Kolumbiens Friedensvertrag

Noch ein weiter Weg zum Frieden

Der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos und der Kommandeur der FARC-Guerrilla-Organisation Timoleon Jimenez, alias Timochenko, geben sich beim Festakt in Cartagena die Hand.
Festakt zur Unterzeichnung des historischen Friedensvertrages in Kolumbien. © AFP / Luis Acosta
Von Burkhard Birke |
Nach 52 Jahren Bürgerkrieg haben Regierung und Guerilla in Kolumbien einen Friedensvertrag unterzeichnet. Das historische Abkommen auszuhandeln war eine schwierige Aufgabe. Ungleich schwerer wird es nun, wirklich Frieden zu schaffen, meint Burkhard Birke.
Eine Schwalbe macht noch keinen Frühling – und eine Unterschrift unter ein Friedensabkommen schafft noch keinen Frieden. Gleichwohl ist der Vertrag, den FARC-Guerilla und kolumbianische Regierung unterzeichnet haben historisch und wegweisend. Zum ersten Mal in Jahrzehnten eröffnet sich Kolumbien die Chance, die Spirale der Gewalt zu beenden. Mehr als eine Viertelmillion Tote, über sechs Millionen Vertriebene: Nahezu jeder sechste Kolumbianer wurde Opfer des Konfliktes. Es war höchste Zeit für die Beteiligten, Probleme nicht mehr mit der Waffe lösen zu wollen. Wegweisend ist das Abkommen, weil die Konfliktparteien sich ohne Druck von außen selbst über so sensible Punkte wie eine Übergangsjustiz und die Eindämmung des Drogenhandels verständigt haben. Gelingt es, den Kern und den Geist des Abkommens umzusetzen, so strahlt der Friedensschluss in Kolumbien wie ein Leuchtturm in alle Konfliktregionen dieser Welt.

Der Frieden hat einen hohen Preis

Natürlich ist der Friedensvertrag alles andere als vollkommen. Der Frieden verlangt von den Kolumbianern einen hohen Preis. Umso wichtiger ist ein deutliches Ja bei der Volksabstimmung morgen. Schließlich geht es um den Umbau des Landes, auch um mehr soziale Gerechtigkeit.
Zum ersten Mal seit fast einem Jahrhundert soll eine umfassende Agrarreform durchgeführt werden. Drei Millionen Hektar Land sollen umverteilt, Kleinbauern soll unter die Arme gegriffen werden. Das wäre ein Meilenstein in einem Land mit einer der ungleichsten Einkommensverteilung in ganz Lateinamerika, ja weltweit. Großgrundbesitzer, die sich Land unter den Nagel gerissen haben, oder die jetzt enteignet werden sollen, drohen. Widerstand und neue Gewalt scheinen vorprogrammiert.

Verurteilte Verbrecher im Parlament

Aus dem schmutzigen Geschäft mit illegalen Drogen wollen sich zumindest die FARC zurückziehen. Nach dem verlorenen Krieg gegen Drogen sucht die Regierung Kolumbiens neue Wege durch teilweise Entkriminalisierung. Der Schlüssel zu einer wirklich nachhaltigen Lösung läge in einer international derzeit nicht durchsetzbaren Legalisierung.
An der Urne und nicht mehr mit Waffengewalt werden die auf sieben- bis achttausend geschätzten FARC-Kämpfer künftig für ihre Ziele kämpfen: Für zwei Legislaturperioden werden ihnen fünf Senatoren- und fünf Abgeordnetenmandate garantiert. Das ist in höchstem Maße undemokratisch. Die zehn garantierten FARC-Vertreter im kolumbianischen Parlament werden aber kaum das Zünglein an der Waage der kolumbianischen Politik sein. Der Preis erscheint dennoch hoch, zumal Ex-Guerilleros und – wie die Opposition im Land anmerkt – verurteilte Verbrecher ins Parlament einziehen.
Von Straffreiheit im Zusammenhang mit dem Abkommen zu sprechen, wäre jedoch weit gefehlt. Zwar sieht die sogenannte Übergangsjustiz Maximalstrafen von acht Jahren Haft selbst für schlimmste Menschenrechtsvergehen vor. Das allerdings nur bei vollem Geständnis, Wiedergutmachung an den Opfern und für den Fall, dass sich die Vergehen nicht wiederholen. In einem Land, in dem über 90 Prozent aller Morde ungesühnt und straffrei bleiben, wäre es ein enormer Erfolg, wenn die Verbrechen der FARC aber auch der Sicherheitskräfte des Staates und von Paramilitärs überhaupt geahndet würden.

Kolumbien könnte ein wirklich demokratischer Staat werden

Fehlender Respekt den Ermordeten gegenüber: Dieses Argument der Gegner des Friedensabkommens muss man kontern. Die Ablehnung des Vertrages wäre eine Respektlosigkeit den Lebenden gegenüber, der neuen jungen Generation an Kolumbianern, die nie etwas anderes als den bewaffneten Konflikt kannten und jetzt auf ein neues Kolumbien ohne Gewalt hoffen. Den Frieden auszuhandeln, war eine schwierige Aufgabe. Ungleich schwerer indes wird es den Frieden umzusetzen.
Jene Landstriche, in denen die Guerilla herrschte, gilt es endlich anzubinden und zu entwickeln. Die Oligarchie wird löhnen müssen. Mit dem ELN, dem nationalen Befreiungsheer, ist zudem noch immer eine Guerillagruppe mit mehreren tausend Kämpfern aktiv. Nach wie vor treiben auch kriminelle Banden als Ableger einstiger Paramilitärs ihr Unwesen – so wie die nach der Zeit der großen Kartelle breiter aufgestellten Drogenhändler. Frustrierte FARC-Kämpfer könnten sich diesen Gruppen anschließen.
Ein Friedensabkommen bedeutet eben noch nicht unbedingt Frieden. Nie zuvor freilich war Kolumbien der Chance so nah, ein wirklich demokratischer Staat zu werden, in dem Vergebung über Vergeltung steht. Bleibt zu hoffen, dass die Mehrheit die Chance erkennt und mit einem "Si" beim Referendum den Weg ebnet, um Kolumbien zum Beispiel für erfolgreiche Konfliktlösung in der Welt zu machen.
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