Blockaden der Letzten Generation

Zwischen Kritik und Pranger

03:59 Minuten
Straßenblockade in Berlin: Verschiede Personen sitzen auf dem Boden.
Mit ihren Straßenblockaden wollen die Aktivisten auf die Folgen des Klimawandels aufmerksam machen. © picture alliance / dpa / Paul Zinken
Von Panajotis Gavrilis |
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Nach dem Tod einer Radfahrerin in Berlin stehen die Klima-Aktivisten stark in der Kritik. Der Fall sei komplex, meint Panajotis Gavrilis und warnt vor schnellen Urteilen. Vielmehr solle man auch den Grund für die Blockaden bedenken: den Klimawandel.
Die behandelnde Notärztin kommt zu der Einschätzung, dass der ausgelöste Stau keine Auswirkungen auf die Rettung der verunglückten Radfahrerin gehabt hätte. Dass manche Politiker*innen nun versuchen, monokausale Zusammenhänge herzustellen, die das Narrativ bedienen, Klima-Aktivist*innen seien schuld am Tod der Frau ist zynisch und falsch zugleich.

Eine Radfahrerin war bei einem Unfall am Montag in Berlin von einem Betonmischer überrollt worden. Am Donnerstagabend ist sie im Krankenhaus ihren schweren Verletzungen erlegen. Klimaaktivisten wird vorgeworfen, einen Stau ausgelöst zu haben, wodurch die Rettungskräfte verspätet am Unfallort eingetroffen sein sollen.

Auch ohne die Protestaktionen kommt es zu Staus. Es gibt keine einfache Erklärung zwischen dem furchtbaren Tod der Radfahrerin und der Protestaktion. Der Fall ist viel komplexer, um ihn gegen die Aktivist*innen der „Letzten Generation“ zu instrumentalisieren.
Die Radfahrerin wurde von einem Betonmischer überfahren. In den Ermittlungen muss die Verantwortung des Fahrers geklärt werden und der Umstand, dass er selbst nach dem Unfall tätlich angegriffen wurde.

Zu viele Fragen sind offen

Hinzu kommt die Grundproblematik, dass Rettungswägen häufig im Stau in Berlin stecken bleiben und Autofahrer*innen keine Rettungsgassen bilden. Es sind zu viele Fragen offen und zum aktuellen Zeitpunkt sollte man mit voreiligen Rückschlüssen und Vorverurteilungen vorsichtig sein.
Man kann den Protest falsch und kontraproduktiv finden, aber das macht Klimaaktivist*innen nicht gleich zu Täter*innen. Ja, die Klebeaktionen nerven und die damit verbundene Behinderung des Straßenverkehrs auch. Ja, die Ziele der Klima-Aktivist*innen, nämlich diesen Planeten zu retten, sind richtig.
Und nein, die gewählten Protestformen sorgen nicht dafür, dass sich andere Menschen mit den Zielen identifizieren und sich denken: Ja, es muss endlich mehr für den Klimaschutz getan werden. Im Gegenteil. Viele Teile vor allem der autofahrenden Gesellschaft sind wütend und könnten sich endgültig vom Klimaschutz abwenden.

Auch die Klimaschützer müssen Kritik aushalten

Aber auch die selbst ernannten Klimaschützer*innen müssen öffentliche Kritik aushalten und sich am Ende möglicherweise auch strafrechtlichen Konsequenzen stellen. Ihre pauschale Behauptung, Medien würden Unwahrheiten berichten und den Vorfall „fiktiv aufbauschen“, belegen sie nicht und erzeugen damit ein ganz eigenes, gefährliches Narrativ von „Lügenpresse“.
Und bei all dem geht ein Aspekt verloren, bei dem die Aktivist*innen durchaus richtig liegen: Es wird zu wenig getan, um das Klima zu schützen. So hat der Expertenrat für Klimafragen der Bundesregierung selbst heute festgestellt, dass wenn das Land so weitermache, werde es die Klimaziele für das Jahr 2030 verfehlen.

Sinn und Unsinn von Klebe-Aktionen

Vielleicht sollten wir mehr darüber sprechen und nicht über Sinn und Unsinn von Klebe-Aktionen und das Beschmieren von Kunstwerken, über die man sich zurecht empören kann. Denn diese Empörung über die Protestform lenkt vom eigentlichen Ziel ab.
Und sie lenkt in dem konkreten Fall auch davon ab, dass in Berlin mit der 44-jährigen Frau zum 8. Mal in diesem Jahr jemand auf dem Fahrrad getötet wurde. Unfälle, bei denen Pkw oder Lkw involviert waren.
Wer in Berlin mit dem Rad unterwegs ist, weiß, dass es weiterhin gefährlich ist und man immer damit rechnen muss, übersehen zu werden und von einem Fahrzeug überrollt zu werden. Man kann die Protestformen der selbst ernannten „Letzten Generation“ ablehnen und dennoch wäre es wichtig und angebracht, über Klimaschutz und Verkehrssicherheit zu sprechen.
Und nicht den Tod eines Menschen dafür zu instrumentalisieren. Es gebietet der Anstand, der Familie und den Angehörigen des Opfers Respekt zu zollen und einfach auch einmal innezuhalten.

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