Mehr als eine Opfer-Täter-Geschichte
Die Rückgabe von Kunstgegenständen ist derzeit durch den Vorstoß des französischen Präsidenten in aller Munde. Aber wie denken Museumsexperten in den afrikanischen Ländern darüber? Der Kulturjournalist Werner Bloch hat sich auf einem Symposium umgehört.
Das Goethe-Institut und die Stiftung Preussischer Kulturbesitz haben in Berlin zu dem Symposium "Vertagtes Erbe? Kolonialismus gestern und heute" geladen – und auf dem Podium fällt kein einziges Mal der Name "Emmanuel Macron". Der Kulturjournalist Werner Bloch war dabei und wundert sich. Bei einer solchen Veranstaltung nicht auf den französischen Präsidenten und seine Bemühungen um Rückgabe von kolonialer Raubkunst zu sprechen zu kommen, sei "sehr erstaunlich".
Auch hätten die Symposiumsteilnehmer nicht über das diesbezügliche Papier von Bénédicte Savoy und Felwine Sarr diskutiert, das am 23. November von Macron der Öffentlichkeit präsentiert wird.
"Objekte einfach zurückzugeben, wäre wie Ablasshandel"
Gleichwohl hat Bloch während der Veranstaltung deutliche Worte auffangen können – etwa vom Präsidenten des Goethe-Instituts. Klaus-Dieter Lehmann hält es für keine gute Lösung, wenn Objekte von Deutschland einfach nur zurückgegeben würden und sagt: "Das hat etwas von: Ich wasche mich von meiner Schuld rein, mache einen Haken und das ist es. Das finde ich eine neue Arroganz. Das ist wie Ablasshandel – das bringt uns nicht in die Zukunft."
Auf überraschende Meinungen stieß Bloch bei Museumsexperten aus afrikanischen Ländern. "Viele sind sehr kritisch gegenüber einer Rückgabe", sagt Bloch. Etliche lehnten solche Rückgaben sogar rundweg ab. So habe ein Experte aus Kamerun darauf hin gewiesen, dass eine Rückgabe von Millionen von Gegenständen aus europäischen Museen technisch unmöglich sei – "wohin, an wessen Adresse?"
Europäer sollten nach Afrika schauen
Ein weiterer wichtiger Punkt, den der Kameruner Experte genannt habe: Die meisten afrikanischen Staaten seien ethnisch zusammengesetzt. "Und da gibt es große Differenzen, auch manchmal Streitereien zwischen den verschiedenen Ethnien." Wenn man also Vertretern der einen Ethnie ihre fantastischen Kunstgegenstände zurückgebe, sei "die Nachbarethnie darüber vielleicht gar nicht so erfreut". Hinzu komme: Viele afrikanische Regierungen seien gar nicht daran interessiert, die Gegenstände zurückzubekommen. "Es findet sich dort oft wenig Interesse für Kulturpolitik", sagt Bloch.
Die Europäer seien jedenfalls gut beraten, "da mal hinzugucken und nicht immer nur von deutschen Stiftungen oder Universitäten oder aus Paris auf das Problem zu schauen. Und einfach mal die Leute zu befragen, die da leben – denn die wissen es ziemlich gut."
Eine andere Museumsvertreterin aus Namibia habe beispielsweise betont, es gehe gar nicht so sehr um eine Rückgabe der Gegenstände und auch nicht darum, die Vergangenheit auf eine Opfer-Täter-Geschichte herunterzubrechen, sondern darum, "eine gemeinsame Perspektive zu haben zwischen Afrika und Europa – und auch eine gemeinsame Geschichte zu schreiben. Und das ist wirklich neu".
(mkn)