Versuche der Dekolonisierung

Berliner Museen arbeiten Kolonialgeschichte auf

09:16 Minuten
Ausstellungsansicht "Whose Expression?" im Brücke-Museum.
Die Künstler der Brücke lebten und arbeiteten in einer Zeit, in der das Deutsche Kaiserreich eine der größten Kolonialmächte Europas war. Die Ausstellung "Whose Expression? Die Künstler der Brücke im kolonialen Kontext" befragte 2021 ihre Werke vor diesem historischen Hintergrund. © Roman März / Brücke-Museum
Nikolaus Bernau im Gespräch mit Sigrid Brinkmann |
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Gleich drei Berliner Museen reflektieren ihre Kolonialgeschichte. Dabei stellen Sie ihre eigenen Sammlungen auf den Prüfstand und ihre museale Praxis. Ein guter erster Schritt, wie Museumsexperte Nikolaus Bernau meint. Da muss aber noch mehr folgen.
„Auch wenn es noch immer nicht im Schulbuch steht: Berlins Geschichte als Kolonialmetropole beginnt bereits im späten 17. Jahrhundert“, schreiben die Autoren des Sammelbandes „Das Museum dekolonisieren? Kolonialität und museale Praxis in Berlin". Darin kommen Experten zu Wort, die sich kritisch mit den Dekolonisierungsprojekten von drei Berliner Museen zwischen 2020 und 2022 auseinandersetzen.
„So wie in den 60er- und 70er-Jahren die Arbeiterbewegung langsam in die Museen übernommen wurde, so muss man jetzt mal darüber nachdenken, wie eine vielfältige, auch buntere Gesellschaft in den Museen reflektiert wird“, erklärt Kulturjournalist Nikolaus Bernau die Pilotprojekte. Museen seien nämlich nie statische Gebilde gewesen, sondern hätten schon immer auf die jeweiligen gesellschaftlichen Zustände reagiert.

Sammlungen auf den Prüfstand

Das Stadtmuseum prüft nun seine gigantische Sammlung auf koloniale Spuren. Das Deutsche Technikmuseum widmete sich einem konkreten Ausstellungsthema der Kolonialgeschichte. Und das Brücke-Museum legte seinen Fokus auf die interne Sensibilisierung und Fortbildung zu Themen wie Dekolonisierung, Diskriminierung und Diversität.
Berlin sei hier ganz im Gegensatz zu Hamburg, was die jeweiligen städtischen Museen betrifft, weit voraus, erklärt Bernau. Aber wie man es noch besser machen kann, zeigt die National Gallery in London: Dort werden schon seit Jahren Führungen zur eigenen Geschichte und zur Herkunft der ausgestellten Objekte gemacht. Außerdem wird klar herausgestellt, dass viele Gemälde mit Erlösen aus dem transatlantischen Menschenhandel oder aus der Unterdrückung Indiens angeschafft wurden. Außerdem werden auch schon seit Jahren Informationen über die bisher namenlosen Schwarzen auf den Gemälden bereitgestellt.
Sowohl das Stadtmuseum als auch das Brücke-Museum gehen nun diesen Weg und stellen ihre Sammlungen auf den Prüfstand. Das Brücke-Museum fragt darüber hinaus, inwieweit die Expressionisten, die es in seiner Sammlung hat, in das koloniale Projekt Deutschlands involviert waren, aber auch ob sie einen rassistischen Blick auf die Welt hatten.

"Wir brauchen mehr Vielfalt"

Es sollen diskriminierende Strukturen erkannt, Gegenentwürfe zu kolonialen Perspektiven entwickelten und rassismuskritische, diversitätssensible Methoden, Ansätze und Handlungen etabliert werden, heißt es in dem Buch weiter.
Ob das letztlich aufgeht, sei fraglich, so Bernau. Einerseits, weil die Autoren bemerkenswert wenig selbstkritisch seien, andererseits weil das Buch eher für den inneren musealen Dialog gedacht sei und ein breites Publikum alleine schon wegen der gewählten Sprache ausgeschlossen werde. Das Buch sei letztlich „eine Art Fragenkatalog für andere Museumsleute, um denen klarzumachen: Wir brauchen mehr Vielfalt".

Das PDF des Sammelbands „Das Museum dekolonisieren? Kolonialität und museale Praxis in Berlin" können Sie hier kostenfrei herunterladen.

Das größte Manko laut Bernau ist aber die fehlende Reflexion der Museumsgeschichte selbst: „Das heißt: Objekte, die in ein Museum kommen, verändern im Museum ihre Bedeutung. Sie verändern ihre Geschichte, sie werden neu gesehen und neu interpretiert. Und Rassismus um 1900 und die rassistische Interpretation von Objekten um 1900 ist eben nicht die gleiche wie um 1930 oder 1950 oder heute."
"Da gibt es große Unterschiede, und da muss man sagen: Da ist doch noch eine Menge zu tun. Das ist vielleicht das Zentrale an diesem Buch, dass man daran merkt, wie wahnsinnig viel noch zu tun ist, bevor wir überhaupt irgendwie von einer Dekolonisierung von Museen reden können."

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