Kommentar zu "Neustart Kultur"

Eine Evaluation, die wenig aussagt

04:50 Minuten
Ein Mitarbeiter trägt Stühle aus den Sitzreihen des Zuschauerraums des Berliner Ensembles. Wegen der Kontakteinschränkungen während der Coronapandemie werden einzelne Sitze für zukünftige Aufführungen ausgebaut.
Die Corona-Hilfen des Kulturprogramms „Neustart Kultur“ wurden offiziell evaluiert – eine verspätete Selbstaufarbeitung der Pandemiepolitik im Kulturbereich. © picture alliance / dpa / dpa-Zentralbild / Britta Pedersen
Ein Kommentar von Maximilian Kuball |
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Was hat „Neustart Kultur“, das Hilfsprogramm während der Coronapandemie, gebracht? Die Evaluation klammert zentrale Fragen aus und liefert das Ergebnis, das sich die Auftraggeberin Kulturstaatsministerin Claudia Roth, gewünscht hat.
138 Seiten lang und doch wenig aussagekräftig. Die Evaluation des Rettungs- und Zukunftsprogramms "Neustart Kultur" wird dem Anspruch, die Wirksamkeit der staatlichen Corona-Hilfen auf dem Feld von Kunst und Kultur kritisch zu beurteilen, nicht gerecht.
Sie verrät nichts darüber, ob das größte Kulturförderprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik auch an die richtigen Künstlerinnen und Institutionen verteilt wurde, ob die Bürokratiekosten angemessen waren, ob das Steuergeld sinnvoll verwendet worden ist.
Das liegt im Wesentlichen an der Methodik. So wurden vor allem die gefragt, die von dem Programm profitiert haben.
Das sind zum einen die Stellen, die das Geld im Auftrag der Bundesregierung verteilt haben: die Bundeskulturfonds, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der Deutsche Bühnenverein und viele weitere. Nie stand ihnen so viel Geld für Förderprogramme zur Verfügung, nie so viel Personal wie zur Zeit der Pandemie. Kein Wunder, dass sie das Programm mehrheitlich sehr gelungen fanden.

Self-Selection Bias der Studie

Befragt wurden zum anderen diejenigen, die von Neustart gefördert wurden. Das sind rund 62.000 Personen und Institutionen. Sie wurden zu einer Online-Befragung eingeladen, nicht aber diejenigen, deren Anträge nicht schnell genug eingereicht oder abgelehnt wurden.
Außerdem hat nur rund ein Viertel der Eingeladenen den Fragebogen auch wirklich ausgefüllt. Die Studienautoren weisen selbst auf den Self-Selection Bias hin. Demnach hat die Bereitschaft, sich an einer solchen Befragung zu beteiligen, auch damit zu tun, wie man das Programm fand. Im Klartext: Wer positive Erfahrungen mit Neustart gemacht hat, hat eher teilgenommen.
Entsprechend positiv fielen die Bewertungen aus. Was die Evaluation dagegen vollständig ausklammert, sind die vielen Kritikpunkte, die schon seit Jahren in Politik und Medien formuliert werden.
So hatte etwa der Bundesrechnungshof im Herbst 2023 kritisiert, das Programm sei sehr kleinteilig angelegt. Das habe zu einem überproportionalen Verwaltungsaufwand geführt. Und es habe Versäumnisse beim Controlling gegeben, die Zahlen und Daten der einzelnen Fachreferate seien nicht zentral zusammengeführt worden.
Das führte auch dazu, dass Unternehmen und Personen entgegen der Richtlinien mehrfach gefördert wurden. Überhaupt gab es von Kulturschaffenden und Medien wie uns viel Kritik an der Vergabepraxis. Welche Künstlerin, welcher Autor, welche Band das Geld besonders dringend brauchte, spielte keine Rolle. Stattdessen kamen die zum Zuge, die von Fachjurys als besonders gut eingeschätzt wurden, auch wenn es sich um Stars mit großem Festgeldkonto handelte.

Vergabepraxis und fehlende Kontrolle

Oder es wurden die bedacht, die ihre Anträge besonders schnell gestellt haben, getreu dem Motto, wer zuerst kommt, mahlt zuerst. In anderen Programmen dagegen kam quasi jeder zum Zuge, unabhängig von der tatsächlichen Förderberechtigung.
Auch zu Überprüfungen, Rückzahlungen oder Betrugsfällen findet sich in der jetzt vorliegenden Evaluation kein Wort. Stattdessen wird konstatiert, dass es eine Notlage gab und Neustart Kultur diese Notlage gelindert hat. Fair enough.
Die Frage, ob ein anders aufgestelltes staatliches Förderprogramm diese Not aber viel besser und gerechter hätte lindern können, wird nicht gestellt.
Insofern liefert die Evaluation das Ergebnis, das sich die Auftraggeberin, Kulturstaatsministerin Claudia Roth und ihr Apparat, gewünscht hat. Dafür sind 200.000 Euro, die diese Studie kosten sollte, eine Menge Geld.
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