Koloniale Raubkunst

Versöhnung gelingt nur durch Gerechtigkeit

53:50 Minuten
Raubkunst-Bronzen aus dem Land Benin in Westafrika im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg in einer Vitrine ausgestellt.
Raubkunst-Bronzen aus dem Land Benin in Westafrika im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg ausgestellt. © picture alliance / dpa / Daniel Bockwoldt
Moderation: René Aguigah |
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Europäische Museen besitzen unzählige Objekte aus Afrika, erbeutet von den Kolonialherren. Jetzt wird viel über deren Rückgabe diskutiert. Doch eigentlich geht es um viel mehr: Um Gerechtigkeit für diejenigen, denen Unrecht angetan wurde.
"Kulturbewahrer" – so definierten sich die europäischen Kolonisatoren Afrikas im 19. Jahrhundert. Häufig erbeuteten sie gewaltsam unzählige Artefakte, um diese der heimischen Regierung für die neugeschaffenen Museen überlassen, für sogenannte Völkerkunde- oder ethnologische Museen. Europäische Erzeugnisse hingegen kamen in Kunstmuseen.
Mit der Unabhängigkeit vieler afrikanischer Staaten im 20. Jahrhundert gab es eine erste große Debatte über die Rückgabe der Objekte. Sie versandete allerdings folgenlos. Seit dem "Bericht zur Restitution des afrikanischen Kulturerbes" der Wissenschaftler Felwine Sarr und Bénédicte Savoy an Frankreichs Präsident Macron 2018 hat sich die Debatte um afrikanisches Kulturgut in europäischen Museen neu entzündet.

Eurozentrische Arroganz

Die Verantwortung für die Restitution der kolonialen Raubkunst darf nicht allein den Museen übertragen werden, meint die Kuratorin Mareike Späth vom Landesmuseum Hannover. "Die Politik muss einen gesetzlichen Rahmen schaffen, um darin agieren zu können."
Der Historiker Jürgen Zimmerer kritisiert, dass immer noch der eurozentrische Blick vorherrsche. Als Beispiel nennt er die "Benin Dialogue Group", die über das Schicksal der Benin-Bronzen verhandle. Wenn diese anbiete, einige Objekte auszuleihen, dann sei das so, als ob der "Dieb, der Besitzer des Raubgutes," dem rechtmäßigen Besitzer anbiete, ihm das Raubgut auszuleihen. Das sei arrogant. "Wir entscheiden – wir, die die Objekte weggenommen haben, – über die Rückgabe!"

Koloniale Gewalt aufarbeiten

Auch der Erziehungswissenschaftler Louis Henri Seukwa meint, die Debatte über die koloniale Raubkunst in den Museen sei "nicht zu trennen von der Debatte über koloniale Gewalt." Deshalb sei es wichtig, "die Debatte aus den Museen zu befreien". Letzten Endes gehe es um viel mehr, nämlich um die Zukunft und die Frage: "Wie wollen wir mit den Menschen, denen Unrecht angetan wurde, versöhnt leben?" Wahre Versöhnung sei nur möglich, wenn sie auf Gerechtigkeit basiere.
Koloniale Raubkunst – Versöhnung gelingt nur durch Gerechtigkeit. Darüber diskutierten am 25.02. im Schloss Herrenhausen in Hannover:
Prof. Dr. Louis Henri Seukwa, HAW Hamburg
Mareike Späth, Kuratorin, Landesmuseum Hannover (ab März 2020)
Prof. Dr. Jürgen Zimmerer, Universität Hamburg
Moderation: René Aguigah, Deutschlandfunk Kultur

Eine Veranstaltung in Zusammenarbeit von Deutschlandfunk Kultur und der Volkswagenstiftung.
(sf)
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