Meinung

Kriegsopfer Umwelt

04:36 Minuten
In einem ukrainischen Umspannwerk steigt nach einem russischen Angriff schwarzer Rauch in den Himmel.
Die Schäden an der Umwelt vor, nach und während Kriegen - wie hier in der Ukraine - müssen mehr ins Bewusstsein der Zivilgesellschaft, meint Publizistin Kebir. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Yevhen Titov
Von Sabine Kebir |
Audio herunterladen
Kriege zerstören Menschenleben, Infrastrukturen und ganze Länder. Doch ein Opfer wird meist übersehen: die Schäden an der Umwelt. Dabei kann die Zerstörung an der Natur erhebliche Ausmaße annehmen.
Militär ist schon in Friedenszeiten eine wahre Kriegserklärung an die Umwelt. Denn es gehört zu den großen Verursachern von Umweltschäden.
Besonders anschaulich wird dies anhand der größten Streitmacht auf unserem Planeten, der Armee der Vereinigten Staaten von Amerika. Sie ist der größte einzelne Energieverbraucher der USA, haben Forschende ermittelt.

Bundeswehr stößt mehr CO2 aus

Allein ein B-52 Kampfjet verbrauche in einer Stunde so viel Treibstoff wie ein durchschnittlicher Autofahrer in sieben Jahren. 200 Millionen Tonnen CO2 hat allein das Militär der NATO im Jahr 2021 produziert. Das entspricht in etwa den jährlichen CO2-Emissionen von Spanien.
Bis heute werden diese Naturkosten nicht in die Klimabilanzen der Weltklimakonferenzen eingerechnet. Das Pentagon argumentiert: Der Energieverbrauch des Militärs dürfe nicht eingeschränkt werden, weil sonst die Verteidigungsfähigkeit gefährdet sei.
Auch die Bundeswehr ist kein Klimamusterknabe. Obwohl sie sich selbst zum Schutz der Umwelt verpflichtet hat. Allerdings verfehlt sie ihre selbst gesteckten Ziele regelmäßig. Die CO2-Emissionen der deutschen Armee stiegen von 2019 bis 2021 um 25 Prozent – was mit der Anschaffung von mehr Flugzeugen begründet wird.
Wirklich katastrophal für die Umwelt wird es jedoch im Kriegsfall. Der Rohstoffbedarf von Kriegen ist gewaltig. Für den Ukrainekrieg etwa werden ganze Wälder abgeholzt, Ökosysteme angegriffen und Brutstätten vernichten.

Auch Wandervögel sind betroffen

Im Krieg kommen nicht nur Soldaten und Zivilisten ums Leben. Umweltzerstörungen gefährden auch die Gesundheit der Überlebenden. Tiere und Pflanzen sterben ebenfalls auf den sich ständig verlagernden Schlachtfeldern und durch Bombardierungen. 
Krieg hinterlässt mit Schwermetallen und energiereichen Stoffen kontaminierte Böden. Grundwasser und Luft werden vergiftet, wenn Schwer- und Chemieindustriestandorte, Ölraffinerien und Kraftwerke unter Beschuss geraten. Daher gelten Kriegshandlungen, die die Umwelt nachhaltig schädigen, im Völkerrecht auch als Straftatbestand. 
Der Krieg im Nahen Osten scheint sogar Wandervögel zu beeinflussen. Eine israelische Freundin erzählte mir, dass Zehntausende der im Herbst nach Afrika fliegenden Kraniche, die gewöhnlich einen Erholungsstopp in Nordisrael einlegen, 2024 ausblieben – wohl wegen Lärm und Brandstaub des Raketenkriegs zwischen Hisbollah und Israel.
Für den Gazastreifen hieß es schon vor dem jetzigen Krieg, dass die Boden- und Wasserverhältnisse das Leben dort bald unmöglich machen würde. Das „Palestinian-NGO-Network“ beklagt, dass durch Zerstörung der Wasser- und Abwassersysteme Agrarflächen und das Grundwasser durch chemische Einflüsse toxisch seien. Mit westlicher Hilfe finanzierte Solar- und Kläranlagen seien zerstört.

CO2-Emissionen durch Wiederaufbau

Die Sprengung der Gaspipeline „Nord Stream 2“ war das bislang klimaschädlichste Ereignis des Ukrainekrieges. Knapp 15 Millionen Tonnen CO2 gelangten dadurch in die Atmosphäre; was etwa den jährlichen CO2-Emissionen von Berlin entspricht.
Während ein Krieg zum Klima-Albtraum wird, wird es beim Wiederaufbau für die Umwelt nicht viel besser. Experten schätzen, dass der Wiederaufbau von zerstörten Gebäuden, Industrieanlagen und Verkehrswegen in der Ukraine ein Drittel der kriegsbedingten Emissionen verursachen werden.
Die Warnung vor hohen Umweltkosten hat noch kein Land davon abgehalten, einen Krieg zu führen. Aber wir müssen die zu oft übersehenen Umweltschäden vor, während und nach Kriegen stärker ins Bewusstsein der Zivilgesellschaft bringen.

Die Publizistin Sabine Kebir studierte an der Humboldt-Universität in Berlin Italienisch, Französisch und Russisch und promovierte 1976 zu Antonio Gramsci zum Dr. phil. Sie wanderte 1977 nach Algerien aus und lehrte dort am Institut für Politische Wissenschaft und Kommunikation sowie am Institut für Germanistik der Universität Algier. 1988 übersiedelte Kebir nach Berlin/West und habilitierte 1989 in Politologie. Kebir arbeitet als Sachbuch- und Belletristik-Autorin sowie Übersetzerin und schreibt für eine Vielzahl deutscher Medien.

Mehr zu Umwelt und Kriegen