Alles wird anders
In drei Wochen übergibt US-Präsident Barack Obama die Amtsgeschäfte an seinen Nachfolger Donald Trump. Eine Zäsur für die USA, aber auch für den Rest der Welt, meint Thilo Kössler. Und warnt: Niemand sollte so tun, als wüsste er, was Trump tatsächlich vorhat.
Es hätte alles so einfach sein können. Die Obamas wären aus dem Weißen Haus ausgezogen und hätten all den Glanz und Glamour mitgenommen, den sie wie Zuckerguss über die Pennsylvania Avenue 1600 gestrichen hatten. Die Clintons wären wieder ins Weiße Haus eingezogen - und mit ihnen gähnende Langeweile. Aber eben auch: politische Routine und die entsprechende Ernsthaftigkeit. Das Spannendste an den Neuen / Alten im Weißen Haus wäre gewesen, wie Hillary ihren Ehemann in der neuen Rolle als first husband davon abgehalten hätte, immer noch den großen Staatsmann zu geben.
Mit Obama verschwindet Berechenbarkeit und Verlässlichkeit
Es kam alles ganz anders. Weil Donald Trump den richtigen Ton traf und genau den Hass ausschwitzte, der ihm seine Wähler an die Urnen trieb. Und weil alle, ausnahmslos alle, ihn und sein Wahlkampfteam unterschätzt hatten. "Morgen steht´s im Hof, Trump ist doof" – es hätte mehr bedurft, um ihn zu stoppen, als diese allzu einfache Formel.
Mit den Obamas zieht jetzt indes nicht nur der Glamourfaktor aus, sondern auch das Prinzip Berechenbarkeit und Verlässlichkeit. Obama verkörperte den skrupulösen, nachdenklichen, intellektuellen Politiker, der sich von ethischen Überzeugungen leiten ließ.
Ganz anders Donald Trump. Er hat keine Überzeugungen. Er ersetzt Wahrheiten gerne durch Lügen. Und Moral durch Macht. Trumps Leitbild heißt: Donald Trump. "Make America great again" übersetzt er stets als: Lass Amerika so großartig wie mich werden. So, wie er sagte, dass man sich als Star bei Frauen alles erlauben könne, so wird er als 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika womöglich Politik machen. Trump wird sich alles herausnehmen, was sein Amt hergibt. Denn Donald Trump ist kein Anwalt für die Stärke des Rechts. Sondern ein Verfechter des Rechts des Stärkeren. Mit diesem politischen Sozialdarwinismus wird Trump nicht allein sein Land verändern. Sondern die Welt.
Trumps Ziel: Das Erbe Obamas ausradieren
Es gibt keinen Grund mehr, sich das schönzureden und abzuwiegeln. Donald Trump hat als president elect nicht nur den Stil des Wahlkämpfers Trump beibehalten - er ist auch kein Jota von seinem brüskierenden wirtschafts-nationalistischen Kurs und seinem selbstbezogenen Weltbild abgerückt. Im Gegenteil – er hat sich ein Kabinett zusammengestellt, das genau darauf zugeschnitten ist. Es besteht aus Millionären und Milliardären. Aus Wall-Street-Spekulanten und Firmenbossen. Aus Generälen und Manager-Machern. Das ist Trumps Welt: Weiß. Männlich. Reich.
Dabei ist die Mannschaft, die sich Donald Trump zusammengestellt hat, politisch noch viel extremer und rechter als jedes Kabinett unter George W. Bush. Die Gesellschaft, die sich unter Donald Trump im Weißen Haus und am Kabinettstisch tummelt, repräsentiert sich selbst - aber nicht die gesellschaftliche Realität in ihrem Land.
Das erste Ziel lautet erklärtermaßen: Vorwärts, wir müssen zurück. Das Erbe Barack Obamas soll ausradiert werden. Obamacare. Bankenregulierung. Freihandelsverträge.
Und wie sich das Ziel "America first" außenpolitisch niederschlagen wird, ist in Grundzügen auch bereits erkennbar: Zuerst in der Russland-Politik. Trump plant einen Paradigmenwechsel und einen Deal mit Vladimir Putin. Beide kämpfen gemeinsam gegen den IS. Dafür toleriert Trump die Annexion der Krim und Putins Syrienpolitik.
Gesamte Nachkriegsordnung könnte hinterfragt werden
Der neue Feind heißt für Donald Trump China. Schon jetzt gibt es erste Anzeichen für einen Handelskrieg und ein Kräftemessen im südchinesischen Meer. Mit geradezu schlafwandlerischer Sicherheit hat Donald Trump den wundesten Punkt Chinas getroffen, als er mit der Präsidentin Taiwans telefonierte und damit Peking signalisierte, dass die Ein-China-Politik nicht für immer gelten muss.
Auch für andere Konstanten der amerikanischen Außenpolitik könnte es jetzt ein Verfallsdatum geben. Für die Nato zum Beispiel. Trump forderte bereits - wie einst das Römische Reich - Tribut für den Schutz der amerikanischen Bündnispartner. "America first" – das könnte Bündnisse und Verpflichtungen in Frage stellen. Und am Ende die gesamte Nachkriegsordnung nebst all ihren geopolitischen Gewissheiten kippen. Schon wird allen Ernstes die Frage diskutiert, wer denn dem neuen Osten noch Paroli bieten könnte, wenn es den alten Westen nicht mehr gibt?
Niemand weiß, was Donald Trump am Ende vorhat. Und niemand sollte so tun, als wüsste er es. Für die Konsequenz des politischen Alltags kann das nur heißen, sich besser nicht auf Donald Trump zu verlassen. Sondern sein eigenes Schicksal in die Hand zu nehmen und für alle Fälle vorauszuplanen.
Thilo Kössler arbeitet als USA-Korrespondent von Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur in Washington