Meinung
Ob Dresden oder Schwerin: Ostdeutsche Frauen haben auch zum Erfolg der AfD bei er Bundestagswahl beigetragen - doch warum? © picture alliance / imageBROKER / Sylvio Dittrich
Wie Wählerinnen feministische Erfolge aufs Spiel setzen
04:32 Minuten

Warum haben so viele Frauen bei der Bundestagswahl für die Union oder AfD gestimmt? Die Parteien stehen nicht unbedingt für Feminismus und Frauenemanzipation. Die Gleichberechtigung könnte so einen Dämpfer erhalten.
Was ist nur los mit den Frauen? Da wählten 27 Prozent von ihnen bei der Bundestagswahl die Union und 18 Prozent die AfD. Letztere eine Partei, die Frauen gern den ganzen Tag zu Hause bei zahlreichen Kindern sehen würde, die Abtreibungen erschweren will, die über Frauen sagt, sie seien nicht so selbstbewusst wie Männer, weshalb man ihnen mit hohen Regierungsämtern keinen Gefallen täte.
Ahnen Frauen, die bei CDU, CSU, AfD und anderen konservativen und populistischen Parteien ihr Kreuz gemacht haben, was das für sie bedeutet? Ist ihnen bewusst, dass ein Parlament, in dem nicht einmal mehr ein Drittel der Abgeordneten weiblich ist, Belange von Frauen lediglich als Nebensache behandeln könnte? Immerhin entscheidet der Bundestag mit Gesetzen maßgeblich auch über das Leben von Frauen.
Frauen wählen konservativer als zuvor
In den vergangenen Jahren wählten vor allem jüngere Frauen weitaus weniger konservativ und rechts als Männer. Es tat sich ein Gender Gap in der Wahlkabine auf. Diese politische Geschlechterlücke wird jetzt offenbar kleiner und erscheint wie ein Rückfall in die 1980er-Jahre der alten Bundesrepublik, als sogar mehr Frauen als Männer ihr Kreuz bei konservativen Parteien machten.
Damals war die sogenannte Hausfrauenehe das Diktum der Zeit, Religion und traditionell moralische Werte bestimmten das Geschlechterbild. Heute sieht das allerdings anders aus, heute sind Frauen nicht nur verstärkt berufstätig, sondern können Geschäftsführerin, Aufsichtsrätin und sogar Bundeskanzlerin werden. Warum geben Frauen mit ihrer Wahlentscheidung heute so leichtsinnig feministische Erfolge auf, die Frauen vor ihnen hart erkämpft haben?
Die Ratlosigkeit wird noch größer, blickt man auf den Osten. Von Rostock bis Rudolstadt, von Halberstadt bis Hoyerswerda – im Osten hat die AfD am 23. Februar ihre bisher besten Wahlergebnisse eingefahren. Das war nur mit den Stimmen der Frauen möglich.
Frauen im Osten sind stärker gleichberechtigt
Frauen im Osten sind stärker gleichberechtigt als die im Westen. Dreiviertel der Ostfrauen im erwerbsfähigen Alter sind im Osten berufstätig, bei Familien gilt ein Ernährermodell, bei dem beide Partner Vollzeit arbeiten. Es gibt viel mehr Kitaplätze und eine geringe Teilzeitquote, Einkommens- und Rentenlücke sind wesentlich kleiner als im Westen, Renten dagegen höher, ebenso der Anteil von Frauen in Führungspositionen.
Warum also wählen Ostfrauen verstärkt eine konservative CDU? Was beeindruckt sie am Rechtsextremismus der AfD? Möglicherweise – Achtung, jetzt folgen steile Thesen – sind ostdeutsche Frauen in den Jahren seit dem Mauerfall konservativer geworden, gerade weil sie gleichberechtigter sind. Möglicherweise empfinden sie ihre Rechte und Entfaltungsoptionen als unumstößliche Selbstverständlichkeiten.
Möglicherweise ist die DDR noch nicht ganz ausgeschliffen: Vor 1989 waren Frauen den Männern zwar rechtlich gleichgestellt, gleichberechtigt waren sie deswegen noch lange nicht – und viele Frauen nahmen die männliche Hegemonie hin wie ein ungeschriebenes Gesetz.
Es steht für die Frauen in Ost und West viel auf dem Spiel
Ungeachtet dessen steht für Frauen in der Bundesrepublik insgesamt viel auf dem Spiel. Bekanntermaßen liegen Frauenthemen, gern als Gedöns verunglimpft, nicht im Fokus konservativer und populistisch agierender Politiker und Politikerinnen. Wenn Bundestagsabgeordnete künftig etwas für Frauen erreichen wollen, werden sie überfraktionelle Bündnisse schmieden müssen, gleichermaßen mit Ost- und Westkolleginnen, mit Frauen und progressiven Männern.
Doch das ist nicht leicht – und nur selten erfolgreich. Das hat vor wenigen Wochen der überfraktionelle Antrag, mit dem der Abtreibungsparagraf 218 aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden sollte, gezeigt. Er ist an den Männerparteien Union und FDP gescheitert. Sie schmetterten den Antrag ab.