Meinung

Der Krieg der Generationen findet nicht statt

04:21 Minuten
Eine Frau sitzt in einem Strandstuhl. Sie trägt ein Kleidung und einen Sonnenhut.
Füße hoch und das Alter genießen: Das geht nur mit einer vernünftigen Rente. Eine Untergrenze sorgt dafür, dass sich auch die Jungen auf einen gesicherten Ruhestand verlassen können. © Imago / photothek / Ute Grabowsky
Ein Kommentar von Gustav A. Horn |
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Die Debatte um Generationengerechtigkeit sorgt nicht nur in der Klimapolitik für Kontroversen. Auch bei der Finanzierung der Renten wird gestritten. Doch der Konflikt verläuft gar nicht zwischen Jung und Alt - sondern zwischen Arm und Reich.
Ob Schuldenbremse oder Rentenpolitik - immer wieder wird das Bild eines Konfliktes zwischen den Generationen bemüht. Vermeintlich treffen Wählerstimmen heischende Politiker dabei Entscheidungen zugunsten einer großen Zahl von älteren Menschen und zulasten einer geringeren Zahl von jüngeren Menschen.
Der Eindruck hat sich verfestigt, den Jungen würden Kosten aufgebürdet, die die älteren Generationen ohne Rücksicht auf deren Finanzierung verursachen. Es entsteht das Bild einer Rentnergeneration, die ihre mit Staatsschulden finanzierten, üppigen Renten an den Stränden von Mallorca oder den Kanaren verprasst, während die Jungen schlecht bezahlt im Schweiße ihres Angesichts nicht nur deren Rente erwirtschaften, sondern auch noch deren Schulden bezahlen.
Klingt nach Ausbeutung pur? Ein Anlass, den Krieg der Generationen vom Zaun zu brechen? 
Nein. Denn bevor ein Krieg losbricht, sollte man sich zunächst einmal fragen, ob es überhaupt um einen Konflikt zwischen den Generationen geht. Um dies festzustellen, lohnt es sich zu schauen, welche Wirkungen Entscheidungen von heute in der Zukunft wirklich haben.
Beginnen wir mit den Schulden von heute: Nimmt eine Regierung von heute Schulden auf, muss sie ab dem ersten Tag dafür die anfallenden Zinsen zahlen. Das kennt jeder Hausbesitzer. Mit anderen Worten: Auch die gegenwärtige Generation, die künftigen Alten, tragen die Last der Zinsen mit und genießen nicht nur den Nutzen.

Die Jungen profitieren von Investitionen

Werden mit diesen Schulden Maßnahmen finanziert, die auch in der Zukunft noch Nutzen stiften, wie etwa intakte Brücken, Schienen oder Schulen, zahlt die künftige Generation der Jungen nicht nur die Zinsen, sondern profitiert auch vom Nutzen dieser Investitionen. Klingt doch fair, oder?
Hinzu kommt: Überall wo Schulden sind, da gibt es auch Gläubiger. Diese Gläubiger der Zukunft sind ebenfalls die Jungen von heute, und diese profitieren von den Zinsen. Gerade bei der Frage, wer von den Staatsschulden profitiert, geht es auch um eine ganz banale Verteilungsfrage zwischen denen, die vermögend sind und denen, die es nicht sind.

Alle Generationen gewinnen

Was ist nun mit den Renten? Die Regierung will eine Untergrenze festlegen, unter die die Rente trotz stetig sinkender Einnahmen nicht sinken soll. Das kostet Geld, das durch höhere Beiträge und durch höhere Steuerzuschüsse aufgebracht werden soll. Gibt es also doch eine einseitige Belastung der künftigen Jungen, die die Beiträge und die Steuern zahlen müssen, während die Alten die höhere Rente genießen?
Nicht ganz. Denn die garantierte Untergrenze gilt schließlich nicht nur für die Alten von heute, sondern auch für die Jungen von heute, die irgendwann selbst einmal in Rente gehen. Alle Generationen gewinnen damit die Sicherheit, dass ihre Rente nicht ins Bodenlose fällt. Es ist gleichsam die Absicht, einen Rentenfallschirm bereitzustellen.
Sicher, dieser Fallschirm kostet Geld in Form höherer Steuern und eines maßvollen Anstiegs der Beiträge. Leichter fiele dies auch, wenn sich zukünftig alle – also auch Beamte und Selbstständige – an diesen Kosten beteiligen würden.

Es geht um die Verteilungsfrage

Für die Jungen aber gilt: Ohne Rentenfallschirm müsste die junge Generation auch mehr ansparen, um ein auskömmliches Einkommen im Alter zu haben. Das Risiko hierfür würde dann nur jeder für sich tragen und nicht die Gesellschaft als Ganzes. Ist das sicherer? Wohl kaum. Vor allem nicht für jene, die wegen ihrer niedrigen Einkommen ohnehin nur wenig sparen können.  Es geht also auch hier um eine Verteilungsfrage.
Die Debatten um eine sichere Rente und die Schuldenbremse machen eines deutlich. Sie durch die Brille eines Kriegs der Generationen zu sehen, verzerrt die Perspektive. In Wahrheit steht hinter diesen Debatten die Auseinandersetzung zwischen den wenigen Vermögenden, die ohnehin genug haben, um sich vor der Unbill unzureichender Infrastruktur und des demografischen Wandels weitgehend zu schützen, und jenen vielen, die dazu nicht in der Lage sind. Dies ist der Konflikt, den zu führen sich lohnt. 

Gustav A. Horn ist Wirtschaftswissenschaftler und leitete von 2005 bis 2019 das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Er ist Gründungsmitglied der Bürgerbewegung Finanzwende und Vorsitzender des wirtschaftspolitischen Beirats des SPD-Parteivorstands.

Ein Mann mit grauem Anzug und kurzen grauen Haaren blickt nach vorn. Es ist der Wirtschaftswissenschaftler Gustav Horn.
© picture alliance / dts-Agentur
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