Hinweis:
Die katholische deutsche Bischofskonferenz hat die Weihnachtskollekte am 24. und 25. Dezember in diesem Jahr für die Arbeit von Adveniat für Gerechtigkeit und Frieden in Lateinamerika bestimmt.
Ohne Landreform kein Frieden
In diesem Jahr stellt die bischöfliche Aktion Adveniat die Menschenrechtsarbeit der katholischen Kirche in Lateinamerika in den Mittelpunkt. Einer, der vor Ort für Gerechtigkeit und Versöhnung kämpft, ist der kolumbianische Pfarrer Darío Echeverrí. Er vertritt bei den Verhandlungen für einen Friedensvertrag zwischen Regierung und Guerilla-Organisation FARC die Opfer des Bürgerkrieges.
Es war ein entscheidender Tag für die Zukunft Kolumbiens: Am 23. September verkündeten Vertreter der Regierung und der FARC-Guerrilla im kubanischen Havanna einen endgültigen Fahrplan für einen Friedensvertrag. Drei Jahre hatten sie bereits verhandelt, doch nun konnten sie sich an einem zentralen Punkt verständigen: Man einigte sich auf eine künftige Übergangsjustiz. Also darauf, wie das Land mit den unzähligen Menschenrechtsverletzungen umgehen soll, die Soldaten und Guerrilleros in dem über 50 Jahre andauernden Bürgerkrieg verübt haben. Für Padre Darío Echeverrí war diese Einigung ein besonders großer Erfolg:
"Zweifellos ist das für mich als Person und auch für die katholische Kirche Kolumbiens das wichtigste Thema. In allen anderen Bereichen ging es um technische Aspekte: um eine Landreform, um die künftige politische Partizipation der FARC, um den Umgang mit dem Anbau illegaler Drogen. Doch das vierte Thema betrifft die Menschen. Es beschäftigt sich mit der Gerechtigkeit, der Wahrheit, der juristischen Aufarbeitung, mit Entschädigung, Wiedergutmachung und Garantien, damit sich das alles nicht wiederholt. Hier geht es also tatsächlich um das Ende des Konflikts."
Dialog in Havanna
Pfarrer Echeverrí war von Anfang an dabei. Als Vertreter der Nationalen Versöhnungskommission begleitete er 60 Kriegsopfer, die stellvertretend für Tausende an dem Dialog in Havanna teilnahmen. Seit die Kommission 1995 von der Bischofskonferenz gegründet wurde, kümmert sie sich um die Leidtragenden des Krieges: um Familien, deren Kinder verschwanden, um Kleinbauern, die Haus und Hof verlassen mussten und um Menschen, deren Angehörige von Soldaten hingerichtet wurden. Vertreter verschiedener politischer, kultureller und auch religiöser Orientierungen sind in der Kommission aktiv:
"Die Versöhnungskommission ist der zivile Flügel der katholischen Kirche auf Erden. Sie setzt sich für ein Ende des Konflikts auf dem Verhandlungsweg ein. Was ein ziviler Flügel auf Erden sein soll? Nun, das sind einige Persönlichkeiten, die der Kirche die Realität so weltlich wie möglich näher bringen."
Padre Echeverrí hat sich seinen Humor, seine Gelassenheit und auch seinen Optimismus bewahrt. Dabei weiß er ganz genau, dass viele seiner Mitmenschen misstrauisch sind. Wird die FARC dafür büßen müssen, dass sie mit Gewalt indigene Gemeinden vertrieben hat? Werden die Folterer der Armee tatsächlich bestraft? Auch Helena Uran ist skeptisch. Vor 30 Jahren wurde ihr Vater ermordet. Alles spricht dafür, dass Soldaten den kritischen Richter töteten. Doch kein Gericht hat die Täter verurteilt. Ob ihr der Friedensvertrag helfen wird?
"Allein die Unterschrift zweier bewaffneter Akteure wird wenig nutzen, wenn man nicht aufklärt, was tatsächlich geschehen ist. Sollte die Wahrheit nicht ans Licht kommt, wird es sehr schwer sein, von Frieden zu sprechen und zu vergeben. Wenn es niemanden gibt, dem du verzeihen kannst, wirst du das schmerzhafte Erlebnis nicht überwinden."
Verzeihen, Vergeben, Versöhnen – ein schmerzliches Thema. Padre Echeverrí kennt die Konflikte. Er weiß, was es heißt, wenn eine Mutter einem Uniformierten vergeben soll, der ihre Tochter vergewaltigt und ermordet hat. Doch für ihn gibt es keine Alternative zur Versöhnung.
"Papst Franziskus schrieb in einem Brief, er wolle das Land besuchen und die katholische Kirche als einen Ort erleben, in dem sich Akteure beider Seiten des Konflikts mit Vertrauen in die Augen schauen können. Das ist das Kolumbien, das wir alle wollen."
Las Camelias, ein Dorf in Urabá, einer der besonders umkämpften Regionen. Hier vertrieben Paramilitärs Kleinbauern, weil sie angeblich die Guerilla unterstützt haben sollen. Später siedelten sich Agrarunternehmen auf dem frei gewordenen Ackerland an. Bis heute kämpfen die Vertriebenen für die Rückgabe ihres Bodens. So auch Maria Chaverra. Der Friedensvertrag, so hofft sie, bringt sie ihrem Ziel näher.
"Wir brauchen soziale Gerechtigkeit und eine Wiedergutmachung für all die Schäden, die sie verursacht haben und derentwegen wir von Almosen leben müssen. Wir sind einfache Bauern und wollen Frieden, keinen Krieg. Wir wollen Garantien, dass wir unser Land wiederbekommen."
Wenige Großgrundbesitzer haben die meisten Ländereien
Noch immer besitzen wenige Großgrundbesitzer die meisten Ländereien, während Kleinbauern als Tagelöhner arbeiten oder Koka anbauen müssen. Ohne eine Landreform werde es keinen Frieden geben, davon ist Padre Echeverrí überzeugt. Mit den bestehenden Besitzverhältnissen sei der nächste Konflikt vorprogrammiert.
"Heute nennen sie sich FARC, morgen werden sie einen anderen Namen tragen. Deshalb müssen wir die Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten überwinden, die Kolumbien so dramatisch prägen."
Den Widerspruch zwischen Arm und Reich erlebt der Pfarrer jeden Tag. Seine Kirche liegt in einem von Armut geprägten Viertel im Süden Bogotás. Dort kümmert er sich um die Gestrandeten, die Hungrigen, die vor dem Krieg Geflüchteten. Nur wenige Hundert Meter entfernt stehen der prunkvolle Präsidentenpalast, das Parlamentsgebäude und das historische Bürgermeisteramt. Für Padre Echeverrí steht jedenfalls fest: Seine Kirche, die er gerne den Tempel nennt, ist die schönste der Stadt.
"Dieser Tempel war schon in der Geschichte sehr wichtig. Zurzeit befindet er sich an einem deprimierenden Ort. An einem Ort der traurigen Menschen, die Prostituierte und Drogen suchen, einem Ort der Bettler, Obdachlosen und fliegenden Händler. Aber das ist meine Kirchengemeinde, das sind meine Leute und ich mag sie sehr. Ich weiß, dass sie mich auch mögen und versuche, ihnen Grund zur Hoffnung zu geben. Auch wenn es nur ein brüderlicher Gruß oder ab und zu eine heiße Suppe ist."