Schaukeln als Kunst
Das dänische Künstlerkollektiv Superflex hat schon den Film eines brennenden Mercedes und eine Kloake mit Wasserspielen ausgestellt. Nun bespielt es die gigantische Turbinenhalle der Tate Modern in London mit der Ausstellung "One, Two, Three, Swing!" - und will besonders hoch hinaus.
Wie heißt es da auf dem orangefarbenen Poster gleich am Eingang: "Watch, rest and reflect – Will you stay or go?" – "Schauen, ausruhen, nachdenken – Bleiben oder gehen Sie?"
Klar: We stay! Wir bleiben! Und machen's uns bequem auf dem bunten Streifenteppich, der – auf ganzer Breite – eine Hallenhälfte überzieht.
Unter dem Foucaultschen Pendel
Wir legen uns dort hin, wo über unseren Köpfen – in knapp zehn Metern Höhe – ein Foucaultsches Pendel schwingt: im isoliert-monotonen, immer gleichen Einbahn-Hinundher. Dem Pendel nachzusehen hat was Hypnotisches, und am liebsten würde man wegdämmern auf der wohlig-weichen Unterlage.
Aber wie gesagt, wir stehen vor der Wahl: Bleiben oder gehen? Sicher, die wuchtige Chromkugel hat etwas eminent Ästhetisches und Beruhigendes. Und viel Komisches! In ihr sehen wir uns gespiegelt und verzerrt: in unserer Mickrigkeit vis-à-vis der impli-zierten großen Welt-Räume und in unserer ganzen selbst verordneten Trägheitsstarre angesichts so viel latenter, potenzieller Energie.
"Apathie" nennt Superflex diesen ersten Abschnitt ihrer dreiteiligen Großrauminstallation in der Tate-Halle. Hier geht es ums Hingucken und Staunen, ums Meditieren und Nichtstun. Die Möglichkeit haben wir immer, sagt Superflex-Mitglied Jacob Fenger. Andererseits...
"Jeder von uns kann aktiv werden und was verändern! Wenn's sein muss auch ganz radikal. Den Glauben daran sollten wir nicht verlieren."
Gegenposition Schaukeln
Die alternative Position – der Gegenentwurf zur "vita contemplativa" unterm Pendel – folgt in Abschnitt zwei in der anderen Hallenhälfte. Hier haben Fenger, Bjørnstjerne Christiansen und Rasmus Nielsen Schaukeln aufgestellt, 22 insgesamt. Deren Eisengestänge sind miteinander verbunden und bilden ein Geflecht oder – wenn man so will – einen Wald aus Streben und Röhren. Die Vertikalen sind mattgrau, alle Horizontalen orange lackiert. Der Fußboden ist aus Kork gefertigt, schon um – wie auf jedem anständigen Spielplatz – Verletzungen vorzubeugen.
Arbeiten im Kollektiv
Fenger sagt: "Wir drei inszenieren hier das große Schwungholen!"
So sei der Titel ihrer Arbeit zu verstehen: "One Two Three Swing!"
"Damit meinen wir uns selbst, klar. Impliziert ist damit aber auch das Kollektivkonzept per se. Zu dritt und in der Gemeinschaft agiert sich's nun mal leichter, spaßiger, effizienter als im Alleingang! Auch in der Kunstszene operiert heute kaum noch jemand für sich im stillen Kämmerlein. Jeder steht auf der Schulter seines Vorgängers."
Eine Konsequenz des Kollektivansatzes ist das Design der Schaukeln. Sämtliche Swingmobile hier sind nicht etwa Ein-, sondern Dreisitzer.
Und noch was. Mit der Installation des Dänen-Trios geht die Tate hier erstmals neue Wege insofern, als Superflex tatsächlich Superflexibel agiert.
"One Two Three Swing" durchstößt die Hallenwand und bezieht das angrenzende Umfeld der Galerie mit ein. Die Schaukel-Pipeline soll zur Fortsetzung animieren: draußen im Stadtteil auf der Südseite der Themse zunächst und später dann – das zumin-dest ist die Vision – landesweit und, wer weiß, vielleicht sogar im Ausland.
Die Inspiration wird auch gezeigt
"One Two Three Swing!", Teil 3, befindet sich in einer Ecke der Turbinenhalle – ist die kleine, nur angedeutete Werkstatt der Schaukelbauer. Auf Regalen lagern hier – in bunter Vielfalt – die vorgestanzten Rohlinge der "Dreisitzer" als Ersatzteile.
In einem Raum daneben befindet sich die "Bank of Opportunity" – die Bank der Gelegenheiten". Zu sehen ist hier, wovon Fenger und Co. sich inspirieren ließen für ihren großen Swing-Club. Unter anderem Fotos von Carsten Höllers Röhrenrutschen in der Tate von 2006; von Olafur Eliássons Riesensonne "The Weather Project" (2003) – ebenfalls in der Tate – und von der Chinesischen Mauer.
Farbmuster à la Banknote
Apropos Bank. Das bunte Streifenmuster des Teppichs in Abschnitt 1 ist der Farbenpalette britischer Banknoten entlehnt. Das bisschen ironische Systemkritik müsse sein bei so viel Schaukelkunst für die Welt von morgen, meint Fenger:
"Der Kapitalismus hat sich überlebt", sagt Fenger. "Und doch müssen wir mit ihm leben. Noch jedenfalls. Aber eines ist klar: Die 'Energiewende' muss kommen. Unsere Schaukelaggregate hier sind nur der Anfang."