Kolonialismus

Paradies, Hölle, Südsee

Eine Palme an einem Strand - im Hintergrund das Meer.
Die Südsee war für Robert James Fletcher alles andere als ein Idyll. © dpa / Stephan Persch
Von Günther Wessel |
Es geht um das Paradies der Natur, Glücksritter aus Europa und die Ausbeutung der Einheimischen: Elf Jahre lebte der Schotte Robert James Flechter in der Südsee. Seine Erlebnisse schilderte er in Briefen an einen Freund.
Robert James Fletcher wird 1877 in Schottland geboren, studiert mit Unterbrechungen Medizin und Chemie, legt ein Lehramtsexamen ab und geht 1910 als Hilfslehrer nach Montevideo. Inspiriert von den Büchern vor allem Robert Louis Stevensons reist er zwei Jahre später in die Südsee, und zwar auf die Neuen Hebriden, die damals gemeinsam von Frankreich und Großbritannien als Kolonie verwaltet werden. Er leitet eine Kokosplantage auf Epi, wird Gerichtsdolmetscher auf Efate, arbeitet später als Landvermesser und wieder als Plantagenleiter. Über all die Jahre schreibt er Briefe an seinen Studienfreund Bohun Lynch.
Es sind eindrucksvolle Dokumente – Briefe, die von Einsamkeit berichten und von der Schönheit der Südsee, vom Paradies der Natur und der Hölle der Mitmenschen. Fletcher schreibt über die Ausbeutung der Einheimischen, die harte Arbeit verrichten und mit Vertragstricks um ihren Lohn gebracht werden und über die Glücksritter aus den europäischen Ländern und Australien, die sich an ihnen bereichern und sich illegal Landtitel – er arbeitet als Landvermesser – aneignen.
Fletcher rechtfertigt den Kolonialismus - und leidet an ihm
Fletcher verzweifelt an dieser Gesellschaft. Der kultivierte und belesene Mann, der fließend mehrere Sprachen spricht, leidet am fehlenden Gedankenaustausch. Nur in den Briefen kann er sich äußern, er tut das explizit, wenn auch oft widersprüchlich. So beklagt er den Umgang der Europäer mit den Einheimischen, äußert sich selbst aber zutiefst rassistisch. Er pflegt die eigene europäische Kultur, ohne sich mit der einheimischen wirklich zu beschäftigen. Dennoch lebt Fletcher vier Jahre mit einer einheimischen Frau zusammen und hat einen Sohn, den er abgöttisch liebt, schließlich aber weggibt: Er könne keinen Mischling großziehen. Ungefiltert erlebt man in den Briefen einen Mann, der den Kolonialismus rechtfertigt und doch an ihm leidet, man erkennt seine Vorurteile und seine Begeisterung.
Bald schon schreibt Fletcher immer wieder davon, dass er nach England zurückkommen möchte – die Südsee sei ein Traum, von dem er Abschied nehmen müsse –, nur will er vorher finanziell unabhängig werden. Trotzdem hält es ihn auf den Hebriden und später dann auf Makatea, vor allem wegen der stillen Momente der Schönheit und des Glücks: Wenn er die Abendstimmung am Meer beschreibt, die sanft durch den Passatwind geneigten Palmen, das Blau der See, die Pastelltöne, die das sanfte Licht hervorzaubert, die Fische, die im Mondlicht phosphoreszierend leuchten, dann sind das anrührende Beschreibungen einer Landschaft, deren Schönheit, wie er scheibt, Glück zu schenken vermag.

Robert James Fletcher: Inseln der Illusion
Aus dem Englischen von Reinhard Kaiser
Die Andere Bibliothek, Berlin 2013
340 Seiten, 36 Euro