Literaturliste
Michael Ondaatje: "Kriegslicht"
Aus dem Englischen von Anna Leube
Hanser Verlag, München 2018
320 S., 24 Euro
Jane Gardam: "Weit weg von Verona"
Aus dem Englischen von Isabel Bogdan
Hanser Berlin Verlag, Berlin 2018
240 S., 22 Euro
Stewart O’Nan: "Stadt der Geheimnisse"
Aus dem Amerikanischen von Thomas Gunkel
Rowohlt Verlag, Reinbek 2018
220 S., 20 Euro
Natascha Wodin: "Irgendwo in diesem Dunkel"
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2018
239 S., 20 Euro
Ursula Krechel: "Geisterbahn"
Verlag Jung und Jung, Salzburg 2018.
640 S., 32 Euro
Minna Rytisalo: "Lempi, das heißt Liebe"
Aus dem Finnischen von Elina Kritzokat
Hanser Verlag, München 2018
222 S., 21 Euro
Die vergessene Nachkriegszeit
In einer neuen Reihe erläutert die Literaturkritikerin Sigrid Löffler, was das Feuilleton übersehen hat. Zum Beginn: die Jahre 1945 und 1946. Denn nun sind mehrere Romane erschienen, die sich den Jahren widmen und beachtet werden sollten.
Auf den ersten Blick sieht es aus wie ein zufälliges Zusammentreffen: keine besondere Absicht, kein tieferes Kalkül der Verlage dahinter, geschweige denn durchdachte Verlagspolitik. Es kommen einfach zufällig in verschiedenen Ländern einige neue Romane heraus, die etwas zeitgeschichtlich Interessantes zu erzählen haben.
So scheint es.
Doch vielleicht haben wir da etwas übersehen – ein neues Muster, einen stillschweigenden Themenwechsel, ein verändertes Erzählinteresse, die all diesen Romanen gemeinsam sind und erst auf den zweiten Blick erkennbar werden.
Unmittelbare Nachkriegszeit gerät in den Blick
Zwei neue Romane aus England, zwei aus Deutschland und je einer aus den USA und aus Finnland erscheinen zufällig gleichzeitig auf dem deutschsprachigen Buchmarkt – und doch erzählen sie alle über die gleiche Epoche, nämlich über die unmittelbare Nachkriegszeit 1945/46, als der Zweite Weltkrieg in Europa offiziell beendet, aber noch lange nicht vorbei war.
Diese Autoren interessieren sich nicht mehr so sehr für das Kriegsgeschehen selbst. Wir haben ja bereits unzählige Kriegsgeschichten zu lesen bekommen, dieser Stoff scheint inzwischen weitgehend auserzählt, auf Täter- und auf Opferseite wie auch aus der Siegerperspektive.
Notdürftige Ordnung in Ruinen
Die Autoren richten jetzt ihr Augenmerk auf die unmittelbaren Folgewirkungen des Weltkriegs. Das Erzählinteresse hat sich jetzt auf das zerstörte und verelendete Europa verlagert, auf einen ausgepowerten Kontinent, der sich inmitten der Ruinen eine notdürftige neue Ordnung zu geben versucht, um die Zerstörung und das Chaos zu überwinden.