Kommentar zu Hausverboten an Theatern
Kündigungen und Hausverbote für zwei Schauspielerinnen hatten kürzlich am Schauspiel Leipzig Unruhe und bundesweite Solidaritätsbekundungen zur Folge. © Schauspiel Leipzig / Rolf Arnold
Von Unternehmen das Kündigen lernen
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Zuletzt gab es immer wieder Berichte über Hausverbote für ehemalige Angestellte an Theatern. Die Debatte über eine bessere Leitung von Theatern habe zu Unsicherheiten geführt, so Journalist Tobi Müller. Ein Blick in die Wirtschaftswelt könne helfen.
In der Pandemie haben viele Schauspielhäuser die Arbeit an sich selbst verstärkt. Machtmissbrauch, Hierarchien, Sexismus, Rassismus, aber auch Arbeitsbedingungen: Nie wurde so viel darüber gesprochen, wie ein Theater besser zu führen sei, als in den vergangenen drei Jahren.
Aber solche Entwicklungen verlaufen weder konfliktfrei noch linear im Sinne eines zwingenden Fortschrittes. Wenn man von der Rhetorik von gewerkschaftsähnlichen Vereinen einmal absieht, die alle Verfehlungen grundsätzlich auf Leitungsebene sehen, hat die sogenannte Strukturdebatte ein interessantes Stadium der beginnenden Unsicherheit erreicht.
Hausverbote in Göttingen, Leipzig und Naumburg
Was ist oder war wirklich los in Göttingen, Naumburg und Leipzig? Ist es legitim, Schauspielerverträge nicht zu verlängern, wenn es künstlerisch nicht mehr passt wie in Göttingen, weil man ein Stadttheater ein bisschen flexibel halten möchte? Oder muss man das konkret überdenken, wenn das Bundesarbeitsgericht dem Schauspieler wie jüngst in letzter Instanz Recht gibt? Und warum erteilte der Leipziger Intendant zwei Schauspielerinnen gar Hausverbot, nachdem er sie nicht verlängert hatte? Waren ihre Versuche, mit den Kolleginnen und Kollegen im Haus darüber zu reden, wirklich so bedrohend oder der Intendant bloß zu ängstlich?
Was ist derweil davon zu halten, wenn Mitarbeitende wiederum von Protestierenden unter Druck gesetzt werden, sie hätten sich sofort zu solidarisieren? Und klingt es nicht seltsam, wenn in Naumburg ausgerechnet jenem Schauspieler, der auch der lokalen Gewerkschaft der Bühnenangehörigen vorsteht, gekündigt wird? Oder gibt es Grenzen, wenn einer vor den Vorstellungen sein Publikum für seinen Arbeitskampf agitiert? Auch der Schauspieler in Naumburg erhielt Hausverbot.
Schauen, wie andere es machen
Das Gute an alledem: Vor nur drei Jahren hätten wir diese Fälle niemals so breit diskutiert. Aber wie kommt man aus den festen Positionen dieser Kultur- und Arbeitskämpfe wieder heraus und weiter?
Wichtig wäre, dass sich der Theaterbetrieb nicht immer so einzigartig dünkt und auch mal woanders hinschaut, wie man es so macht. Die Personalabteilungen vieler Firmen haben viel gelernt, wie Konflikte moderiert und Belegschaften angenehmer – und das heißt immer: produktiver – zusammengestellt werden können. Die verbreitete Theatermeinung, dass wir in der Kultur alles noch immer etwas anders lösen, nützt letztlich nur der Leitung.
In der Wirtschaft ließe sich übrigens sehen, dass Hausverbote nach Kündigungen die Regel und nicht die Ausnahme darstellen, auch wenn es sich im ersten Schritt um technische Zulassungsbeschränkungen handelt. Dass CEOs, pardon, Intendanten nicht nach Laune kündigen können, und erst das Gespräch und dann die Mediation gesucht wird, weiß man in gut geführten Firmen auch schon lange. Und wenn es um Führung geht, ist selbst ein Theater erst einmal nur ein Unternehmen – wer das bereits als Kränkung empfindet, sollte eventuell keines leiten.