Kolonialgeschichte

Der lange Weg zur Aufarbeitung

05:54 Minuten
Die Schädel gehören zu den schätzungsweise 300, die nach einem Massaker an den Ureinwohnern Namibias Anfang des letzten Jahrhunderts während eines antikolonialen Aufstandes im damals so genannten Südwestafrika, das Berlin von 1884 bis 1915 beherrschte, nach Deutschland gebracht wurden.
In einer Übergabezeremonie in Berlin wurden 2018 die menschlichen Überreste, die während der Kolonialherrschaft nach Berlin gebracht wurden, gewürdigt. © AFP/ John Mac Dougall
Tahir Della im Gespräch mit Korbinian Frenzel  · 06.01.2020
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In 2020 macht das Deutschlandradio die Dekolonisierung zum Schwerpunktthema. Hier gebe es noch viel zu tun, sagt Tahir Della von der "Initiative Schwarze Menschen in Deutschland" - die Geschichte sei in Europas Staaten längst nicht aufgearbeitet.
"Eine Welt 2.0 – 'Dekolonisiert euch!'" lautet das Schwerpunktthema des Deutschlandradios im Jahr 2020. Zum Auftakt haben wir mit Tahir Della von der "Initiative Schwarze Menschen in Deutschland" gesprochen und ihn gefragt, ob es eine Verbindung gibt zwischen der Kolonialgeschichte von gestern und dem Rassismus von heute.

Rassistische Konzept von Hegel und Kant

"Unbedingt", sagt Della, "weil das koloniale Projekt Europas untrennbar verbunden ist mit Rassismus." Bereits in der frühen Aufklärung seien die Grundlagen dafür gelegt worden, etwa durch Hegel und Kant: "Diese Männer haben rassistische Konzepte entworfen, die es möglich gemacht haben, dieses koloniale Projekt überhaupt anzuschieben."
Tahir Della von der "Inititiative Schwarze Menschen in Deutschland".
Man müsse untersuchen, was in den letzten 500 Jahren stattgefunden habe, sagt Tahir Della.© dpa/ Larissa Schwedens
Versklavung, Entrechtung, Ausbeutung seien nur machbar, wenn man Menschen ihre Menschenrechte und das Menschsein abspreche - und es Konstrukte gebe, die ein entsprechendes Handeln rechtfertigten.

Noch viel Forschung erforderlich

Bei der Aufarbeitung der Kolonialgeschichte sieht Tahir noch viele schwarze Flecken: "Wir wissen ja ganz wenig." Man müsse untersuchen, was in den letzten 500 Jahren stattgefunden habe, welche Wissensstände es gebe und wie die Geschichte bis heute nachwirke - nicht nur in den Kolonial-, sondern auch in den europäischen Gesellschaften. "Es geht um das Wissen, das Erforschen, das Aufarbeiten und das Besprechen - um dann zu sehen, inwieweit gesellschaftliche Verhältnisse sich verändern müssen, um wirklich davon sprechen zu können, dass sie 'dekolonisiert' sind."

Europäische Staaten müssen noch viel aufarbeiten

Insgesamt gebe es für die europäischen Staaten bei der Aufarbeitung der Kolonialgeschichte noch viel zu tun, meint Tahir. "Also zu sagen, wir stellen uns dieser Verantwortung, wir stellen uns der begangenen Verbrechen beispielsweise, wir stellen uns den Wirkungen offensiv." Hier habe "ganz Europa noch einen langen Weg vor sich, das wirklich zu machen, mit diesen Verhältnissen wirklich konsequent zu brechen und sichtbar zu machen, dass auch der Reichtum, der in Europa herrscht - dass der basiert auf dieser 500-jährigen Geschichte."
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