Deutschland in der Krise
Man muss das Leben genießen, solange es geht. Also: Champagner trinken!, meint Autor Paul Stänner. © picture alliance / Westend61 / Sofiya Garaeva
Champagner auf den Untergang!
Wir Deutsche halten uns immer noch für die Weltmeister in vielen Dingen. Jenseits der Grenzen sieht man aber vor allem den "kranken Mann Deutschland". Da hilft nur noch ausländischer Alkohol, meint Autor Paul Stänner.
Man muss das Leben genießen, solange es geht. Also: Champagner auf den Tisch! Denn unser Land geht den Bach runter. Folgen wir dem großen Napoleon. Der sagte, er könne ohne Champagner nicht leben. Er brauche ihn, wenn er gesiegt habe. Und er brauche ihn noch mehr, wenn er verloren habe. Was bei Napoleon nicht so häufig vorkam, dann aber bei Waterloo kräftig und final.
"Kräftig" und "final" sind auch für uns Deutsche die Stichworte. Wir nähern uns unserem Waterloo.
Mit der Bundesluftwaffe den CO2-Ausstoß reduzieren
Was haben wir uns über die Klima-Kleber aufgeregt - junge Menschen, keine Ahnung von Technik, aber voller Zukunftsangst. Statt sich auf Startbahnen festzukleben, hätten sie auf die Bundesluftwaffe vertrauen sollen als technisch kompetente Partnerin bei der Reduzierung von CO2-Abgasen. Wir müssen akzeptieren, dass das Wirken der deutschen Politik nicht weiter reichen kann, als man mit dem Auto kommt.
Mit dem Auto – nicht mit der Bahn! Nachdem schon die Schweiz überlegt, die pannenlastige Deutsche Bahn gar nicht mehr einreisen zu lassen, werden bald andere Länder mit gut funktionierenden Bahnsystemen folgen: Italien ganz sicher, aber auch Rumänien und Griechenland werden sich in die Liste eintragen.
Lasst uns Champagner trinken, denn dieses Land geht den Bach runter.
Digitalisierung – die erwachsene Tochter eines isländischen Freundes bekam einen Lachanfall, als sie hörte, dass sich ihr Vater in Deutschland ein Rezept auf Papier ausstellen lassen musste. Immerhin konnte sie sich erinnern, dass sie noch als kleines Mädchen solche Zettel in Island gesehen hatte.
Keine Rede mehr von sozialverträglichem Benehmen
Apropos kleine Mädchen: Den Kitas laufen die Erzieherinnen davon. Also lernen die Kinder nicht mehr zuzuhören, nicht mehr mit anderen zu spielen und sich so zu bewegen, dass sie nicht fett werden. Von sozialverträglichem Benehmen ist sowieso keine Rede.Hoch die Gläser! Aufs Wohl!
Und so geht es später weiter: Jedes vierte Grundschulkind hat Leseschwächen. Diese Kinder sind am Ende ihrer Schulzeit beim Erwerb von Kenntnissen und Wissen beeinträchtigt, denn noch immer sind Bücher die wichtigsten Instrumente beim Lernen.
Also Champagner auf den Tisch, solange die Händler noch wissen, wie man "Champagner" schreibt. Unser Land geht den Bach runter.
Hat man genug getrunken, könnte man es als beruhigend empfinden, dass die Rechtschreib- und auch sonstigen Genies ohnehin nur an vier Tagen in der Woche arbeiten wollen, weil es bequemer ist. Wenigstens sinkt so die Fehlerquote der schlecht ausgebildeten Elektriker, Köche und Anwälte.
Andererseits sinken wegen fehlender Kompetenzen auch die Aufstiegschancen. Die Kids, die Karriere machen wollen, brauchen zu ihrer Unterstützung eine einflussreiche Familie im Hintergrund - oder wenigstens einen Clan.
Unsere Brücken sind kaputt, die Altenpflege hat zu wenig Personal, der Wohnungsbau lahmt: Dieses Land geht den Bach runter. Trinken wir Champagner, solange wir Strom für die Kühlschränke haben.
Mangelwirtschaft statt Fachkräfteanwerbung
Wie konnte es so weit kommen? These A: die Verantwortungsdiffusion. Niemand will entscheiden, aus Angst etwas falsch zu machen. These B: die Ignoranz. Im 17. Jahrhundert ließ der preußische Große Kurfürst französische Hugenotten einwandern, um Wirtschaft und Verwaltung zu verbessern. Später holte Friedrich der Große Holländer, um die Sümpfe trocken zu legen und die Weidewirtschaft aufzubauen.
Wann haben wir verlernt, Fachkräfte aus dem Ausland einzuwerben? Stattdessen haben wir uns an unsere Mangelwirtschaft gewöhnt. Warum haben wir es zugelassen, dass die Bahn von Münchener Autofetischisten abgewirtschaftet wurde, statt uns Fachleute aus Italien oder der Schweiz zu besorgen? Wie wäre es mit einigen Engländern für Benehmen und Höflichkeit? Ein paar Japaner für die technische Entwicklung und die Patente?
Franzosen, ihr müsst uns retten. Bringt Champagner – aber reichlich! Wir machen es wie euer Napoleon.