Desaströse Prinzengala!
Die Intendantenfindung für das Schauspiel Köln als peinliche Farce: Unser Kolumnist Ersan Mondtag macht – passend zum Kölner Karneval – ein Dreigestirn um Oberbürgermeisterin Henriette Reker für die kulturpolitische Blamage verantwortlich.
Fast alles scheint gesagt. Die Berichterstattung war schnell und sauber. Die Vorstellung einer neuen Intendanz in Köln ist verschoben. Gut so, denn es wäre auch schwer erträglich gewesen, diese Farce auf der Bühne zu sehen. Das Unerträgliche des Ganzen an der Person des bisherigen Kandidaten festzumachen, das muss nicht sein.
Dass er sich aber von einem Dreigestirn aus Jungfrau, Bauer und Prinz mit der Aussicht auf eine Karriere hat blenden lassen – das kann man ihm durchaus vorwerfen: Mit ein wenig Instinkt für das bloße Amt eines Intendanten hätte er das üble Spiel durchschaut.
Peinliches Ernennungsverfahren als eigentliche Farce
Doch die eigentliche Farce ist das peinliche Ernennungsverfahren, quasi der Kölner Müllverbrennungsskandal in der Kulturpolitik, dessen Scherben man jetzt zusammenkehren muss.
Vorhang auf also für das Dreigestirn, das für diese Blamage verantwortlich ist:
Die Jungfrau ist ein Bühnenvereinsvorsitzender außer Diensten, der in einem Interview nicht eine einzige Inszenierung des designierten Intendanten nennen konnte.
Der Bauer im Komitee: Eine Kulturdezernentin, die vor einem halben Jahr den Freund aus Stuttgarter Boulevardtheater-Tagen zur Bewerbung animierte und damit diesen ganzen Mummenschanz ausklüngelte. Vor einem halben Jahr, als man gerade Gift und Galle gegen den amtierenden Intendanten spuckte: Da wollte die Frohnatur aus der Kulturpolitik keine Leiche kalt werden lassen. Es ist abstoßend.
Und dann der Prinz: Eine Oberbürgermeisterin, die denkt, man käme ohne ein Gremium diverser Fachleute aus, wenn es um einen Millionenetat, hunderte Arbeitsplätze und ein Aushängeschild ihrer Stadt geht. Die ihrer Kulturdezernentin zwar schon einmal die Kompetenzen über Kölns Kulturbaustellen entzog, aber in Sachen Schauspiel munter mit der Kollegin weiterwurstelt. Und nun tönt diese Oberbürgermeisterin, sie wolle die Intendanten-Kür selber in die Hand nehmen. Eine Hand also, an der schon ein wenig Theaterblut klebt.
Kulturpolitik wird zur Belastung der Künstler
Die Kulturpolitik am Rhein, zwischen Düsseldorf und Bonn, ist inzwischen eine Belastung für die Künstler und alle Beschäftigten der Institutionen geworden. Die "Macht am Rhein" scheint jenseits der Prinzengala das Theater als eine Lästigkeit anzusehen, die man blamieren und kaputtsparen sollte – vielleicht, um mehr Geld für Radwege übrig zu haben.
Intendantenfindungen haben immer einen seltsamen, undemokratischen Glanz, der noch aus Goethes seligen Zeiten auf das Amt zu strahlen scheint, als ein Herzog die Theater bestallte. Heute sitzen die Herzöge in der Stadtverwaltung. Aber in Zeiten des Shitstorms sind diese Prozesse ebenso wie Ensemblezusammensetzungen delikate Vorgänge, denn es geht um Menschen und künstlerische Schutzräume.
Umso wichtiger ist es, den Institutionen zu vertrauen, dass sie wissen, was sie tun. Es ist sehr problematisch, wenn Schauspieler dem Regisseur nicht trauen – aber es ist ebenso problematisch, wenn das Publikum der Kulturpolitik nicht trauen kann. Der Kraftakt, dieses Vertrauen wieder herzustellen, ist eigentlich keinem der Beteiligten des Kölner Dreigestirns zuzutrauen.
Insider als "Besserwisser" diffamiert
Der bereits angerichtete Schaden wird mithin an Artikeln der Zeitung "Die Welt" deutlich, die eine Blase aus Theaterfachleuten als Feinde des "freundlichen und jovialen Mannes vom ehrenwerten Salzburger Landestheater" ausmachte. Da werden also im guten reaktionären Stil Insider als "Besserwisser" diffamiert und einem Navid Kermani die Qualifikation abgesprochen, sich in einer mitteldeutschen Theaterangelegenheit zu äußern. Ein Lump, wer Rechtes dabei denkt.
Und man hört ja jetzt schon, wie eine gewisse Klientel die chauvinistischen Messer wetzt: Sollte jetzt jemand nach Frauen als Kandidatinnen rufen, dann solle man doch bitte auch sehen, dass zwei Frauen in der Kommission die Sache erst verbockt haben.
Eines immerhin wird damit bestätigt: Das Theater hat nach wie vor das Potenzial, Spiegel der Gesellschaft zu sein. Auch auf die Gefahr hin, dass man beim Blick in diesen Spiegel die weiße, chauvinistische Macht erkennt, die unsere Gesellschaft eben auch prägt.