Kolja Kleeberg

Sternekoch lässt Kinder buddeln, pflanzen und kosten

Kolja Kleeberg in seinem Restaurant Vau in Berlin Mitte
Kolja Kleeberg in seinem Restaurant Vau in Berlin Mitte © Imago / Hipi
Liane von Billerbeck im Gespräch mit Kolja Kleeberg |
Der TV- und Sternekoch Kolja Kleeberg vermittelt Kindern an Berliner Schulen die Faszination von Kräutergärten - nicht in der Theorie, sondern ganz praktisch im schuleigenen Kräutergarten.
Liane von Billerbeck: An diesem bisher wärmsten Tag des Jahres, da kann es doch nur ums Grün gehen, und deshalb singen wir auch heute das Lob des Gartens, wie die ganze Woche schon hier in "Studio 9". Heute ist ein Koch mein Gesprächspartner, ein Sterne-Koch. Kolja Kleeberg, der in Berlin am Gendarmenmarkt das Restaurant Vau führt und mit einem Stern ausgezeichnet wurde. Und wenn man die Website seines Restaurants öffnet, da prangt einem da gerade als Erstes der Satz entgegen: "Frühling, Zeit für Kräuter, junges Lamm, Spargel, Radieschen und frische Sonne". Die wollen wir uns jetzt hier ins Studio holen. Guten Morgen, Herr Kleeberg!
Kolja Kleeberg: Einen wunderschönen guten Morgen, Frau von Billerbeck!
von Billerbeck: Sie haben auch als Fernsehkoch gekocht und da immer mal wieder Geld gewonnen. Das spendet man als Prominenter dann gern an alles Mögliche. Und irgendwann müssen Sie sich gesagt haben, das Ganze soll mal auf fruchtbaren Boden fallen, und zwar im Wortsinn, und legen seit 2010 mit Kindern an Berliner Schulen Schulkräutergärten an. Warum gerade das?
Kleeberg: Na, das eine ist richtig, es war eine Initialzündung, dass ich eben Geld gewonnen hatte, was ganz klar einem guten Zweck zugeführt werden sollte. Und ich weiß genau, wie das mit Kindern ist, wie man sie manchmal mit Schwierigkeiten ans Kochen, ans Essen – uh, in der Suppe ist noch ein bisschen Grün drin, das mag ich nicht –, wie man sie daran heranführen kann. Ich habe aber festgestellt, dass, wenn Kinder etwas selber machen, wenn sie einen Pfannkuchenteig selber rühren, wenn sie ein Kartoffelpüree selber zusammenrühren, dass sie dann zumindest viel neugieriger darauf sind, etwas zu probieren. Und über diesen Ansatz, Kinder selber machen zu lassen, Kinder heranzuführen, bin ich auf die Idee gekommen, dass man Gärten mit Kindern zusammen anlegen kann, dass sie erst mal lernen, was ist denn überhaupt ein Schnittlauch, wie sieht ein Basilikum aus, was ist denn der Unterschied auch im Geschmack zwischen Rosmarin und Salbei. Sodass sie ganz spielerisch einfach daran herangeführt werden, dass sie im Dreck buddeln, dass sie umgraben. Dass sie sich aber auch um die Pflanzen kümmern, dass sie auch merken, wenn ich mich nicht drum kümmere, wenn ich nicht gieße, wenn ich nicht umgrabe, dann wird da nichts draus. Das hat an allen Schulen so gut funktioniert, dass wir von dem Ziel, dass wir ursprünglich 50 Schulen mit Gärten ausstatten wollten, mittlerweile bei weit über 70 sind. Natürlich kann ich jetzt nicht alle Schulen dabei besuchen. Es geht aber genau eben darum, dass die Kinder auch lernen, sich jetzt weiter selber drum zu kümmern und dass diese Projekte einfach in den Schulen weitergeführt werden.
von Billerbeck: Was haben Sie denn da erlebt, als Sie da begonnen haben? Wie groß ist denn das Wissen oder Unwissen heutiger Kinder über solche Kräuter?
Kleeberg: Wenn wir auf einer Skala von eins bis zehn das mal einschätzen wollten, da wären wir ungefähr bei 0,8, sage ich mal. Also, es ist schon schön, dass sie erkennen, dass Kräuter im Wesentlichen, im Hauptsächlichen grün sind. Aber was jetzt ein Basilikum und was eine Zitronenmelisse ist, das ist dann stellenweise doch – ja, das ist – ich wüsste auch nicht, ob ich das, in dem Alter zwischen vier, fünf, sechs und zwölf, ob ich das gewusst hätte.
von Billerbeck: Sie hatten ja auch niemanden, der einen Kräutergarten für Sie angelegt hat.
Kleeberg: Einen Kräutergarten nicht, aber meine Mutter hatte schon einen sehr schönen Garten immer mit Erdbeeren, mit Salat und mit alldem, was man so in der Küche auch benutzen kann. Aber eben auch mit viel Blumen. Und die Kinder lernen jetzt tatsächlich erst mal, wie man die Kräuter pflanzt, und dann aber auch, wie man mit ihnen umgeht, das heißt, was man mit ihnen machen kann. Wobei ich jetzt nicht die große Küche mit denen zelebriere, das würde sie, glaube ich, auch eher wieder abschrecken, sondern es geht einfach drum, die Kräuter zu ernten, dann selber zu schneiden, und dann wird ein Quark angerührt mit einem Drittel Quark, einem Drittel Sauerrahm, einem Drittel Joghurt, das macht es besonders leicht – liebe Zuhörer, das können Sie sich mal genau merken für den ersten Frühlingsquark. Und dann kommen Kräuter rein nach Herzenslust. Schnittlauch, meinetwegen auch Basilikum, Petersilie, Pimpinelle. Und ich hab den Kindern gesagt, nehmt mal so ein Kraut, zerreibt das zwischen den Fingern, und dann riecht ihr dran. Das sind diese Kindspiele, die man mit ihnen machen kann, dass sie erst mal überhaupt merken, dass Petersilie ganz anders riecht als Schnittlauch, und dass ein Thymian noch mal anders riecht. Und dann spielen die rum, sauen sich auch ein dabei, natürlich, sind aber ganz stolz dann auf ihren ersten Frühlingsquark.
Kräuter sind nicht bloß Deko
von Billerbeck: Nun kochen Sie ja selber nicht nur mit Petersilie und Basilikum, sondern mit viel mehr Kräutern. Es gibt ja auch in den letzten Jahren gefühlt eine Renaissance der Kräuter, auch der Wildkräuter. Woher bekommen Sie die, und was ist Ihr Verhältnis dazu?
Kleeberg: Zum einen denke ich, dass das Interesse an Kräutern und insbesondere an Wildkräutern einhergeht mit dem Interesse an gesunder Ernährung. Der Biotrend ist ja schon lange, lange nicht mehr zu übersehen. Und dieses Interesse an den Kräutern, an den vergessenen Kräutern, vielleicht auch an Beschreibungen aus den Büchern von Hildegard von Bingen, was bewirken diese Kräuter im Körper? Ich glaube, dass der heutige Mensch auf der einen Seite sehr, sehr schnelllebig geworden ist, auf der anderen Seite gibt es aber viel mehr Menschen, die genau wissen wollen, was sie zu sich nehmen. Wildkräuter können zur entsprechenden Jahreszeit wundervolle Wirkungen im Körper haben. Es gibt Kräuter, die entschlacken, entgiften. Brennnessel zum Beispiel im Brennnesseltee wirkt jetzt genau zur Frühlingszeit entschlackend, entgiftend. Aber das brauche ich Ihnen ja nicht zu erzählen.
von Billerbeck: Nein, ich bin auch eine Wildkräuterhexe, jetzt darf ich es einmal sagen.
Kleeberg: Ja, das ist doch wunderbar. Ich bekomme die Wildkräuter a) von meinem Förster, der zwischendurch immer mal wieder sammeln geht, und von zwei anderen Sammlern, die rund um Berlin, und sogar manchmal gar nicht so weit entfernt dann halt einen Blick dafür haben, welche Kräuter da am Rand der Wiese stehen – oh, das sind die ersten Erbsensprossen und so was. Und die kommen dann mit wild durcheinander gewürfelten oder schön sortierten Tütchen und kleinen Kästen an und sagen, schau, ich hab Spitzwegerich, ich hab Huflattich, ich hab dies, ich hab das. Und dann baut man das in seine Küche ein. Mittlerweile gibt es sogar schon richtig professionell angebaute in Anführungszeichen "Wildkräuter". Es gibt da eine unglaubliche Vielfalt mittlerweile, die natürlich nicht nur, längst nicht nur zu Deko-Zwecken dienen, sondern wirklich auch einen entsprechenden ganz prägnanten Geschmack beisteuern.
von Billerbeck: Der Berliner Sterne-Koch Kolja Kleeberg aus dem Restaurant Vau in der Hauptstadt. Er hat dort Schulgärten gestiftet und wird das weiter tun, damit Kinder mit allen Sinnen lernen, woher das kommt, was sie essen. Danke Ihnen und einen schönen Frühlingstag wünsche ich Ihnen!
Kleeberg: Danke! Wünsche ich Ihnen auch, und allen Lesern und Zuhörern auch.
von Billerbeck: Danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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