geologische Beschaffenheit des Steins nicht. Ein Teil schmolz einfach weg. Der Stein verlor zwei Drittel seiner Größe. Heute wäre er, zumindest meiner Kalkulation zufolge, nicht mehr der größte Diamant der Welt, sondern nur noch auf Platz 151."
Der Koh-i-Noor funkelte jetzt, aber jeder bisherige Träger, seien es die Moguln, Nadir Shah, die afghanischen Herrscher oder Ranjit Singh, wäre entsetzt gewesen. Und derjenige, der das Schleifen überwachte, starb noch, bevor die Handwerker fertig wurden. Der Herzog von Wellington, damals berühmt durch seinen Sieg über Napoleon in Waterloo, erlitt wie Ranjit Singh einen Schlaganfall. Die Briten beugten sich fortan dem Fluch des Koh-i-Noor. Nur Königinnen sollten den Diamanten tragen. Die letzte, die ihn öffentlich zur Schau stellte, war die Mutter von Elizabeth II. Ihre Krone ist heute ausgestellt im Tower in London.
Lahore im heutigen Pakistan. Geoffrey Iqbal empfängt in seinem Bungalow, in exquisiter Lage mitten in der Stadt. Iqbal ist moderner Künstler. Er hat sogar in der berühmten Tate Gallery in London ausgestellt. Königin Elizabeth die Zweite ist persönlich zu einer seiner Vernissagen gekommen.

Aber Iqbal ist auch Rechtsanwalt. Und vor dem Hohen Gericht in Lahore kämpft er derzeit einen, wie er findet, Kampf ums nationale, historische Erbe. Iqbal fordert den Koh-i-Noor zurück.
Iqbal Geoffrey: "Dieser Diamant wurde von den Briten, von der britischen Ostindien-Gesellschaft, gewaltsam genommen. Einer Firma! Wenn eine Firma so etwas in Deutschland tun würde, man würde es als Terror bezeichnen. Oder Verrat. Die Leute, die den Stein aus Lahore geraubt haben, sollten nachträglich verurteilt werden! Und zwar vom Hohen Gericht hier in Lahore!"
Iqbal vor knapp einem Jahr am Hohen Gericht in Lahore eine Petition eingereicht. Er will, dass das Gericht die britische Königin auffordert, den Koh-i-Noor an Pakistan zurückzugeben. Seit 50 Jahren kämpft Iqbal nun schon um den Diamanten. Er ist besessen – genauso wie die einstigen Träger des Edelsteins. Iqbal hat nach eigenen Angaben 786 Briefe an die pakistanischen Behörden und an die Königin geschrieben.
"Zweimal hat die Königin geantwortet. Das war in den 60er Jahren. Jetzt hat sie wahrscheinlich zu viel zu tun, und keine Zeit mehr zu antworten. Damals schrieb sie, dass sie sich gut daran erinnere, dass wir uns auf einer Ausstellungseröffnung getroffen haben. Das fand ich erstaunlich."
Aber in der Kernfrage ist Iqbal nicht weiter gekommen. Kein Wort der Königin zum Koh-i-Noor. Seine Petition vor dem Hohen Gericht kommt nicht voran, aber Iqbal will nicht aufgeben. Er argumentiert, dass Pakistan die Rechtsnachfolgerin des alten Königreichs Punjab sei. Und die Briten hätten den Koh-i-Noor gewaltsam von dort geraubt. Dass der König von Punjab den Stein selbst unter wahrscheinlich zweifelhaften Umständen vom gestürzten afghanischen Herrscher Shah Shuja abgepresst hatte, tut Iqbal als unbewiesenes Gerücht ab.
Iqbal Geoffrey
Iqbal Geoffrey: "Die Leute, die den Stein aus Lahore geraubt haben, sollten nachträglich verurteilt werden."© Deutschlandradio / Jürgen Webermann

Sogar die Taliban meldeten Ansprüche an

Der Anwalt aus Lahore ist ohnehin nicht der Einzige, der den Diamanten für sein Land zurück fordert. Sogar die Taliban in Afghanistan hatten während ihrer Herrschaft in den 90er Jahren Ansprüche in London angemeldet. Die Taliban sehen sich auch in der Tradition von Ahmat Shah Durrani, dem Vater Afghanistans und Träger des Koh-i-Noor. Abdul Saber Junbash von der afghanischen Akademie der Wissenschaften hält ohnehin nichts von einer Rückgabeforderung:
"Die Taliban wollten nur die Menschen verblenden und ihnen zeigen, wie mächtig sie sind, dass sie selbst den Koh-i-Noor zurück fordern können. Wir haben bedeutendere Schätze an Invasoren verloren. Ich finde, der Diamant gehört Indien. Da wurde er schließlich gefunden."
Tatsächlich tobt in Indien die Debatte um den Koh-i-Noor am lautesten. Soll die Regierung den Koh-i-Noor zurückfordern oder nicht? Der erste Premierminister Nehru hatte genau das direkt nach der Unabhängigkeit vor 70 Jahren getan. Mehrere weitere Anfragen blieben folgenlos. Der Koh-i-Noor sei indisches Eigentum, erklärte die indische Regierung zuletzt im Herbst 2016. Aber so richtig glaubt niemand daran, dass Großbritannien den sagenumwobenen Diamanten, den viele Menschen in Südasien inzwischen als Symbol des britischen Kolonialismus und damit einhergehender Plünderungen ihrer Länder ansehen, jemals zurückgeben wird.
Zurück in Kollur, jenem Geisterdorf, in dem die Geschichte des Koh-i-Noor einst begonnen haben soll. Srinavas Reddy, der Archäologe, findet, dass der Koh-i-Noor hierher nach Südindien gehört. Vielleicht nicht nach Kollur, das ja längst ein Geisterdorf ist, aber in den Bundesstaat Andra Pradesh.
"Der Stein kommt aus Andra Pradesh, das sagen die meisten Quellen. Hier am Ufer des Flusses Krishna wurde er gefunden. Auch wenn der Koh-i-Noor seit 1380 so oft die Besitzer gewechselt hat, haben wir den größten Anspruch. Das würde die Menschen hier stolz machen."
Srinavas Reddy will demnächst einen ersten Schritt machen, denn Andra Pradesh soll ein neues Staatsmuseum bekommen. Reddy will sich dafür einsetzen, dass der Koh-i-Noor – wenn schon nicht im Original – dann zumindest thematisch in der Ausstellung vorkommen wird.
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