Kommentar
Klimastreifen als Eckfahne bei einem Fußball-Bundesligaspiel im Oktober 2021 © Imago / Jan Huebner
Warum der Fußball ein Spielfeld für Kampagnen geworden ist
03:49 Minuten
Nachhaltigkeit, Klimawandel, Diversität: Drei Beispiele, wie der Fußball für sich in Anspruch nimmt, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Unser Autor Heinz Schindler erklärt, welche Widersprüche er in der Umsetzung der Kampagnen sieht.
Ich habe gerade diese Woche unser Gemeindeblatt bekommen. Da stehen die Termine für die nächsten acht Wochen drin und auch, für wen die Kollekte am Ende der Gottesdienste bestimmt ist.
Kollekte, das erkläre ich mal den Glaubensfernen unter Ihnen: Da wird am Ende des Gottesdienstes Geld gesammelt für einen guten Zweck. Zu Erntedank für Brot für die Welt, sonst mal für Kirche in Afrika oder Litauen oder fürs Blaue Kreuz. Jeder, der will, gibt, wie viel er oder sie mag oder kann oder auch nicht.
Die Deutsche Fußball-Liga und der DFB machen das ja so ähnlich, veröffentlichen Spielpläne für ein paar Wochen im Voraus - und irgendwann heißt es dann: Ein Spieltag ist der Nachhaltigkeit gewidmet, der andere dem Klimawandel oder sämtlichen Gruppen, die der Regenbogen repräsentiert. Das ist auch schön und gut so.
Vergleich zu Kollekten in den Kirchen
Da gibt es dann das gemischte Foto beider Mannschaften, irgendein einmalig zu nutzendes Banner mit dem Motto des Spieltags, während auf dem Fanblock eine Choreografie abläuft – zur einmaligen Aufführung und oft zigtausend Euro teuer. Widersprüche wie diese stören im modernen Fußball aber die Kundschaft nicht.
Fußball ist halt ein Spielfeld für Kampagnen geworden, die genauso dazu gehören wie die Kollekten in den Kirchen. Nur, dass sich immer mehr Menschen von Letzterem abwenden, sich von den Fußballunternehmen aber Handlungsgebote aufs Auge drücken lassen: Rette den Wald, iss vegan, lebe nachhaltig und übe Kritik am Verein nur so, dass sie nicht weh tut oder noch besser - überlasse dem Verein die Deutungshoheit und nimm es einfach hin. Das reicht schon, wenn Du, lieber Kunde, Dein Geld dem Verein gibst, der weiß es schon auszugeben.
Und natürlich hat jedes Fußballunternehmen sozialorientierte Projekte zu laufen und ordentlich bezahlte Leute, die diese betreuen. Das haben andere Unternehmen aber längst auch schon und für einen Weltkonzern – den mit der Kollekte – ist das sogar der Markenkern.
Und natürlich hat jedes Fußballunternehmen sozialorientierte Projekte zu laufen und ordentlich bezahlte Leute, die diese betreuen. Das haben andere Unternehmen aber längst auch schon und für einen Weltkonzern – den mit der Kollekte – ist das sogar der Markenkern.
Angeblich muss alles so sein
Anscheinend aber haben Fußball-AGs und -KGs die bessere PR-Maschinerie. Die auch immer gleiche Gründe oder Ausreden dafür mitliefert, warum man das, wozu man die Fans auffordert, selbst leider nicht konsequent leben kann.
Man würde ja gerne, aber das Geschäft, Sie verstehen ... Da werden immer größere Flächen versiegelt, Testspiele europa- und weltweit abgeschlossen, und die Kohle aus Saudi-Arabien oder Ruanda stinkt dann doch nicht. Die Fans und Sponsoren wenden sich aber nicht ab. Denn angeblich muss alles so sein.
Was Genesis damit zu tun hat
Vor nun auch schon wieder rund 30 Jahren brachte die Gruppe Genesis mal ein Stück heraus. „Jesus, he knows me hieß das. Darin mokierte sich die Gruppe über die damals im Trend liegenden Fernsehprediger. In einer Liedzeile heißt es: „Just do as I say, don't do as I do. - „Macht, was ich Euch sage, aber macht nicht, was ich mache.“
Das Stück könnte heute noch in jedem Vorprogramm im Stadion laufen - das aber setzt Selbstironie, Größe und echte Kritikfähigkeit voraus. Und das ist nun wirklich nichts für den stromlinienförmigen modernen Fußball, denke ich. Nichts für diejenigen, die blindlings ihren Vereinsfahnen folgen und vielleicht auch nicht mehr für die Gesellschaft allgemein.
Das Stück könnte heute noch in jedem Vorprogramm im Stadion laufen - das aber setzt Selbstironie, Größe und echte Kritikfähigkeit voraus. Und das ist nun wirklich nichts für den stromlinienförmigen modernen Fußball, denke ich. Nichts für diejenigen, die blindlings ihren Vereinsfahnen folgen und vielleicht auch nicht mehr für die Gesellschaft allgemein.