Meinung
Wie viel Macht dürfen einzelne Konzerne haben? Mark Zuckerberg und Elon Musk haben ihre Plattformen wieder affektökonomisch deregulieren © imago / Panama Pictures Christoph Hardt
Fake News – Die Profitmaschine der Informationsoligarchen
04:15 Minuten
Sie sind extrem reich, extrem einflussreich und extrem gefährlich: Elon Musk und Mark Zuckerberg sprechen von Neutralität und meinen rechten Opportunismus gegenüber Donald Trump. Dadurch bildet sich eine gefährliche Informationsoligarchie.
Der selbsterklärte „Absolutist freier Rede“, wie sich Elon Musk bezeichnet, betonte zunächst, dass X unparteiisch bzw. „politisch neutral“ sein müsse. Was für den Eigentümer der Plattform vordergründig bedeute, dass sie „extreme Rechte“ und „extreme Linke gleichermaßen (…) verärgern“, dass X ein „Ausbalancieren der Wut“ anstreben solle.
Diskursdisruption mit System
Stattdessen schrottet er seit über zwei Jahren alles, was seiner libertären Idee freier Rede widerspricht. Jede ausgewogene Contentmoderation, jede politische Korrektheit hat Musk demontiert. So ist X sukzessive zum „Safe Space“ rechter Ideologen geworden; eine Sphäre, in der Hassrede und Fake News jeden Austausch zersetzen.
Diese Diskursdisruption hat durchaus System: Denn während sich Betreiber sozialer Medien gern auf den Communications Decency Act von 1996 berufen – das Verständnis also, dass Plattformen neutrale Intermediäre seien –, weiß Musk es in Wirklichkeit besser. Für ihn sind soziale Medien, vor allem ihre Algorithmen, keine unparteiischen Instanzen. Sie werden von Interessen, Weltanschauungen und Vorurteilen durchzogen und bestimmen nicht nur, was von wem, wann gesehen wird, sondern laufen besonders heiß, wenn sie mit Emotionen panschen, den Zorn der Zeit nicht ausbalancieren, sondern politisieren, affektiv eskalieren. Genau das nutzt Musk für ein ganz eigenes, programmatisches Wutmanagement.
Mehr Reichweite für Musk
Ständig beleidigt er demokratisch gewählte Politiker, teilt mal antisemitische Verschwörungs-, mal rassistische Untergangserzählungen, agitiert weltweit für rechte Populisten und schafft dem Extremen auch strukturell extreme Reichweiten. Denn war bereits bekannt, dass der X-Algorithmus Musks Account mit dem Faktor 1000 favorisiert und dessen Posts – ob gewollt oder nicht – in die For-You-Feeds der Nutzerinnen und Nutzer speist, haben australische Forscher zuletzt analysiert, dass Musks Sichtbarkeit, seit der Parteinahme für Donald Trump, um weitere 138 Prozent stieg – eine Reichweite, die auch dem Interview mit Alice Weidel ein Millionenpublikum bescherte.
Die Wissenschaftler erklären Musks Reichweitenboost als einen „strukturellen Bruch“. Man kann dies aber auch als die algorithmische Etablierung eines gar nicht neutralen, eines extrem tendenziösen Sichtbarkeitsregimes bezeichnen; eines Sichtbarkeitsregimes, in dem Musk vom Libertären zum Posterboy des Autoritären mutierte – zum Informationsoligarchen, der seine einst antistaatlichen Ideen mithilfe von Trump nun zu parastaatlichen Direktiven gerinnen lässt. Eine Entwicklung, die auf den digitalen Strukturwandel der Öffentlichkeit generell ausstrahlt, ihn auf rechts dreht.
Auch Mark Zuckerberg gab schon im US-Wahlkampf an, politisch neutral zu sein, kritisierte dann aber nicht nur die Biden-Regierung für Zensur in der Coronakrise und zeigte für den „Bad ass“ Trump Sympathien. Er baut Facebook, Instagram und Co. nun auch nach dem Vorbild von X um und will in muskscher Mimesis die freie Rede, wie er es nennt, „wiederherstellen“.
Neue Plattformen suchen
Was Zuckerberg im Idiom Trumps und im Wettern gegen europäische Gesetze dann als ein „Zurück-zu-den-Wurzeln“ beschreibt, bedeutet de facto, dass er affektökonomisch deregulieren, seine Plattformen von Fake News und Shitstorms durchwehen lassen will. Kurz: Make Facebook great again.
Immer klarer wird, dass die Tech-Elite ihr Label politischer Neutralität als rechten Opportunismus versteht, dass sich autoritäre Neigungen mehr denn je sozialmedial niederschlagen und jeden ausgewogenen Diskurs gleich mit. Für uns heißt es derweil in Anlehnung an die Worte des Philosophen Gilles Deleuze: Weder zur Furcht noch zur Hoffnung besteht Grund, sondern nur dazu, uns neue Plattformen zu suchen.